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Mario Bava - Meister der Schatten

Ein Beitrag von Christian Neffe

Mubi würdigt den italienischen Kultregisseur Mario Bava mit einer eigenen kleinen Reihe — und wir sagen euch, warum ihr einschalten solltet.

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Mario Bava
Mario Bava

Ohne Mario Bava kein Giallo. Ohne Mario Bava kein Dario Argento, kein Tim Burton, kein Quentin Tarantino — zumindest nicht so, wie wir sie heute kennen. Kurzum: Ohne Mario Bava wäre die Filmwelt eine andere und keinesfalls bessere, weil vor allem ästhetisch ärmere. Der Streaming-Dienst Mubi nimmt im März mehrere Filme des italienischen Kult- und Klassikerregisseurs ins Programm auf. Wir schauen auf sie und auf weitere Perlen Bavas.

Im Grunde war Mario Bavas Werdegang zum Regisseur von Beginn an vorgezeichnet, quasi unvermeidbar. Geboren am 31. Juli 1914 — ein Tag nach Ausbruch des Ersten Weltkriegs — kam er in Sanremo als Sohn von Eugenio Bava zur Welt. Bava senior hatte sich früher als Bildhauer und Maler verdingt, prägte aber darüber hinaus vor allem die Ästhetik des frühen italienischen Kinos als Fachmann für Spezialeffekte und Kameraarbeit, unter anderem bei den epochalen Produktionen Quo Vadis (1913) und Cabiria (1914) — und später, nach Mussolinis Machtergreifung, in der Abteilung für optische Effekte beim Dokumentar- und Propagandafilme produzierenden Istituto LUCE.

Von Anfang an wuchs Mario Bava deshalb in einem höchst kreativen Umfeld auf — die Werkstatt seines Vaters bezeichnete er später als „Wunderland“. Der Vater ließ seinen Sohn darüber hinaus an der Arbeit teilhaben und lehrte ihn das Spiel mit Kamera und Spezialeffekten. In den 30ern etablierte sich Mario Bava als Kameramann, arbeitete unter anderem unter Roberto Rossellini, G.W. Pabst, Raoul Walsh. Ab Mitte der 50er übernahm er zunehmend die Regieassistenz und drehte zuweilen große Teile der Filme ab, oft jedoch ohne beim Namen genannt zu werden. Später wurde berichtet, er habe sich von den Studios geradezu ausnutzen lassen. Erst 1960, im Alter von 46 Jahren, erhielt Mario Bava die Chance auf seine erste eigene Regiearbeit. Wenn auch etwas widerwillig, denn an der Kamera fühlte er sich eigentlich pudelwohl.

 

Debüt mit Folgen

Die Stunde, wenn Dracula kommt (La maschera del demonio) hieß das Ergebnis und wurde zu einem der stilprägendsten Horrorfilme seiner Zeit. Inhaltlich ging es dabei weniger spektakulär zu: Die Geschichte setzt im Jahre 1630 an, als eine Adelige und ihr Geliebter wegen Hexerei zum Tode verurteilt werden. 200 Jahre später stolpert ein Professor über das Grab der Hingerichteten — und erweckt sie mit seinem Blut versehentlich zum Leben, was eine Reihe unheimlicher Ereignisse in Gang setzt.

Viel mehr als seine an Bahnhofs-Schauerromane erinnernde Handlung war es die formale Ebene, die Die Stunde, wenn Dracula kommt so beeindruckend machte. In kraftvollen, von starken Kontrasten geprägten Schwarz-Weiß-Bildern, die zugleich eine Hommage an den Expressionismus des frühen deutschen Films waren, erschuf der Ästhet Bava stilsichere Bilder voller Ungemach und Anspannung, ergänzt durch beachtliche Spezialeffekte, einen hohen Gore-Faktor und schaurig-schöne Designs in barockem Gewand. Barbara Steele wurde in der Hauptrolle zur Kultfigur, und Francis Ford Coppola zitierte einige Einstellungen des Films (dem der deutsche Verleih aus Marketing-Gründen das Label „Dracula“ aufdrückte, obwohl der Vampirlord nicht einmal Erwähnung findet) in seinem 1992er Werk Bram Stoker’s Dracula.

