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Ein gestrandetes Paar kämpft auf einer eisigen Insel ums Überleben – und gegen die emotionale Kälte ihrer Beziehung.

Suddenly - Überleben im Eis (2023)

Eine Filmkritik von Patrick Torma

Love Will Tear Them Apart

Die Liebe gehört zum Leben dazu. Doch was bleibt von der Liebe, wenn es ums nackte Durchkommen geht? In der frostigen Robinsonade „Suddenly – Überleben im Eis“ wird ein gestrandetes Pärchen auf eine existenzielle Probe gestellt. Der Film, der im Original „Soudain, seuls“ heißt, basiert auf dem gleichnamigen Roman der französischen Seglerin und Autorin Isabelle Autissier. Doch wird der Film seiner Vorlage nur mit Einschränkungen gerecht und läuft beinahe auf Grund.

Ein Sabbatcial führt Ben (Gilles Lellouche)und Laura (Mélanie Thierry) ans Ende der Welt. Gerade haben sie mit ihrem Segelboot den südlichsten Zipfel Südamerikas passiert, da weckt eine einsame Insel, so weit südlich vom eigentlichen Kurs gelegen, dass man die antarktischen Eisberge sehen kann, Bens Interesse. Er will unbedingt dorthin; sie lässt sich mitschleifen.
 
Per Beiboot erreichen sie das karge Eiland, das sich durch seine schroffe Schönheit auszeichnet (kein Wunder, wurde der Film doch unter anderem auf Island gedreht). Vorbei an verwitterten Warnschildern erklimmen sie eine Anhöhe. Die Aussicht ist majestätisch, die maximale Abgeschiedenheit weckt Liebesgefühle. Auf einmal verdunkeln jedoch Gewitterwolken den Himmel. Hastig brechen die beiden ihren Ausflug ab, doch die aufbrausende See verhindert eine Rückkehr zur Yacht. In einer verlassenen Walfangstation finden die beiden Weltreisenden eine Zuflucht vor dem hereinbrechenden Unwetter.
 
Noch schmeckt der unfreiwillig verlängerte Aufenthalt nach einem Abenteuer, das man stolz den Daheimgebliebenen auftischt, die sich eine solche Reise nicht mal zu erträumen wagen. Doch am nächsten Morgen ist der morbide Zauber dieser vergessenen Welt verflogen und eine lebensfeindliche Umgebung kommt zu Vorschein. Verzweifelt suchen die Augen den Horizont ab: Der Sturm hat ihr Segelboot davongetragen. Ohne Proviant, ohne Notfall-Kit und ohne jede Kontaktmöglichkeit zur Außenwelt sind die beiden auf sich gestellt. „Das ist nicht unser erstes Problem“, spricht Ben seiner Laura Mut zu. Ganz offensichtlich ist es auch nicht ihr einziges: Schon bald kommen die Brüche in ihrer Beziehung zum Vorschein …
 
Wobei: Dass dieser Törn rund um den Globus ein ziemlich durchsichtiger Versuch ist, den Schwierigkeiten des Alltags zu entfliehen, wird unsereins früh klar. Knappe Worte, traurige Blicke, Liebkosungen, die sich wie Überfälle anfühlen: Zwischen den beiden ist einiges unausgesprochen. In der Enge ihrer Kajüte haben sie es irgendwie geschafft, die wirklich unangenehmen Themen zu umschiffen. Nun, in der Isolation, gibt es kein Entrinnen vor den Vorhaltungen des jeweils anderen.
 
Plötzlich kommt alles zur Sprache. Erst jetzt erfahren wir, was zwischen Ben und Laura vorgefallen ist. Es gibt keinen Prolog, der vor der Abreise spielt, keine Rückblenden, die uns ihre Vorgeschichte näherbringen. Dieser erzählerische Kaltstart lässt uns zwar frei von psychologischem Ballast in das Beziehungsdrama gehen. Doch fällt es dadurch auch schwer, eine Nähe oder gar Sympathie zu den Figuren aufzubauen. Auch, weil sie es uns schwer machen, sie zu mögen. Ständige Schuldzuweisungen und toxische Verhaltensmuster halten uns emotional auf Distanz.
 
