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In einem kulturellen Schmelztiegel in China suchen Figuren nach Liebe. Abderrahmane Sissakos „Black Tea“ hat die schwebende Qualität eines Wong-Kar-Wai-Films, bleibt aber inhaltlich arg oberflächlich.

Black Tea (2024)

Eine Filmkritik von Mathis Raabe

Liebe geht durch die Teekanne

China pflegt gute wirtschaftliche Beziehungen zu Subsahara-Afrika und investiert dort in Unternehmen, sodass es auch zur Arbeitsmigration zwischen den Regionen kommt. Der Preis dafür ist, dass die Außenministerien der afrikanischen Staaten die Ein-China-Politik unterstützen, also den Anspruch auf die Sonderverwaltungszone Hongkong und die demokratische Inselrepublik Taiwan. So etwa die Außenministerien von Mauretanien, wo die Filme von Abderrahmane Sissako koproduziert werden, und der Elfenbeinküste, wo die Hauptfigur seines neuen Films „Black Tea“ ihre Reise beginnt. „Black Tea“ ist Sissakos erster Film seit dem Oscar-nominierten „Timbuktu“ (2014).

Aya (Nina Mélo) sagt Nein am Hochzeitsalter – nach Blick auf andere, glücklicher wirkende Paare, die auch auf ihre Trauung warten. Sie zieht daraufhin von der Elfenbeinküste ins chinesische Guangzhou, unter den Locals auch als „Chocolate City“ bekannt. In dieser Markt- und Einkaufsgegend versuchen viele Migrant*innen, ihr Glück zu finden – und auch die Liebe, wie der Film zeigen will. Aya arbeitet in einem Teeladen. „Ich will einen chinesischen Mann“, sagt sie zu Freundinnen – und nähert sich deshalb ihrem Chef Cai (Chang Han) an, während der ihr ausführliche Teezubereitungsrituale vorführt.

Abderrahmane Sissako beschäftigt sich also wie so oft in seinem Werk mit Globalisierung und Diaspora – in Waiting for Happiness etwa, mit dem er 2002 erstmals nach Cannes eingeladen war, und der mit Black Tea die lose Erzählweise gemein hat. Auch Black Tea will in schwebenden Bildern die Atmosphäre eines sozialen Mikrokosmos einfangen: Oft blickt die Kamera durch Schaufenster, oder Bilder legen sich übereinander. Wong Kar-Wai ist eine offensichtliche Stilreferenz, auch weil immer wieder Popmusik eingesetzt wird.

Wie in früheren Filmen wie Waiting for Happiness und Timbuktu gehören Friseursalons zu den Orten, an denen die Figuren sich treffen und austauschen – ein von chinesischen Frauen betriebener, und einer von Männern vom afrikanischen Kontinent. Allmählich entblättern sich an diesen Orten die Hintergrundgeschichten der Figuren – so auch die von Cai, dem Teeladenchef: Er hat eine Scheidung hinter sich, und eine Tochter. Kann die Liebe die unterschiedlichen Vergangenheiten überwinden?

Sissako bleibt nicht bei seiner Hauptfigur, sondern entwirft ein Kaleidoskop der Menschen und ihrer Geschichten – etwa von Ayas Freundin Mei, die gegenüber vom Teeladen Koffer verkauft, ein symbolträchtiger Gegenstand. Sie ist es, die Aya den Spitznamen „Black Tea“ gibt. Kulturelle Differenzen sind ein Thema, allerdings sehr implizit: Es werden viele verschiedene Sprachen gesprochen, weil internationaler Handel betrieben wird. Einmal übersetzt ein Übersetzer mit Absicht falsch – statt auf den Propheten Mohammed zu verweisen, bittet er um Rabatt.

Natürlich widmet sich Sissako ausführlich dem titelgebenden Tee, den man mindestens so dezidiert besprechen kann, wie man es bei Wein zu tun pflegt. Das zeigt sich in den Szenen zwischen Aya und Cai: Es geht um den Geruch, den Geschmack, den Nachgeschmack. Mindestens drei Schlücke brauche es, um das ganze Aroma zu kosten. Auch die Kanne mache einen Unterschied. Und natürlich sollen dabei Analogien zwischen Tee und Liebe entstehen: Muss man darauf warten, dass die Liebe noch in der Beziehung wächst? Schmeckt man also auch das volle Aroma der Liebe vielleicht erst nach dem dritten Schluck?

Das ist alles recht hübsch, aber auch arg oberflächlich. Dass zum Beispiel viele der afrikanischen Migranten in Gouangzhou nur mithilfe chinesischer Partner überhaupt Handel betreiben können, so ja auch Aya im Film, dass es also zwischen ihr und ihrem potenziellen Partner ein Machtverhältnis gibt, wird nie zum Thema. Sissako interessierte schon bei Waiting for Happiness, entstanden, als der chinesische Einfluss auf Afrika noch eine bloße Vorahnung war, vor allem, wie sich im Kontext der Globalisierung Kulturen vermischen und Schmelztiegel entstehen.

Die politischen Hintergründe dabei auszublenden, macht Black Tea aber auf gefährliche Weise glatt und romantisierend. Erst ganz am Ende wird einmal mit der schwebenden Inszenierung des Films gebrochen und explizit Rassismus thematisiert. Das ist dann im Kontrast und als Stilbruch effektiv, trifft aber immer noch keine nennenswerte Aussage zum Zusammenleben der Kulturen in Gouangzhou. So dürfte das chinesische Propagandaministerium mit Black Tea keinerlei Problem haben.

Gesehen auf der Berlinale 2024.

 

Black Tea (2024)

Nachdem sie zum Erstaunen aller an ihrem Hochzeitstag Nein gesagt hat, verlässt Aya, eine Frau Anfang 30, Côte d’Ivoire und beginnt ein neues Leben in China. In einer Gegend, in der afrikanische Diaspora und einheimische Bevölkerung Tür an Tür leben, findet sie eine Anstellung in einem Teegeschäft, das dem 45-jährigen Cai, einem Chinesen, gehört. In der Abgeschiedenheit des Ladens führt Cai Aya in die chinesische Teezeremonie ein. Durch die Unterweisung in dieser alten Kunst entwickelt sich ihre Beziehung langsam zu einer zärtlichen Liebe. Doch damit die aufkeimenden Gefühle erblühen können, brauchen Cai und Aya Vertrauen zueinander. Beide müssen sich von alten Lasten befreien und ihrer Vergangenheit stellen. (Quelle: Berlinale)

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