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It's The End Of The World As We Know It – Visionen vom Kollaps

Alex Garlands „Civil War“ zeigt die USA einer nahen Zukunft in einem Bürgerkrieg. Die gesellschaftliche Ordnung fällt zusammen. Wenn das in Filmen passiert, wollen sie oft etwas darüber sagen, wie Menschen zusammen funktionieren – oder eben nicht.

Meinungen
Bürgerkrieg

Alex Garland interessiert sich in Civil War nicht in erster Linie für die Kampfhandlungen. Seine Figuren sind Kriegsreporter und werfen Fragen über den Ethos gewaltvoller Bilder auf. Im Film unternehmen sie außerdem einen Roadtrip und treffen dabei auf Menschen, die auf ganz unterschiedliche Weise auf den Zusammenbruch der zuvor gekannten Ordnung reagieren.

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Klar, es gibt auch Endzeitfilme, die sich am Spektakel ergötzen – Hallo Roland Emmerich! Viele filmische Dystopien interessieren sich jedoch weniger für das Wie und Warum des Zusammenbruchs als dafür, wie wir wohl damit umgehen würden und was das dann über uns als soziale Wesen aussagt. Anlässlich des Kinostarts von Civil War haben wir einige weitere zwar düstere, aber doch sehr am Menschen interessierte Zukunftsvisionen versammelt.

Die Klapperschlange / Escape from New York

Das von John Carpenter in Die Klapperschlange aufgemachte Szenario ist trotz seiner Sci-Fi-Elemente gar nicht so weit von Civil War entfernt. Man könnte vielleicht sagen, dass Alex Garlands Film erwachsener ist, weiter entfernt vom Trashkino, das der Master of Horror immer auch verehrt. Zieht man all den Kult und Camp von Escape from New York einmal ab, dann bleibt im Kern die Geschichte einer Nation (USA), die sich moralisch radikalisiert hat: Eine absolutistische Idee von Reinheit und gesetzestreuer Unterordnung führt dazu, dass New York – die große liberale Stadt der Vereinigten Staaten – zu einem Großraumgefängnis wird. Im Grunde führt hier ein Land einen Krieg gegen die eigenen Bürger. Der Antiheld Snake Plissken (Kurt Russel), vom Glauben abgefallener hochdekorierter Kriegsheld, zerlegt mit seinem Zynismus diese klare Ordnung.

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An dieser Stelle entfernt sich Carpenter sehr weit von der pessimistischeren Haltung von Alexander Garland, der viel mehr an den strukturellen Mechanismen der Erzählungen und Bilder über den Krieg interessiert ist. Die Klapperschlange ist in seiner Erzählung klassisches Actionkino, Civil War wesentlich mehr auf der Metaebene unterwegs. Interessant ist dennoch, wie es dem Kultfilm von 1981 gelingt, ein totalitäres System, den Sturz demokratischer Werte, in komprimierte Genrebilder zu packen. Auch hier gibt es einen Präsidenten, der nur noch technokratisches Interesse an der Macht hat.

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In der häufig verschmähten Fortsetzung Flucht aus L.A. geht Carpenter gar noch weiter. Das mag am satirischen Ansatz liegen, wie sich der Film über die eigene generische Funktion lustig macht. Aber auch daran, dass er das System Hollywood in einem obszönen Übereifer ans Messer liefert: Der Schönheitschirurg im Keller, der Körperteile wie Puzzleteile benutzt, wird zu Dr. Frankenstein. Der Traum der Filmwelt platzt hier wie eine aufgespritzte Lippe beim Autounfall. In Flucht aus L.A. wird Camp in der Tat zu einer Form der Kritik. Und am Ende: Alles auf Reset.

Sebastian Seidler       

28 Weeks Later

Schon als er vor über zwanzig Jahren als Drehbuchautor von 28 Days Later (2002) in die Filmbranche einstieg, interessierte sich Alex Garland für gesellschaftliche Zusammenbrüche. Das ist beim Zombiefilm, zumindest dem modernen, beinah Genre-immanent: Es geht um Menschen in Krisensituationen und wie sie versuchen müssen, neue Gemeinschaften und Gesellschaften zu bilden, um zu überleben. Einige Jahre später sollte sich The Walking Dead schließlich so weit vom Zeitpunkt der Apokalypse fortbewegen, dass die ikonischen Filmmonster selbst kaum noch eine Rolle spielen.

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In diesem Sinne wird auch das später angesiedelte Sequel 28 Weeks Later (2007) politisch noch deutlicher als der von Garland geschriebene Film. Eine NATO-Truppe unter der Führung der Vereinigten Staaten hat inzwischen die Kontrolle übernommen und auf der Londoner Halbinsel Isle of Dogs eine Sicherheitszone errichtet. Die Soldaten erweisen sich für die Krisengemeinschaft als mindestens so gefährlich wie die Zombies: Zunächst beschweren sie sich noch über mangelnde Action bei ihrer Wiederaufbaumission, folgerichtig werden einige von ihnen mit dem sogenannten Rage-Virus infiziert, das metaphorisch gesprochen eh schon in ihnen schlummerte, und als die Lage aus dem Ruder läuft, entwickeln sich die „gesunden“ Militärs bald zu einer faschistoiden Miliz, die in der Panik mit drastischen Methoden um Kontrolle ringt.

Diese Darstellung des US-Militärs hat sicherlich damit zu tun, dass der Film während des Irakkriegs entstand. Die Protagonist*innen hingegen müssen feststellen, was es heißt, sich in eine neue Gesellschaft integrieren und dabei strikten Vorstellungen und Erwartungshaltungen entsprechen zu müssen. Auch wenn sie aus London kommen, sind die Überlebenden im „District One“ nun Zuwanderer. Hierarchien verlaufen nicht mehr entlang der Kategorien Herkunft und Wohlstand. Der Gesellschaftskollaps hat die Karten neu gemischt, gezinkt sind sie aber immer noch.

