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Kolumnen

Hakuna matata, Hamlet! - Die kino-zeit.de-Kolumne

Ein Beitrag von Beatrice Behn

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Ein Königreich für eine gute Shakespeare-Verfilmung! Wie viele Regisseure sich – mal mehr, mal weniger erfolgreich – daran versucht haben, Shakespeares Stücke für die Leinwand zu adaptieren… und wie viele daran gescheitert sind. Meist ersaufen die Adaptionen in den großen Worten, den großen Gesten und dem Versuch, eine gewisse Werktreue einzuhalten. Was soll man nur tun mit Macbeth und Co.? Ich möchte nicht wissen, wie viele Haare Kenneth Branagh ob dieser Frage schon grau geworden sind.


(William Shakespeare, porträtiert von Martin Droeshout; Copyright: Public Domain via Wikimedia Commons)

Dabei ist es doch so einfach, Shakespeares Werke wie Zitronen auszuquetschen. Nicht umsonst gibt es den berühmten Spruch (nicht von Shakespeare): „Wenn dir das Leben Zitronen gibt, mach Limonade daraus.“ Deshalb möchte diese Kolumne – nicht umsonst Unknown Treasures genannt und damit unbekannte Schätze der Film“kunst“ erforschend – sich auf die Adaptionen konzentrieren, die sehr viel Limonade sind und fast gar keine Zitrone. Es sind die Filme, die das Große, das Epische, ja die ganze Kunst aus diesen Werken heraussaugen, ohne falsche Scham oder allzu viel Respekt, und sie dekonstruieren, um sie dann wieder zusammenzusetzen und zu etwas ganz Neuem zu machen. Man mag mir an dieser Stelle Sarkasmus unterstellen, doch ich meine das ernst. Größtenteils.

Shakespeare… im Weltraum! So könnte man Alarm im Weltall (1956) kurz und präzise zusammenfassen. Der Sturm ist die Vorlage für diesen Klassiker der Science-Fiction-Filmkunst. Wenn Shakespeare wüsste, dass sein Stück von Leslie Nielsen, einem nackten außerirdischen Mädchen und einem Roboter interpretiert würde…

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(Trailer zu Alarm im Weltall von Fred M. Wilcox)

Aber der Weltraum und die Möglichkeiten von Shakespeare-Adaptionen haben beide unendliche Weiten. „Man hat ihn nicht wirklich erfahren, wenn man den großen Hamlet nicht in original klingonischer Übersetzung gesehen hat“, postulierte der klingonische Kanzler Gorkon (David Warner)  einst in Star Trek VI: Das unentdeckte Land. Und in der Tat, die harte und den meisten von uns völlig unverständliche Sprache nimmt dem Zuschauer die Möglichkeit, sich an den wohlfeilen Worten Shakespeares aufzuhalten. Sie sind Kauderwelsch und das ist gut so. Denn wenn man sich TaH pagh taHbe‘ — Sein oder nicht sein ansieht, so wird daraus ein surreales Stück, das eine Brücke zwischen Star Trek und Shakespeare zu schlagen vermag und das Grundprinzip der Science-Fiction-Serie auf den Altmeister überträgt: Die Leiden der Seele sind universell und nicht abhängig von Sprache, Herkunft oder Kultur. Auch Klingonen schmerzt das Herz.

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(Ausschnitt aus Star Trek VI: Das unentdeckte Land von Nicholas Meyer)

Überhaupt scheint es stets eine Übersetzungsarbeit zu sein, die man beim Adaptieren von Macbeth, Hamlet oder Romeo und Julia zu leisten hat. Und Übersetzen ist hier doppeldeutig gemeint. Einmal als Übertragen der Sprache, aber auch als das Übersetzen an ein anderes Ufer, weit weg vom Original, an dem man sich ungestört mit dem Werk auseinandersetzen kann. Die drei interessantesten Versuche, Shakespeare weit weg vom Ursprung zu verorten, sind wohl Billy Morrissettes Scotland, Pa. (2001), Rave Macbeth (2001) und Disneys Der König der Löwen (1994). Aber eins nach dem anderen:

Scotland, Pa. ist wahrlich ans andere Ufer geschwommen und situiert die klassische Geschichte um Lord und Lady Macbeth im Pennsylvania der 1970er Jahre. Joe ‚Mac‘ McBeth (James LeGros) ist ein Angestellter in einer Fastfood-Kette, der nicht die erhoffte Beförderung erhalten hat. So tötet er den Manager Duncan (James Rebhorn) und macht den Polizisten McDuff (Christopher Walken) auf sich aufmerksam. Und die drei Hexen? Werden von den lokalen Hippies gespielt, die im Drogenrausch Dinge sehen. Morrissette weiß, wovon er erzählt: Der Mann hat zwanzig Jahre in solchen Burgerrestaurants gearbeitet und stets große Parallelen zum episch-shakespeareschen Leiden in seiner eigenen Realität entdeckt.

