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Ein dringlicher Film über einen Journalisten, der einen Artikel erfindet und in den Abgrund seiner eigenen Geschichte stürzt.

Good News (2024)

Eine Filmkritik von Harald Mühlbeyer

Eine Art Relotius

Ein Post-Relotius-Film ist dies, und viel mehr, als sowas wie Tausend Zeilen je könnte: Denn „Good News“ ist zwar sicherlich inspiriert vom Fall des Reporters, der für den Spiegel Artikel erfunden und für sich Preise eingeheimst hat. Aber er erzählt etwas anderes, und mehr. Regisseur Hannes Schilling führt uns nach Thailand, zu Leo, dem Journalisten, der im Süden des Landes eine Reportage über die dortigen Rebellen schreiben soll; schreiben will. Er hofft auf den großen Durchbruch; stellt allerdings gegenüber einem Ex-Rebellen auch doofe Fragen: Wer hat dich denn damals bei den Rebellen eingeführt? Sagen wir mal so: Wie kann, wie soll darauf einer antworten, der gegen die Regierung gekämpft hat, und der weiß, dass die Regierung unerbittlich ist?

Leo hat zu Hause eine kleine Tochter, die nichts von ihm wissen will, denn er ist ja weg. Eine Partnerin, die genervt ist, dass er seine eigene Karrierehoffnung über die Familie gestellt hat. In Thailand hat er den Übersetzer Mawar. Den bindet er freundschaftlich an sich, spielt mit ihm Fußball, flüstert ihm Hoffnung ein und verspricht Hilfe: Mawar könnte ja in Deutschland ein neues Leben anfangen, einfach ein Restaurant aufmachen!

Hannes Schilling filmt in Schwarz-Weiß, für eine stilisierte Distanzierung. Die Filmmusik – großartig: Lena Radivoj – bringt dissonant-sphärische Klänge in diese an sich realistische, tatsächlich aber tragödienhaft verdichtete Geschichte. Leo hat irgendwann seinen Artikel fertig, wir haben ihn kaum recherchieren sehen. Hat er ja auch nicht gemacht. Und als Fotograf Julian eintrifft, von der Redaktion geschickt zur Bebilderung, da wird klar, was Leo angestellt hat – es wird ihm klar wie dem Zuschauer: Er ist verloren. Ist in allen Bereichen verloren, familiär, beruflich, persönlich, moralisch. Und er kämpft, bemüht sich total, nun doch noch Kontakte zu bekommen zu den Rebellen, nicht mehr für seine Reportage, sondern für die Fotos.

Wie er Mawar umsäuselt, Kontakte herzustellen. Wie er Kontaktleute befragt, anbettelt, wie er immer wieder scheitert; und wie er Julian hinhält, sich mit ihm abends am Strand verbrüdert, im Wissen, nichts bieten zu können … Leo ahnt, dass er Rand des Abgrunds steht. Was er nicht ahnt: Wie er andere in den Abgrund stoßen wird.

Knackig in nicht einmal 80 Minuten entfaltet Schilling ein Moraldrama, bringt uns Leo nahe, der eigentlich ein Arschloch ist, aber die Leute sweettalked, bis er tatsächlich sympathisch ist. Der gar nicht anders kann, weil er sich selbst belügt, der Mawar tatsächlich als Freund betrachtet, obschon er ihn vor allem als Mittel zu seinem Zweck ausnutzt. Mawar lässt sich auf Leo ein, führt ihn in den Dschungel, wird von den Rebellen abgewiesen, mit deutlichen Drohungen – Leo will davon nichts wissen, er versteht ja auch kein Thailändisch, und er muss etwas bieten, er hat Reputation und Karriere vor sich.

Einmal steigt er aus dem Meer, setzt sich in Badehose zu Mawar, unterhält sich mit ihm über Religion, Gott, Familie. Später hört er dieses Gespräch ab, verwendet es in seinem Text – wo hatte er das Aufnahmegerät versteckt? Hat er etwa alles je Besprochene, auch freundschaftliche Privatgespräche, mitgeschnitten? Ausbeutung für das große Ziel – und er findet nichts dabei, bis er bitter erkennen muss, dass es zu spät ist.

Good News (2024)

In der Hoffnung auf den internationalen Durchbruch als Journalist hat Leo sein Leben mit seiner Tochter in Berlin hinter sich gelassen, um im Süden Thailands über eine geheime Rebellengruppe zu berichten. Zwischen seinen Recherchen verbringt Leo Zeit mit seinem Freund Mawar der von einer besseren Zukunft in Deutschland träumt. Leo bietet ihm Hilfe an, doch die Zeit mit Mawar und seiner Familie erinnert Leo schmerzlich an sein eigenes Leben in Berlin, dass er vorübergehend für die Reportage zurückgelassen hat. Inmitten der langwierigen Recherchen wächst Leos Sorge, den Kontakt zu seiner Tochter in Berlin zu verlieren. Um früher abreisen zu können begeht Leo einen folgenschweren Fehler. Er verfasst den Artikel, ohne jemals in echten Kontakt mit den Rebellen gewesen zu sein. Doch als plötzlich der Fotograf Julian auftaucht, um Fotos von den Rebellen zu machen, katapultiert sich Leo in eine moralische Abwärtsspirale. (Quelle: Max Ophüls Preis 2024)

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