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In Stéphane Brizés Tragikomödie „Hors-saison“ checkt Guillaume Canet in ein Hotel ein, um dem Stress zu entkommen. Kann das gut gehen?

Zwischen uns das Leben (2023)

Eine Filmkritik von Andreas Köhnemann

Endlich Erholung

Sieben Tage und sechs Nächte Entspannung. Das ist der Plan. Eine Thalasso-Therapie in einem Spa-Hotel an der französischen Küste außerhalb der hektischen Hochsaison soll dem sichtlich gestressten Schauspieler Mathieu (Guillaume Canet) die nötige Ruhe bringen. Eine Winkekatze und ein Handtuch-Krake heißen ihn freundlich im großen, sauberen Hotelzimmer willkommen. Hach, wie schön.

So richtig angenehm wird es dann allerdings leider doch nicht. In seiner Tragikomödie Hors-saison (internationaler Titel: Out of Season) fängt der Regisseur Stéphane Brizé (Der Wert des Menschen) zunächst mit stillem Humor und feiner Melancholie den ziemlich verlassenen Erholungsort ein – und zeigt, dass sich ein vermeintliches Idyll gar nicht so leicht erzeugen lässt, wie es uns in Werbeprospekten oft versprochen wird.

Die klinisch weiße Ausstattung des Wellnesshotels mutet nicht unbedingt gemütlich an. Und sensorbetriebene Espressomaschinen haben durchaus so ihre Tücken. Vor allem aber sind da andere Menschen – puh! Etwa die (überwiegend älteren) Leute, die gemeinsam mit Mathieu im Hotel beherbergt werden, oder auch das nicht durchweg professionelle Personal. Wiederholt wird der Kinostar um ein Selfie gebeten – unabhängig davon, ob er sich gerade auf der Massageliege befindet, sich im Fitnessraum verausgabt oder eine Runde im Hallenbad drehen möchte. Sein Personal-Trainer will ihn derweil mit esoterischen Weisheiten heilen.

Alsbald erfahren wir, dass Mathieu in Paris vor einer beruflichen Herausforderung geflohen ist. Das Drehbuch, das Brizé zusammen mit Marie Drucker verfasst hat, zeichnet den Protagonisten als fraglos privilegierte Person, die sich ganz ihren sogenannten „First World Problems“ hingibt – dennoch lässt die Inszenierung zugleich Empathie für Mathieu erkennen, was durch das einnehmende Spiel von Guillaume Canet noch verstärkt wird. Man muss mich nicht lieben – so lautet der Titel eines früheren Films von Brizé aus dem Jahre 2005, und dies trifft ebenso auf Mathieu zu: Er mag kein idealer, rundum liebenswürdiger Held sein, doch wir können ihm mit Mitgefühl auf seiner (inneren) Reise folgen.

Spannend wird es insbesondere dann, wenn Mathieu von seiner Ex-Freundin Alice (Alba Rohrwacher) kontaktiert wird, die er seit 16 Jahren nicht mehr gesehen hat. In einem Restaurant kommt es zu einer ersten Wiederbegegnung. Wie diese beiden Menschen, die sich einerseits inzwischen völlig fremd sind und andererseits noch immer eine spürbare Bindung zueinander haben, sich zunächst eher oberflächlich und dann deutlich tiefgründiger und damit unausweichlich auch schmerzhafter miteinander unterhalten, ist dank der Chemie zwischen Canet und Rohrwacher überaus reizvoll.

Alice ist mit einem Arzt verheiratet, hat eine Tochter und lebt in der Umgebung. Mathieu ist ebenfalls liiert, mit einer bekannten Nachrichtensprecherin. Sind die beiden in ihren jeweiligen Leben glücklich? Ist alles gut? Und welchen Stellenwert haben mögliche Privatprobleme und Ängste vor dem Alter oder vor einem Karriereknick überhaupt im Vergleich zur globalen Lage?

Hors-saison öffnet sich vom anfänglichen Fokus auf Mathieu immer mehr. Wir erhalten Einblick in den Alltag von Alice – und diese bringt wiederum eine weitere Perspektive ins Spiel, als sie eine ältere Freundin (wunderbar: Lucette Beudin) über deren Vergangenheit und anstehende Hochzeit mit einer Frau befragt, die wir schließlich mit Alice und Mathieu besuchen.

Brizé und seinem Team gelingt eine sensible Momentaufnahme, in der zurückliegende Entscheidungen kritisch reflektiert werden und eine ehrliche Bestandsaufnahme unternommen wird. Ein Wellnesstrip lässt sich vielleicht um ein paar Tage ausdehnen – aber irgendwann ist er vorüber. Und die Spuren, die er hinterlässt, sind unter Umständen nicht die, die im Vorfeld in Aussicht gestellt wurden.

Gesehen bei den Internationalen Filmfestspielen von Venedig.

Zwischen uns das Leben (2023)

Mathieu, ein bekannter Schauspieler um die Fünfzig, und Alice, eine Klavierlehrerin in den Vierzigern, waren einst verliebt, dann trennten sie sich. Er lebt in Paris, sie in einer kleinen Küstenstadt. 15 Jahre nach ihrer Trennung treffen sie zufällig wieder aufeinander.

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