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In „Kleine schmutzige Briefe“ von Thea Sharrock beobachten wir, wie eine britische Gemeinde durch skandalöse Schreiben durcheinandergewirbelt wird.

Kleine schmutzige Briefe (2023)

Eine Filmkritik von Andreas Köhnemann

Heiliger Himmel!

Diese Geschichte sei „wahrer, als man meinen könnte“, heißt es zu Beginn von „Kleine schmutzige Briefe“ in einer Texteinblendung. Das Drehbuch von Jonny Sweet entwirft auf Basis eines realen Falls ein Sittengemälde im England der 1920er Jahre. Die Regisseurin Thea Sharrock setzt es mit einem spielfreudigen Ensemble als pointierte Komödie in Szene.

Die Junggesellin Edith Swan (Olivia Colman) lebt als älteste Tochter noch immer bei ihren strenggläubigen Eltern Edward (Timothy Spall) und Victoria (Gemma Jones) in der Stadt Littlehampton. Nebenan wohnt seit einiger Zeit die verwitwete junge Irin Rose Gooding (Jessie Buckley) mit ihrer Tochter Nancy (Alisha Weir) und ihrem Freund Bill (Malachi Kirby). Anfangs waren die fromme, sehr gehemmt wirkende Edith und die freigeistige Rose gut befreundet, doch dann kam es zum Zerwürfnis.

Nun erhält Edith äußerst obszöne Schreiben – und insbesondere der verbitterte Edward ist sich absolut sicher, dass Rose die Verfasserin sei. Schließlich fluche diese „wie ein Kesselflicker“! Der Polizeichef Spedding (Paul Chahidi) und der eifrige Constable Papperwick (Hugh Skinner) lassen sich rasch überzeugen; Rose wird umgehend verhaftet. Da sie die Kaution nicht aufbringen kann, landet sie zunächst im Gefängnis. Die zielstrebige Polizeibeamtin Gladys Moss (Anjana Vasan), die von ihren Kollegen nicht ernst genommen wird, zweifelt allerdings an der Schuld von Rose und stellt eigene Ermittlungen an.

Zum einen ist Kleine schmutzige Briefe eine Ansammlung schrulliger Figuren. Die Zeichnung der scheinheiligen Familie Swan, der unfähigen Polizei, aber auch der derb-schlagfertigen Rose und der cleveren Ermittlerin Gladys fällt betont zugespitzt aus. Zum anderen gelingt es dem Film, diesen typisierten Gestalten spannende Züge zu verleihen und so im Laufe des Plots wiederholt für Überraschungen zu sorgen.

Das liegt gewiss nicht zuletzt an der hervorragenden Besetzung. Die Oscarpreisträgerin Olivia Colman verkörpert Edith als Person, die spürbar viel Energie darauf verwendet, ihre Gefühle zu unterdrücken. Was sie mit einem falschen Lächeln oder einem entlarvenden Grinsen auszudrücken vermag und wie wunderbar sie später durch ein befreiendes lautes Lachen die Tragik eines Lebens in repressiven Verhältnissen vermittelt, ist beeindruckend.

Anjana Vasan gewinnt derweil als gewissenhafte Beamtin mit ihrer Emanzipationsgeschichte schnell die Sympathien des Publikums, während Jessie Buckley ihrer Rolle die nötigen Ecken und Kanten gibt, um ein interessanter Gegenpol zur reserviert auftretenden Edith zu sein. Hinzu kommen britische Charakterköpfe wie Timothy Spall, Gemma Jones und Eileen Atkins, die ihr Handwerk stets perfekt beherrschen.

In seiner Darstellung von Bigotterie ist Kleine schmutzige Briefe auch heute noch relevant. Zwischen amüsanten Dialogen und Slapstick-Momenten zeigt der Film ein feines Gespür für die dramatischen (Eigen-)Dynamiken und Konsequenzen, die sich aus Vorurteilen ergeben können – und demonstriert die Wichtigkeit von Solidarität im Kampf gegen konservative Strukturen.

Kleine schmutzige Briefe (2023)

Die lebhafte Rose Gooding hat wenig mit der frommen Edith Swan gemeinsam, außer dass sie Nachbarinnen in der englischen Küstenstadt Littlehampton in den 1920er Jahren sind. Doch eines Tages erhalten Edith und andere in der Stadt anstößige Briefe, gespickt mit gemeinen Beschuldigungen in unflätiger Sprache, und der Verdacht fällt sofort auf Rose. Scotland Yard ermittelt und Rose droht sogar, das Sorgerecht für ihre Tochter zu verlieren. Während die skandalösen Briefe weiterhin die Stadt heimsuchen, ahnt nur die Polizistin Gladys Moss, dass etwas nicht stimmt. Gemeinsam mit einer Gruppe einfallsreicher Frauen versucht Gladys, das Geheimnis zu lüften, Rose zu entlasten und den wahren Täter zu fassen…

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