 

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Die Stunde, wenn Dracula kommt trat eine Welle an italienischen Gothic-Horrorfilmen los, war auch international erfolgreich und verschaffte Bava, der es verstand, aus seinen kleinen Budgets stets das Maximum herauszuholen, weitere Engagements. Seinen nächsten Film, Vampire gegen Herakles (1961), drehte er schließlich in Farbe und wagte sich fortan auch in andere Genres wie Fantasy (Aladins Abenteuer, 1961), Western (Der Ritt nach Alamo, 1964; Nebraska-Jim, 1966) und sogar die Verfilmung eines Superhelden-Comics (Diabolik, 1967). Vor allem aber waren es seine Ausflüge ins (Kriminal-)Thriller-Genre, die stilprägend waren: In Das Mädchen, das zu viel wusste (1963) sowie Blutige Seide (1964) zelebrierte Bava geradezu die Ästhetik der Angst, des Todes und der Abgründe der menschlichen Psyche und reicherte all das mit einem Hang zum Fetisch und einer markanten Inszenierung an. Geboren war der Giallo — zumindest werden beide Filme bis heute als Blaupausen dieser Stilrichtung angesehen, auf die Dario Argento in den 70ern seine Karriere aufbaut. 

 

Passion Horror

1966 folgte ein weiterer Horrorfilm, dem der deutsche Verleih abermals den bekanntesten aller Vampire in den Titel schrieb: Die toten Augen des Dr. Dracula (Operazione paura) handelt von einem Dorf in den Karpaten, das vom mordlüsternen Geist eines Mädchens heimgesucht wird. Zwei Mediziner von außerhalb versuchen, das Geheimnis um die Existenz des Geistes zu lüften, während eine Hexe das Dorf unter allen Umständen beschützen will. Erneut war es vor allem die Bildsprache, die den Film aus der Masse der günstig produzierten Massenware herausstechen ließ (auch, wenn es sich selbst um eine solch günstige Produktion handelte): Bava verstand es weiterhin meisterhaft, allein mithilfe der Beleuchtung — omnipräsente, erdrückende Schatten konterkariert von pointierter Lichtsetzung — und der oft klaustrophobischen Architektur und damit verbundenen Bildaufteilung, die die Figuren ihres Handlungsraumes beraubt, Anspannung und Unwohlsein zu erzeugen. Vom erneut schauerlichen Design, den Kostümen und dem Make-up ganz abgesehen.

 

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Bavas letzter Ausflug in (Gothic-)Horror-Gefilde folgt 1973 mit Der Teuflische, auch bekannt als Lisa und der Teufel (Lisa e il diavolo). Darin spielt Elke Sommer eine Touristin, die nach Spanien reist und dort dem Teufel begegnen scheint — zumindest ähnelt dieser Mann der Abbildung des Leibhaftigen auf einem Fresko des Ortes, den sie aufsucht. Als es sie in ein unheimliches Anwesen verschlägt, nimmt der Albtraum seinen Lauf. Der Teuflische gilt als eines von Bavas ambitioniertesten Projekten und stieß bei der Premiere in Cannes auf Begeisterung — dennoch ließ sich kein Verleih finden. Als zu künstlerisch und verkopft wurde er abgetan, der Produzent Alfredo Leone ließ ihn deshalb umschneiden, um diverse Szenen kürzen und neue nachdrehen, auch um dem Erfolg von Der Exorzist nachzueifern. Dieses enttäuschende Erlebnis war der Anstoß für Mario Bava, das Filmgeschäft aufzugeben: Es folgte mit Schock (1977) nur noch ein einziger Film, der zu großen Teilen aber von seinem Sohn Lamberto abgedreht wurde.

Bavas Erbe aber lebt weiter — sei es in den Werken von Argento oder denen von Tim Burton und Quentin Tarantino, die sich unverkennbar von seiner Ästhetik bzw. seinen Themen respektive deren Vielfalt inspirieren ließen. Der Meister der Schatten wirft seinen eigenen bis heute voraus.

 

Folgende Film von Mario Bava sind im März bei Mubi zu sehen:

  • Ab 7. März: Die Stunde, wenn Dracula kommt
  • Ab 11. März: Die toten Augen des Dr. Dracula
  • Ab 15. März: Lisa und der Teufel/Der Teuflische

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