Dieses Jahr soll tatsächlich der schon lange gerüchtete 28 Years Later in Produktion gehen, für den wieder Garland das Drehbuch und Danny Boyle die Regie verantwortet. Gerade ob des großen Zeitsprungs darf man gespannt sein, welche postapokalyptische Ordnung sie entwerfen.

Mathis Raabe

Wall-E

Ein postapokalyptischer Pixar-Film — allein schon diese Beschreibung macht Wall-E im Œuvre des Animationsstudios (und als einer der ersten unter der Knute von Disney) zu etwas Besonderem. Warum die Welt hier zusammengebrochen ist, das wird zwar nie explizit ausgeführt, ist doch aber mehr als offensichtlich: Die Apokalypse ist menschengemacht, der Homo sapiens hat die Erde durch Umweltverschmutzung unbewohnbar gemacht. Dürre, Stürme, Hochhausruinen und Myriaden von Müll hat er bei seiner Flucht ins All zurückgelassen. Und einen kleinen Roboter, der die Erde aufräumen muss.

Im Weltraum, auf dem Raumschiff Axiom, hat sich eine neue Gesellschaft formiert. Eine, die dank maschineller Unterstützung in völligem Hedonismus lebt. Arbeit, Denken, Fortpflanzung, ja selbst jede Form von Bewegung wird völlig von der Technik übernommen (der Autopilot ist nicht umsonst eine Referenz an HAL 9000 aus 2001), und ausgerechnet der kleine schmutzige Wall-E ist es, der dieses System ins Wanken bringt, die Menschen wieder klar sehen lässt, sobald ihnen einmal der Bildschirm aus dem Gesicht gerissen wurde.

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Die Botschaft ist, wie es sich für einen kindgerechten (aber wahrlich nicht nur für Kinder geeigneten) Film gehört, simpel, aber effektiv: Reißt euch zusammen, liebe Menschen, und lasst weder euch noch euren Planeten derart vor die Hunde gehen! Kombiniert mit einem kleinen Funken Hoffnung, der ein großes Feuer entfacht: Dass auf der Erde wieder eine Pflanze sprießt, ist für die Menschen nicht nur ein Signal zur Rückkehr, sondern zeigt ganz allgemein die Resilienz des Ökosystems unseres Planeten. Sollte unsere Spezies auf der Suche nach neuen Welten ihre Heimat einmal verlassen – es kann nur besser werden.

Christian Neffe

Auf der Suche nach einem Freund fürs Ende der Welt

Das Werk von Lorene Scafaria ist ein Mix aus romantischer Dramödie, Roadmovie und Endzeitfilm; es wartet mit Skurrilität und Bitterkeit sowie Herz und Witz auf. In drei Wochen wird ein Asteroid die Erde zerstören. Eine Rettung ist leider ausgeschlossen. Während die Welt um ihn herum im Chaos versinkt, versucht der Versicherungsvertreter Dodge (Steve Carell), seinen Alltag aufrechtzuerhalten. Doch dann fasst er den Entschluss, seine Jugendliebe aufzusuchen. Gemeinsam mit seiner orientierungslosen Nachbarin Penny (Keira Knightley) begibt sich Dodge auf die Reise.

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Carell und Knightley sind ein unerwartetes Duo, das überraschend gut funktioniert. Ähnlich wie in Civil War, jedoch in einem tragikomischen Ton, zeigt Auf der Suche nach einem Freund fürs Ende der Welt, wie sich Menschen in einer Ausnahmesituation verhalten. Dodges Ehefrau eilt davon, als die beiden in den Nachrichten von der ausweglosen Lage erfahren. Im Büro herrschen anarchische Zustände – bis schließlich alles zusammenbricht. Wenn ein Kollege von Dodge in einer Fluchtszene mit seinem Goldfisch in einem Glas das Weite sucht, ist das eine schön pointierte Veranschaulichung des Titels. Zwischen Orgien, Aggression und Resignation blitzt die Sehnsucht auf, einfach nicht allein sein zu wollen, wenn alles im Niedergang begriffen ist.

Andreas Köhnemann

Melancholia

Während die allermeisten Filme über das Ende zu möglichst großen Szenarien und noch größeren Bildern greifen, um das globale Ausmaß sichtbar zu machen, wandte sich Lars von Trier in seiner Depressionsstudie Melancholia aus dem Jahre 2011 einem viel kleineren Setting zu. Die Außenwelt bleibt weitgehend außen vor, der Planet, der auf die Erde zurast, wird nicht von medialem Getümmel begleitet, sondern ausschließlich aus der Sicht zweier unterschiedlicher Schwestern. Der dermaßen verengte Blick auf das Ende der Welt lässt deren unterschiedliche Reaktionen als exemplarische Spiegelungen des Makrokosmos jenseits der Tore des Anwesens erscheinen: Ausgerechnet die depressive der beiden reagiert fast gelöst und heiter auf die nahende Katastrophe, während die mehr im Leben stehende in sich zusammensinkt und gestützt werden muss.

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Abgesehen von Lars von Triers gänzlich anderer Perspektive auf das Weltende (die ihn aber dennoch nicht daran hindert, berauschend schöne und große Bilder für die Apokalypse zu finden) gibt es dennoch einen Faktor, der Melancholia mit Alex Garlands ganz anderem, aber nicht minder beeindruckenden Opus Civil War eint: In beiden Filmen spielt Kirsten Dunst eine entscheidende Rolle – und das ist in beiden Fällen ein großes Glück im Unglück.

Joachim Kurz

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