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In der Prä-Mauerfall-BRD waren die Aktionen der angeblich kommunistisch gelenkten Widerstandsgruppe „Rote Kapelle“ eher eine Randerscheinung, in der DDR hingegen waren sie Helden. Andreas Dresen setzt dieser Gruppe ein filmisches Denkmal, das wenig pompös, aber dafür überaus sympathisch erscheint.

In Liebe, Eure Hilde (2024)

Eine Filmkritik von Joachim Kurz

Widerstand aus Liebe

In der BRD wurde die Widerstandsgruppe der sogenannten „Roten Kapelle“ (diese Bezeichnung gab die Gestapo dem eher losen Netzwerk verschiedener Gruppen) meist totgeschwiegen, in der DDR waren sie auch aufgrund ihrer ideologischen Ausrichtung jedoch ein leuchtendes Vorbild im Sinne des Arbeiter- und Bauernstaats. Dass die Widerstandskämpfer*innen rund um den Schulze-Boysen/Harnack-Kreis nun endlich eine filmische Würdigung erfahren, dazu bedurfte es wohl eines Filmemachers mit Ost-Sozialisation wie Andreas Dresen. Sein Film drosselt das Pompöse und stark Polarisierende vieler anderer filmischer Auseinandersetzungen mit dem Nationalsozialismus spürbar und bleibt stattdessen ganz nahe an seinen Figuren, in diesem Falle vor allem an Hilde Coppi dran. 

Dabei bedient er sich vor allem einer erzählerischen Volte, die man so im deutschen Kino und vor allem in Filmen mit historischen Sujet noch nicht allzu oft gesehen hat: der gedoppelten und gespiegelten Zeitachse. Vom ersten Moment an bewegt sich die Erzählung sowohl vor- wie auch rückwärts. Unterbrochen wird der Handlungsstrang, der von Hildes Inhaftierung, den Verhören, dem Prozess und ihrer schlussendlichen Hinrichtung erzählt, von Einschüben, die in die Vergangenheit reichen und die sich der Beziehung zwischen ihr und Hans, aber auch dem gemeinsamen Freundeskreis und dessen im Grunde recht erfolglose Aktionen gegen das Dritte Reich widmen.

Ausgangspunkt dieser synchronen gegenläufigen Bewegung ist die Verhaftung Hilde Coppis (Liv Lisa Fries) an einem Sommertag, wo die Gestapo die Arzthelferin beim Erdbeerpflücken verhaftet. Und allein in dieser deutlich zurückgenommenen Szene sieht man bereits, dass Dresen und Stieler erzählerisch wie inszenatorisch jede offensichtliche Kraftmeierei zu vermeiden versuchen: Die Staatsdiener sind keine Ledermantel tragenden Knallchargen, sondern wirken fast wie ganz normaler Beamte, die halt ihrer Pflicht nachgehen, Gebrüll und Geprügel, Uniformen und knatternde Fahnen sucht man hier vergebens. Die Schreibtischtäter und Mitläufer, die Wärterinnen und anderen Funktionsträger des Dritten Reiches sind keine Monster, sondern wie die jungen Leute der Widerstandsgruppe ganz normale Menschen, die weniger trennt, als man glauben mag.

Diese Austreibung des Dämonischen auf der einen geht auf der anderen Seite mit der Vermeidung klar politischer Motivationen für das Agieren der „Roten Kapelle“ einher. Als Hilde Coppi bei der Gerichtsverhandlung gefragt wird, warum sie ihren Mann nicht verraten habe, sagt sie: „Aus Liebe zu meinem Mann“, und zumindest teilweise ist das eine zutreffende Charakterisierung, wie die Rückblenden, die mit der ersten Begegnung von Hilde und ihrem späteren Mann Hans (Johannes Hegemann) beginnen, zeigen. Dank des feinen Spiels von Liv Lisa Fries und der bewusst sachlich-registrierenden Inszenierung kommt diese fast ohne jedes Pathos daher.

So nüchtern und ohne dramaturgische Zuspitzungen wie die Verhaftung Hildes zu Beginn des Films geht es überwiegend weiter. Ein leichter Grauschleier scheint über den Bildern zu liegen, diese Farbentsättigung und eine deutlich wahrnehmbare Zurückhaltung bei Ausstattung und Kostümbild sowie das gedämpfte Spiel des Ensembles betont die Zwischentöne und Nuancen, zeigt den Humanismus der kleinen Dingen und Handlungen, der beinahe so etwas wie ein Markenzeichen Dresens ist (besonders stark fällt dies im Kontrast zu Dresens vorherigen Berlinale-Teilnehmer, dem lauten und beinahe grellen Rabiye Kurnaz gegen George W. Bush auf).

Diese puristische Haltung weicht allerdings gegen Ende hin zunehmend auf. Die Geburt ihres Kindes im Gefängnis macht Hilde verletzlicher, angreifbarer, und das Schicksal des Kindes, das bald seine Mutter an das Fallbeil verlieren wird, bringt eine Emotionalität und auch ein Pathos ins Spiel, derer man sich am Ende nur schwer entziehen kann. Wenn man dann noch durch die Stimme eines Nachkommens von Hilde Coppi erfährt, wie erfolglos die Aktionen der Gruppe waren, wie vergleichsweise harmlos und auch ein wenig dilettantisch ihr Agieren und wie gnadenlos die Rache des Staates war, verlässt man diesen Film mit einem bitteren Nachgeschmack.

In Liebe, Eure Hilde (2024)

Berlin 1942. Hilde ist verliebt. In Hans. In ihrer Leidenschaft vergessen die beiden oft Krieg und Gefahr. Dann sind sie nur zwei junge Menschen am Beginn ihres Lebens. Hilde bewundert den Mut ihres Liebsten. Er bewegt sich in Widerstandskreisen. Sie selbst ist eher ängstlich, beteiligt sich aber immer beherzter an den Aktionen einer Gruppe, die man später die „Rote Kapelle“ nennen wird. Es ist der schönste Sommer ihres Lebens. Als er sich neigt, werden alle verhaftet. Und Hilde ist im achten Monat schwanger. Im Gefängnis bringt sie ihren Sohn zur Welt und entwickelt eine Kraft, die ihr niemand zugetraut hätte.

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