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Darling der Woche

Dieter Wieland - Topograph der Verschandelung

Ein Beitrag von Joachim Kurz

Meinungen
Bild von Dieter Wieland
Dieter Wieland

„Mahner“, „Aufklärer“, „Aktivist“ — der Fernsehjournalist Dieter Wieland, der für den BR rund 250 Filme gedreht hat, gilt als einer der ganz Großen seiner Zunft. Und vor allem ist er seit den 1970er Jahren einer der maßgeblichen Menschen in Deutschland, der die Zerstörung der Natur, die Zersiedelung der Landschaft und die Unwirtlichkeit der Städte ins Bewusstsein der Gesellschaft trug — und das zu einer Zeit, als Naturschutz und Umweltschutz noch lange nicht so sehr im öffentlichen Bewusstsein verankert war, als dies heute der Fall ist.

Der 1937 geborene Wieland ist fest in Bayern verwurzelt: Obgleich in Berlin auf die Welt gekommen, verbrachte er die Kriegsjahre in Landshut im Haus seiner Großmutter und blieb dort auch dann, als seine Mutter in die USA übersiedelte, wohin ihr der Junge nach seinem Abitur nachfolgen sollte. Doch für ihn war es unvorstellbar, in einem Land ohne Geschichte und ohne Barockkirchen zu leben, wie er in einem Gespräch bekannte. Und so entdeckte er die Landschaften der USA nur als Durchreisender, als er mit einem Freund und einem Gebrauchtwagen die USA durchquerte, statt wie ursprünglich vorgesehen bei Richard Neutra Architektur zu studieren.

Nach dem Studium der Bayerischen Landesgeschichte, Neueren Geschichte und Kunstgeschichte landete Wieland schließlich nach einigen Umwegen Mitte der 1960er Jahre beim Bayerischen Fernsehen, wo er ab 1972 Filme für die 1969 ins Leben gerufene und bis heute bestehende Dokumentarfilmreihe Unter unserem Himmel realisierte. Seine Filme liefen unter dem eigenen Reihentitel Topographien — und genau das waren sie auch. Werke wie Unser Dorf soll hässlich werden oder Die Isen – Autobahn im Isental waren und sind bis heute Beiträge zu einer kritischen Auseinandersetzung mit Heimat und deren systematische Verschandelung durch Flurbereinigung und andere landschaftsplanerische Maßnahmen. In seinem Film Grün Kaputt aus dem Jahre 1983 bracht er sein Credo auf den Punkt:

„Ein Kahlschlag geht durchs Land: Begradigung, Bereinigung, Erschließung, Beschleunigung, Kanalisierung, Neuordnung, Verordnung, Verödung. Das Land wird hergerichtet, abgerichtet, hingerichtet. Am Ende bleibt nur das Korsett des öden Rasters, der Triumph des rechten Winkels: Serienlandschaft. „Neuordnung im ländlichen Raum“, war das die Ordnung, die wir wollten? Eine ausgeräumte, nackte Maschinensteppe, am Reißbrett konstruiert, mit schnurgeraden asphaltierten Wegen. Eine Landschaft ohne Spuren, ohne Geschichte, ohne Namen, ohne Tiere, ohne Baum und ohne jeden Strauch – international. Östliche Kolchosen sehen nicht viel anders aus.“


Trotz ihrer enormen Bedeutung, für die Dieter Wieland mit unzähligen Auszeichnungen bedacht wurde, waren seine Filme lange Zeit nicht in der Mediathek des BR auffindbar. Dies hat sich immerhin seit einigen Jahren geändert. Zumindest vier Filme sind dort gerade abrufbar, die zumindest einen Anfang bilden für eine tiefergehende Beschäftigung mit Wieland und seinem Wirken:

https://www.br.de/br-fernsehen/sendungen/unter-unserem-himmel/dieter-wieland-topographie-100.html

Die demnächst stattfindenden Kurzfilmtage Oberhausen widmen Dieter Wieland eine längst überfällige Würdigung. Besonders schön, dass dabei nicht nur die filme Dieter Wielands gezeigt werden, sondern sich auch zwei über die Website des Festivals abrufbare Gespräche des Leiters der Kurzfilmtage Lars Henrik Gass mit dem Filmemacher finden — und zwar hier (Teil 1) und hier (Teil 2). Sie laden ein zu einer Wiederentdeckung Wieland, dessen Themen auch heute noch von enormer Wichtigkeit sind.

„Fernsehen kann mehr als unterhalten, es kann etwas bewegen, wenn es weiß, was es will. Es kann Gedanken vermitteln, kann Haltungen vorleben, kann Sehen lehren und die Augen öffnen. Es kann zeigen, was hinter den Dingen steckt. Es kann den Hunger nach Qualität fördern und den kritischen Umgang mit Natur und Umwelt. Es kann, es muss die Nähe zeigen, denn die nächste Nähe ist oft unbekannter als die Ferne. Das gilt besonders von diesem Land Bayern, das so viele lauthals loben, aber so wenige wirklich kennen.“

Meinungen

Stefan · 13.04.2021

In der BR-Mediathek sind 72 (!) FIlme von Dieter Wieland abrufbar. Diese werden in vier Kategorien unterteilt, wobei in jeder Kategorie mehrere Filme über die Pfeil-Schaltflächen auszuwählen sind.