The Chinese Lives of Uli Sigg

Eine Filmkritik von Björn Helbig

Ein Leben in bestem Licht

Die Volksrepublik China ist der bevölkerungsreichste und, was seine Fläche betrifft, nach Russland, Kanada und den Vereinigten Staaten der viertgrößte Staat der Erde. Politisch und sozio-kulturell verlaufen zwischen dem Reich der Mitte und der westlichen Welt allerdings tiefe Gräben. Dass diese auch überwunden werden können, zeigt der Dokumentarfilm The Chinese Lives Of Uli Sigg. Worum es dem Regisseur — Ex-Direktor und -Intendant des Theater Basel Michael Schindhelm — eigentlich geht, wird allerdings nicht so recht klar. Vieles wird angesprochen, alles bleibt an der Oberfläche. Letztlich sind es vor allem einige Bilder, die einen bleibenden Eindruck hinterlassen.
Der Film beginnt mit einer kurzen Charakterisierung Uli Siggs aus dem Off: Er sei anderen immer einen Schritt voraus, überlegt, ein unglaublicher Stratege, heißt es da. Und weiter: Er sei Jäger, Sammler, Denker und großer Motivator. Er liebe chinesische zeitgenössische Kunst. Weiterhin wird der Zuschauer in den folgenden Minuten darüber informiert, dass der Schweizer Sigg nach einer erfolgreichen Ruderkarriere zunächst lange Zeit in China als Unternehmer und später als Diplomat (von 1995 bis 1998) in der Schweizerischen Botschaft in Peking tätig war, bevor er sich, nach und nach, zum Mäzen und Kunstsammler entwickelte. Beeindruckende Bilder aus China wechseln sich mit kurzen Interviewpassagen ab, in denen abwechselnd Sigg und seine Wegbegleiter zu Wort kommen. Dazu gehören Künstler wie Ai Weiwei, Fang Lijun, Cao Fei, Zeng Fanzhi und Wang Guangyi, die den Schweizer als ihren Freund bezeichnen und ausgiebig für seinen Verdienst für die chinesische Gegenwartskunst loben. So übergaben viele ihre Werke in Siggs Hände, um sie vor Zerstörung durch die chinesische Regierung zu schützen. Im heroischen Finale des Dokumentarfilms übergibt Sigg einen Großteil dieser Sammlung dem Museum of Visual Culture in Hongkong, das voraussichtlich 2019 eröffnet wird.

Puh, was für ein Mann, der Uli Sigg. Doch am Ende ist leider nicht ganz klar, was man mit dem Gesehenen anfangen soll. Sigg, ein Stratege, Jäger, Sammler, Denker, Motivator, Kunstliebhaber – alles klar. Doch so richtig schafft es Schindhelm in seinem Film nie, ein echtes Gefühl für seinen Protagonisten und seine Beweggründe zu vermitteln. Was will Sigg? Was treibt ihn an? Und wenn er so ein großer Stratege ist, wie am Anfang gesagt wird – was ist denn seine Strategie? Ob die Schenkung seiner Sammlung an das Museum wirklich aufgeht und dadurch viele Chinesen längerfristig in den Genuss ihrer eigenen Kunst kommen, ist beispielsweise fraglich. Schließlich wird die Regierung da wohl auch noch ein Wörtchen mitzureden haben. Ai Weiwei schlägt jedenfalls provozierend vor, die Sammlung lieber in einem See zu versenken, als sie wieder dem Zugriff der chinesischen Obrigkeit auszusetzen. Leider sind solche kritischen Aussagen die Ausnahme innerhalb des Films.

Aber auch Sigg selbst und seine Gefühle für die Kunst kommen zu kurz. Der Film geht weder auf Subjekt (Sigg) noch Objekt dieser Leidenschaft (Gegenwartskunst) wirklich ein. Und so ist die Frage, worum es Schindhelm hier eigentlich geht, auch am Ende kaum zu beantworten: Geht es um Sigg, geht es um die Kunst? Oder geht es um die chinesische Kultur respektive ihr Verschwinden und das Zusammenwachsen von Ost und West aufgrund von Globalisierungsprozessen? Irgendwie geht es um all das – ein bisschen. Jeder Bereich für sich ist interessant und hätte eine Vertiefung verdient.

Uli Sigg hat in seinem Leben durch seine Aktivitäten viel zum wirtschaftlichen und kulturellen Austausch zwischen Ost und West beigetragen. Ihm ist die größte, bald auch allen Chinesen zugängliche Sammlung inländischer Gegenwartskunst zu verdanken. Dies ist sicherlich ein Grund, einen Dokumentarfilm über ihn zu drehen. Schön, dass dieser mit ein paar wirklich starken Bildern aufwarten kann. Dass einiges angerissen und so die Komplexität der Zusammenhänge wenigstens angedeutet wird. Doch warum muss The Chinese Lives Of Uli Sigg nur so ein oberflächlicher Film sein, der zudem nie ganz den Eindruck verhindern kann, es würde sich um schweizerische Auftragskunst handeln, die das Ziel hat, ihren Protagonisten in dem besten Licht erstrahlen zu lassen?

The Chinese Lives of Uli Sigg

Die Volksrepublik China ist der bevölkerungsreichste und, was seine Fläche betrifft, nach Russland, Kanada und den Vereinigten Staaten der viertgrößte Staat der Erde. Politisch und sozio-kulturell verlaufen zwischen dem Reich der Mitte und der westlichen Welt allerdings tiefe Gräben. Dass diese auch überwunden werden können, zeigt der Dokumentarfilm „The Chinese Lives Of Uli Sigg“.
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