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In seinem Drama „Manodrome“ erkundet John Trengove die seltsame Welt von Maskulinisten und Männerbünden und will dabei eine Art Zustandsbeschreibung des Ist-Zustands fragiler Männlichkeitsbilder sein – ein Anspruch, an dem sich der Film aber gewaltig verhebt.

Manodrome (2023)

Eine Filmkritik von Joachim Kurz

Im Reich der Vocels

Im Gegensatz zu den nicht erst seit verschiedenen Gewalttaten in den Fokus der Öffentlichkeit geratenen Incel-Bewegung ist der Männerbund, in den der frustrierte Uber-Fahrer Ralphie (Jesse Eisenberg) gerät, nicht unfreiwillig (involuntary celebate, dt: unfreiwillig zölibatär), sondern ganz und gar aus freien Stücken sexuell abstinent. Bei einer Vorstellungsrunde des Zirkels namens „Manodrome“ unter der Leitung des (mehr oder weniger charismatischen) Anführers Dad Dan (Adrien Brody) bekennen die anwesenden Männer der Reihe nach, wie lange sie schon aus freien Stücken ohne Sex leben und wie sie auf diese Weise das Heft des Handels und der wahren Autonomie selbst in die Hand genommen haben.

Ralphie ist hin- und hergerissen, als er durch Vermittlung eines früheren Arbeitskollegen in diese fremde Welt gerät. Hier findet er einerseits, was er seit seiner harten Kindheit (sein Vater verließt die eigene Familie just an Weihnachten) schmerzlich vermisst hat – männliche Identifikationsfiguren nämlich, die füreinander sorgen und sich unterstützen in einer Welt, die für einen wie ihn keinerlei Unterstützung mehr bereithält. Andererseits ist so viel unterdrückte Wut, so viel Hass und Herabsetzung in ihm, dass er immer wieder in alte Muster zurückfällt. Und betrachtet man es einmal genauer, dann zeigt sich, dass die Lösungen, die Manodrome scheinbar anbietet, einen wie ihn noch mehr vergiften und ihm falsche Ideale und Ziele einpflanzen, die ihn schließlich über jegliche roten Linien hinaustreiben.

Sein Umfeld umreißt der Film mit groben Strichen: Ralphie, so erfahren wir, wurde vor einiger Zeit von seiner Firma entlassen und schlägt sich als Uber-Fahrer mühsam durch. Seine Freundin Sal (Odessa Young) ist Supermarkt-Kassiererin und erwartet demnächst das erste gemeinsame Kind der beiden. Das Geld reicht hinten und vorne nicht aus und die Geburt des Kindes wird die prekäre Lage der beiden vermutlich noch eher verschärfen, was sich auch auf die Beziehung des Paares spürbar auswirkt. Zum Frustabbau quält sich Ralphie in einem Fitnessstudio – und auch dort befällt ihn immer wieder das Gefühl, dass er ein Loser ist, dass andere selbstbewusst die Initiative ergriffen haben und bestimmen, wo es lang geht. Und so kommt es immer wieder zu langen Blickkontakten und kleinen Provokationen, insbesondere durch einen afroamerikanischen Bodybuilder namens Ahmet (Sallieu Sesay), den Ralphie mit einer Mischung aus Faszination und Abscheu beobachtet.

Wie sehr all das an seiner Psyche nagt, stellt der Film von Anfang an deutlich heraus: Wie aus einem Musterhandbuch einer frustrierten Incels gesellen sich zu seiner verunsicherten Männlichkeit Sexismus, Rassismus und Homophobie sowie (natürlich) eigenes unterdrücktes homosexuelles Begehren hinzu, das sich zunehmend in imaginierten und auch realen Gewaltausbrüchen äußert. Als dann noch sein Sohn auf die Welt kommt und Sal ihn mit dem Baby sitzen lässt, setzt sich eine Gewaltspirale in Gang, die ziellos dem Abgrund entgegentaumelt.
 
Manodrome ist ein Film, der gerne auf der Höhe der Zeit und aktueller Geschlechterdiskurse wäre, wie dies früher einmal mit Taxi Driver und Fight Club zwei andere Filme über toxische Männlichkeit waren. Allerdings verhebt sich Regisseur John Tengrove mächtig an dem Stoff und hat wie ein überambitionierter Gewichtheber in einer Muckibude einfach zu viel hineingepackt in seinen Film. Küchenpsychologische Lehrbuchweisheiten (natürlich ein abwesender Vater!), inszenatorische Unsicherheiten und der Hang zur Übereindeutigkeit, ein Figurenrepertoire wie aus der Klischeehölle und ein wenig überzeugender Jesse Eisenberg verhindern, dass aus einer eigentlich interessanten Prämisse auch ein erhellender oder zumindest verstörender Film wird.
 

Manodrome (2023)

Der nihilistische Thriller stellt den aufstrebenden Bodybuilder Ralphie in den Mittelpunkt, der als Uber-Fahrer arbeitet. Er wird in einen libertären Männlichkeitskult hineingezogen. Ralphie verliert in der Folge den Bezug zur Realität, als seine unterdrückten Wünsche geweckt werden.

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