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(Trailer zu Scotland, Pa. von Billy Morrissette)

Eine andere Welt, die eines Underground-Rave-Clubs, betritt Rave Macbeth, ein Film, der in München mit tausenden StatistInnen in einem Club gedreht wurde. Hier wird Macbeth in wenigen Stunden erzählt und in ein Drama kondensiert, in dem Marcus (Macbeth) zur rechten Hand des Drogendealers und Eigentümers der mit Techno-Musik brummenden Kaschemme gemacht wird.

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(Trailer zu Rave Macbeth von Klaus Knoesel)

Man erkennt ihn kaum noch, den Macbeth in dieser Version – und doch, die Grundgeschichte kommt bekannt vor. Die shakespearesche Essenz ist und bleibt vorhanden und resoniert in jeglicher Form, Farbe oder Musik. So auch in Der König der Löwen, einer Art frühkindlicher Erziehungsmaßnahme in Sachen Shakespeare mit Simba, dem kleinen Löwenjungen, als Prinz Hamlet. In der Tat ist gar nicht klar, ob der Film die Intention hatte, das klassische Stück im Kern zu kopieren. Doch es ist unbestreitbar, hier wird sie erzählt, die Geschichte des unglücklichen Prinzen, wenn auch in kindergerechter, etwas unblutigerer Art. Vom getöteten Vater und dessen Rückkehr als Geist (Mufasa/König Hamlet), dem bösen Onkel (Scar/Claudius) bis hin zu Simon und Pumba als Güldenstern und Rosenkrantz. Tja, hakuna matata, Hamlet! Nimm’s nicht so schwer.

Wem das übrigens zu lang dauert und zu viele Musicaleinlagen beinhaltet, kann sich Todd Louisos Sundance-Hit Fifteen-Minute Hamlet (basierend auf dem gleichnamigen Stück von Tom Stoppard) ansehen – eine quasi stark redigierte Kurzversion, perfekt für die inzwischen eher kurze Konzentrationsspanne der meisten ZuschauerInnen.

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(Die ersten zehn Minuten von The Fifteen Minute Hamlet von Todd Louiso)

Doch bei all dem Drama fehlt noch die Liebe. Vor allem Romeo und Julia müssen in den weniger klassischen Adaptionen oft dran glauben. Nun will ich gar nicht von Baz Luhrmanns quietschbunter Adaption Romeo + Julia sprechen. Reden wir lieber über die rohste und auf surreale Art echteste Verfilmung junger Liebeslust: Tromeo und Julia. Ein Highlight der Adaptionskunst aus dem Hause Troma, das bekannt dafür ist, schnell und billig Schund zu produzieren, der aber immer auf einer oder mehreren Metaebenen intelligente Gesellschaftskritik mit einbringt. Diese Shakespeare-Adaption des jungen Liebespaares kümmert sich nun um das wahrhaft Wesentliche solch junger Liebe: den sexuellen Aspekt. Denn seien wir ehrlich, vor der Nachtigall und der Lerche kommt meist noch etwas anderes.

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(Trailer zu Tromeo und Julia von Lloyd Kaufman)

Tromeo und Julia – das ist Punkrock, Liebe, Drogen, Sex und Hormone im Ausnahmezustand, also genau die Mischung, die es braucht, um selbst Shakespeare-Muffeln (auch bekannt als „die meisten jungen Menschen“) den Meister nahezubringen. Und immerhin wird hier zum Teil der Originaltext benutzt:

Julia: „Nun gute Nacht, so süß ist Trennungswehe!“

Romeo: „Ja, voll Scheiße!“

Wenn das nicht eine Brücke zwischen klassischer Kunst und Jugendkultur schlägt, dann weiß ich auch nicht.

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