Ben und Laura sind die Testimonials einer paradoxen Liebe, in der das Mit- ebenso wenig funktioniert wie das Ohneeinander. Über diese Erkenntnis wächst Suddenly kaum hinaus. Weder nehmen sich die Figuren noch der Film die Zeit, das Dysfunktionale in dieser Beziehung zu ergründen. Zeit, die im Kampf ums Überleben natürlich knapp bemessen ist. Und doch fragt man sich: Warum musste das alles auf den Tisch? Wäre es nicht effektiver, und herzergreifender gewesen, ein intakteres oder zumindest sympathischeres Pärchen in der Eiseskälte auszusetzen?

Ein Teil der Antwort ist in der Buchvorlage (deutscher Titel: Herz auf Eis) zu finden. Auch im Roman von Isabelle Autissier ist die Welt der Aussteiger:innen nicht so heil, wie es scheint. Allerdings wird Kenner:innen auch auffallen, dass Regisseur Thomas Bidegain eine wichtige Wendung des Buches auslässt – die künstlerische Freiheit war also vorhanden. 
 
Ohne zu viel zu verraten: Irgendwann konzentriert sich Suddenly auf den Survival-Aspekt der Geschichte. Der Film tut nicht schlecht daran, im Gegenteil: gelingt es ihm doch, die Stärken des Settings auszuspielen. Das Gefühl des Ausgeliefertseins, fernab jeglicher Zivilisation, stellt sich ein. Die ungezähmte Natur hält einige Härten bereit. Gleichwohl ist Mutter Erde nicht die Antagonistin, sondern Star in diesem Film: Kameramann Nicolas Loir hält sie in wunderschönen, teils mystischen Landschaftsaufnahmen fest, als wäre dies bitter nötig. Ein melancholischer Unterton schwingt in diesen Bildern mit. „Vielleicht sind wir die Letzten, die das sehen werden“, sinniert Laura, die daheim nochmal ein Studium aufgenommen hat, um sich der Klimaforschung zu widmen, beim Anblick der noch mächtigen Eisberge.
 
Da ist die Welt noch – halbwegs – in Ordnung. Doch Leidensdruck und Überlebenskampf gehen nicht spurlos an den Figuren vorbei. Eindrucksvoll bibbern und zittern sich Mélanie Thierry und Gilles Lellouche durch den Film, ihre Figuren durchleben eine Tour de Force. In dieser Hinsicht ist Suddenly ein intensives Erlebnis. Nur schafft es Thomas Bidegain nicht, Liebes- und Überlebensdrama in Einklang zu bringen. Abseits der beeindruckenden Naturbilder fehlt es an Poesie und emotionalem Tiefgang. Als Literaturverfilmung entgeht Suddenly einer Havarie. Eine erzählerische Schlagseite allerdings ist wahrnehmbar.

Suddenly - Überleben im Eis (2023)

Ben und Laura reisen mit ihrem Boot um die Welt – eine Reise, die das Paar auch als letzte Chance sieht, ihre marode Beziehung zu retten. Nahe der antarktischen Küste macht Ben den Vorschlag eine unbewohnte Insel zu erkunden, die er bei seiner letzten Reise entdeckt hat. Als das Wetter unvorhergesehener Weise umschlägt, müssen sie die Nacht in einer seit Jahren verlassenen Walfangstation verbringen und stellen am nächsten Morgen fest: Ihr Boot ist weg. Spurlos verschwunden. Was als spontaner Ausbruch aus dem Alltagsleben moderner Großstädter geplant war, endet für die beiden in einem monatelangen Kampf ums Überleben. Allein mit ihrer Beziehung und ihren Ängsten auf eine unbewohnte Insel vor Kap Hoorn – umgeben von den tobenden Elementen…

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Meinungen

Mike köhnholdt · 21.12.2023

Habe den Film heute in Rendsburg in der sneak gesehen der film war so lala etwas zu lang und zwischendurch ein bißchen einschläfernd wen ich Sterne vergeben müsste würde der film Zweieinhalb Sterne kriegen