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Darling der Woche

Bryan Cranston oder: Das Glück des späten Erfolgs

Ein Beitrag von Christian Neffe

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Bryan Cranston
Bryan Cranston

„Arbeite viel, arbeite hart, beginne damit am besten schon in jungen Jahren — und du wirst es vom Tellerwäscher zum Millionär schaffen.“ So lauten die Versprechungen des American Dream, die jedoch verschwiegen, dass Erfolg kein reines Resultat der eigenen Leistung ist. Sondern stark von Faktoren wie Geschlecht, Herkunft oder Hautfarbe abhängt. Ein Blick auf die Karriere von Bryan Cranston, der kürzlich seinen 65. Geburtstag feierte, scheint sowohl das ursprüngliche Narrativ als auch die Einwände dagegen zu bestätigen: In mehr als 40 Jahren hat sich Cranston in zahlreichen Rollen (imdb listet 160 Actors-Credits) und durch beständige Arbeit vom kleinen Statisten in TV-Produktionen zum gefragten Charakterdarsteller gemausert. Und bringt alle Privilegien mit: Er ist weiß, männlich und stammt aus gutem Hause, wurde 1956 in Los Angeles als Sohn einer Schauspielerin und eines Schauspielers geboren. Schaut man etwas weiter, wird jedoch klar, dass Cranstons Karriere den American Dream in gewisser Weise untergräbt.

Denn ganz am Anfang stand keine harte Arbeit — sondern Freiheit. Mit 20 Jahren hatte Cranston eine vielversprechende Laufbahn als Polizist in Aussicht, war damit jedoch nicht glücklich und entschied sich, stattdessen auf Reisen zu gehen. Zusammen mit seinem Bruder fuhr quer durchs Land, beide schlugen sich mit Gelegenheitsjobs rum, schliefen auf Golfplätzen und Friedhöfen, fuhren weiter, wann immer sie wollten. Totale Freiheit. Am Ende stand für Cranston fest, dass er, wie seine Eltern, Schauspieler werden wolle. Oder wie er es in seiner Autobiografie A Life in Parts (2016) schrieb:

„I will pursue something that I love and hopefully become good at it, instead of pursuing something that I’m good at, but don’t love“ — Bryan Cranston

Hier erst begann harte, aber nicht von Erfolgsgier, sondern Leidenschaft geprägte Arbeit: Cranston tingelte von Casting zu Casting und wurde vor allem für TV-Produktionen verpflichtet, etwa für Loving (1983-95), Raising Miranda (1988) oder Macross Plus (1994). Allein diese Titel machen jedoch deutlich: Von Durchbruch kann keine Rede sein, zumal Cranston in der Regel nur kleine bis sehr kleine Rollen erhielt. Selbst in den bekannteren Vertretern Seinfeld (1989-98) und King of Queens (1998-2007) reichte es gerade mal für Auftritte in fünf beziehungsweise vier Folgen.

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Der erste Schritt zum Durchbruch kam 2000: In 151 Folgen von Malcolm mittendrin (2000-2006) verkörperte Cranston das exzentrische, zwischen bemühter Vaterfigur und unreifem Halbstarken schwankende Familienoberhaupt Hal und konnte in dieser Rolle sein vor allem physisches Comedy-Talent voll ausspielen. Dennoch konnte Cranstons Figur zwischen den anderen sowie all dem Quatsch, der da stattfand, niemals komplett als Hauptakteur herausstechen. Das kam erst mit seinem endgültigen Durchbruch im Jahr 2008: Breaking Bad (2008-2013).

Die Entwicklung des unsicheren Chemielehrers Walter White, der aufgrund einer Krebserkrankung beschließt, ins Drogengeschäft einzusteigen und letztlich dem Thrill des Verbrechens, der Macht, des Reichtums erliegt, korrespondierte auf erstaunliche Weise mit Cranstons schauspielerischer Metamorphose. Weder ihn noch Walter White nahm man zu Beginn der Serie völlig ernst, doch mit jeder Folge zementierten Darsteller und Rolle ihren Wandel hin zu einer Kraft, mit der man rechnen sollte, nein: musste. Am Ende konnten sowohl der Chemielehrer als auch die Person dahinter mit Fug und Recht behaupten: I am the One who knocks.

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Denn tatsächlich: Cranston hatte damit an die Türen der großen Hollywood-Studios geklopft, blieb jedoch so vielseitig wie zuvor. Seitdem pendelt er zwischen Action-Blockbuster (Total Recall, John Carter), klassischem Oscar-Material (Argo, Trumbo), leichter Familienkost (Der einzig wahre Ivan, Mein Bester und Ich), Blödel-Komödien (Why Him?), Genre-Spannungskino (The Infiltrator) — und ist dabei, etwa wie im Fall von Godzilla, oft der beste Part des finalen Werks. Nebenher bespielt er weiterhin Serien (aktuell Your Honor), ist als Synchronsprecher (Isle of Dogs) und auch Theaterdarsteller aktiv: 2014 gab’s den Tony Award für seine Hauptrolle in All the Way.

Cranstons Erfolg kam — speziell für seine Branche — spät. Sehr spät sogar. Für den Schauspieler scheint das jedoch der genau richtige Weg gewesen zu sein, zumindest wenn beim Blick auf folgende Aussage:

„There is this Chinese proverb that says: ‚May you reach fame and fortune early on in life.‘ And it’s not intended to be favorable. It’s a curse, because they don’t feel that you can handle that.“ — Bryan Cranston

Der American Dream hat sich für Bryan Cranston also erfüllt. Und doch beschwört er auf Vorträgen, bei denen er angehenden SchauspielerInnen Karrieretipps gibt, nicht blind das Narrativ von der harten, beständigen Arbeit, die ihn dorthin geführt habe, wo er jetzt steht. Er weiß, dass noch etwas ganz anderes entscheidend dazu beigetragen habe:

„There’s one other element that you need to become successful, it’s the illusive element. And that is luck. (…) There is no successful career without luck.“ — Bryan Cranston

Zu seinem 65. Geburtstag brauchen wir Bryan Cranston deshalb wohl kein Glück mehr zu wünschen. Dafür aber — nach einer überstandenen Covid-19-Infektion im Sommer 2020 — viel Gesundheit!

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