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Streaming-Tipps

Streaming-Tipp des Tages: Die Zweiflers

Ein Beitrag von Joachim Kurz

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Key visual zu Die Zweiflers (2024)
Die Zweiflers (TV-Miniserie, 2024)

Zwar dürfte es sich schon rumgesprochen haben, aber wir müssen an dieser Stelle nochmal energisch auf ein Serienwunder im öffentlich-rechtlichen Fernsehen hinweisen — ja, so etwas gibt es durchaus. Selten zwar, aber immerhin.

Schon der Ort, an dem Die Zweiflers angesiedelt sind, ist ein Unikum und eher selten im deutschen Wohlfühlfernsehen zu sehen: Die Frankfurter Bahnhofsgegend genießt seit Jahrzehnten einen denkbar schlechten Ruf als härtestes Drogenpflaster der Republik, hinzu kommt eine ausgedehnte — nun ja — „Amüsiermeile“ mit Bordellen, Clubs und Striplokalen, neben denen sich St. Pauli fast schon wie ein Themenpark ausnimmt. Mehr Trash geht eigentlich kaum. 

Mitten hinein in dieses Milieu hat David Hadda den Patriarchen Symcha Zweifler (Mike Burstyn) und seine Mischpoche gepflanzt. Seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges betreibt er hier ein Delikatessenimperium mit angeschlossenem Gastbetrieb, doch nun sieht er die Zeit gekommen, die Nachfolge zu regeln und das gut gehende Geschäft zu veräußern. 

Das ruft allerdings nicht nur Investoren und Rotlichtgrößen auf den Plan, die noch alte Rechnungen mit Symcha offen haben, sondern rüttelt auch den Familienverbund (herrlich wie stets: Sunnyi Melles als leicht überspannte Tochter Symchas und ihren Ehemann Jackie Horowitz — gespielt von Mark Ivanir) ordentlich durcheinander. Und vor allem die Enkelkinder Samuel (Aaaron Altars), Dana (Deleila Piasko) und Leo (Leo Altaras), die gerade dabei sind, ihren Weg ins Leben zu finden oder sich unterwegs schon tüchtig verlaufen haben, müssen sich befragen, was ihnen das Erbe und die Bürde ihrer eigenen Familie bedeutet.

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Wie viel die Serie wagt, kann man bereits an den ersten Dialogen heraushören: Munter fließen hier die Sprachen durcheinander, neben Deutsch hört man Jiddisch und Englisch (untertitelt natürlich) und ähnlich bunt gemischt sind hier auch die unterschiedlichen Problemlagen, die aufeinandertreffen. Zur Familienaufstellung, in der abwechselnd alle Mitglieder betonen, dass die Zweiflers völlig verrückt seien, gesellen sich Fragen nach Identität als Juden in einem Land, das den Holocaust verursachte, kommen schmutzige Geheimnisse aus der Vergangenheit ans Licht, werden Beziehungen geknüpft und andere infrage gestellt, wird hintergangen, gelogen und betrogen, geliebt, gelacht und gesoffen. 

Das alles präsentiert sich in frischem Gewand, ist poppig, bunt, atmosphärisch dicht, von der Kamera (Philipp Kaminiak) immer wieder überraschend in Szene gesetzt und wirkt niemals angestaubt, sondern frisch und völlig auf der Höhe der Zeit. Jüdische Traditionen und Frankfurter Stadtgeschichte treffen auf Zeitgeistiges und eine Gesellschaft, bei der Multi-Kulti keine „Ideologie“, sondern längst gelebte Wirklichkeit ist — wie im richtigen Leben also. 

Zu sehen ist die beim Branchengroßevent Canneseries ausgezeichnete sechsteilige Miniserie in der Mediathek der ARD. Ob eine zweite Staffel geplant ist, steht derzeit noch nicht fest, der Erfinder David Hadda könnte sich aber, wie er vor kurzem in einem Gespräch verlauten ließ, durchaus etwas Längeres vorstellen. Ich wäre ja (obwohl sonst eher selten dem seriellen Format zugeneigt) mit an Bord.

Und wer sich noch nicht ganz sicher ist, kann hier mal hineinschauen.

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