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Wie alles begann - ein Rückblick in Filmen: Muxmäuschenstill (2004)

Ein Beitrag von Joachim Kurz

Kino-Zeit wird 20 Jahre alt und das ist ein Anlass für uns, mal einen Blick zurückzuwerfen auf unsere Anfänge und wie das alles hier seinen Lauf nahm.

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Muxmäuschen_Still

Das Jahr 2004 war kein schlechtes für das deutsche Kino – es war das Jahr, in dem Filme wie „Was nützt die Liebe in Gedanken“, „Der Untergang“, der leider in Vergessenheit geratene „Schultze gets the Blues“, zudem Aelrun Goettes „Die Kinder sind tot“, Angela Schanelecs „Marseille“, „Heimat 3“ von Edgar Reitz und „Die fetten Jahre sind vorbei“ in den Kinos starteten, um nur mal einige zu nennen. Im Februar hatte Fatih Akins auch heute noch umwerfender „Gegen die Wand“ den Goldenen Bären bei der Berlinale gewonnen und mit einer emotionalen Wucht die Herzen im Sturm erobert, die man ehrlich gesagt einem Film aus Deutschland nicht zugetraut hätte.

Viel kleiner, aber mit ebenso viel Wucht trat damals vor 20 Jahren ein Film an, der heute kaum noch präsent ist und der sich in der Rückschau ein wenig wie ein schwarzes Schaf unter den anderen Arthouse-Hits deutscher Provenienz ausnimmt. Aber genau darin besteht bis heute für mich seine Stärke, seine ganz besondere Qualität: Muxmäuschenstill ist auf seine Weise rau und ungeschliffen, ist wütend und wüst, zynisch und gnadenlos ehrlich, er schlägt permanent über die Stränge, traut sich was und verstört.

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Eines der Geheimnisse dieses Films liegt sicherlich auch darin begründet, dass die beiden Macher, der Regisseur Marcus Mittermeier, der heute als Schauspieler zum Beispiel in der Serie München Mord und bei anderen Fernsehproduktionen sein Geld verdient und sein Partner in Crime Jan Henrik Stahlberg, der Drehbuchautor und Hauptdarsteller in Muxmäuschenstill bei den Filmfördereinrichtungen keinen Fuß in die Tür bekamen. Was im Umkehrschluss und bei allen damit verbundenen Schwierigkeiten aber auch bedeutete, dass ihnen niemand groß reinredete, kein Förderreferent und keine TV-Redakteurin das grantige Skript glätten und ihm damit den nötigen Biss nehmen konnten.

„So bleibt schließlich das Gefühl zurück, dass es unmöglich ist, diesen Film zu mögen oder nicht zu mögen. Viel eher ist der Film ein herzhafter Tritt in den Allerwertesten, der, wie es scheint, bitter nötig ist. Auch wenn es wehtut …“, heißt es in der Kritik von damals. Und ja, mehr von diesem Gefühl wünscht man sich heute des Öfteren auch mal wieder.

Die Rezension von damals ist eigentlich heute immer noch gültig (was ja beileibe nicht bei allen Kritiken von damals der Fall ist, wie wir manchmal mit Erschrecken feststellen müssen) – und der Film ist auch heute noch von einer ungemeinen Qualität. Denn die selbsternannten Tugendwächter, wie sie der Film zeichnet, gleich welcher Couleur, die ihre ureigene Vorstellung von Recht und Ordnung den anderen überstülpen wollen, feiern auch heute noch fröhliche (und immer bedrohlichere) Urstände.

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2009 folgte eine weiter gemeinsame Arbeit von Marcus Mittermeier und Jan Henrik Stahlberg, der dieses Mal auch für die Co_Regie verantwortlich zeichnete: Short Cut to Hollywood sorgte mit einer gezielt lancierten Falschmeldung für einige Aufmerksamkeit, insgesamt aber reichte der Nachfolger nicht mehr an die rotzfreche Unbekümmertheit des Erstlings heran.

2017 folgte mit Fikkefuchs (Regie und Hauptdarsteller sowie Co-Autor: Jan Henrik Stahlberg) ein weiterer Versuch, an den anarchischen Geist von Muxmäuschenstill anzuknüpfen – und dieses Mal gelang die Annäherung auf recht brutale und unverblümte Weise. Abermals umging man bei der Produktion die üblichen Anträge bei den Filmförderanstalten – und genau hierin zeigt sich abermals (und in Erwartung eines Referentenentwurfs zur Reform der Filmförderung), wie sehr das System genau darin krankt, solche sperrigen, sich gegen alle Regeln durchsetzenden, wilden Filme zu verhindern, statt ihnen Vertrauen zu schenken. Die Produktionsgeschichte(n) von Muxmäuschenstill und Fikkefuchs zeigen, dass es umgekehrt auch die Produzent*innen, und Regisseur*innen sind, die genau wissen, dass eine bestimmte Art von Filmen bei den bestehenden Kriterien keine Chance auf Förderung haben. 

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Dabei brauchen wir genau diese Art von Filmen –  neben vielen allem anderen Farben, Bildern und Stimmungen. Insofern sieht man, dass sich in der Malaise des deutschen Films in den letzten 20 Jahren eigentlich nicht wirklich etwas geändert hat. Es bleibt zu hoffen (denn die Hoffnung stirbt ja bekanntlich nie), dass dies alles im neuen FFG (Filmfördergesetz) Berücksichtigung finden wird. Meine Zweifel aber bleiben hartnäckig.

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