Yourself and Yours

Eine Filmkritik von Andreas Köhnemann

Frauen, Männer und sehr viel Alkohol

In Yourself and Yours zeigt uns der südkoreanische Autorenfilmer Hong Sang-soo (Right Now, Wrong Then) zahlreiche Standardsituationen der Liebesfiktion: die (vermeintlich) erste Begegnung, das (abermalige) Kennenlernen im Rahmen eines Dates, das Zerwürfnis, die Trennung, das Wiedersehen, die Versöhnung, das glückliche Ende …

Auf der Leinwand wird gelacht und geweint, lamentiert und (vielleicht) gelogen, geschrien und geflucht, zurückgerudert und gesäuselt, vor allem jedoch — im Vorfeld, währenddessen und/oder im Nachhinein — viel gegessen und reichlich Alkohol konsumiert. Die von Kameramann Park Hongyeol eingefangenen, minimalistisch gestalteten Dialogpassagen, die ohne das gängige Schuss-Gegenschuss-Prinzip auskommen und oft unfassbar witzig sind, erinnern unter anderem an die herrlichen Quassel-Werke des Franzosen Éric Rohmer sowie die frühen Arbeiten von Woody Allen (insbesondere in dessen Diane-Keaton-Phase). Es geht um gegenseitiges Vertrauen beziehungsweise den Mangel daran sowie die Tatsache, dass man sich in der Liebe furchtbar lächerlich machen kann. Verbunden werden diese präzisen Gefühlsbetrachtungen, deren komödiantischer Tonfall durch ein beschwingtes musikalisches Thema des Komponisten Dalpalan noch verstärkt wird, mit Momenten der Irritation, die nicht aufgelöst werden, sowie einer gehörigen Portion Absurdität. Diese lässt an Luis Buñuels Spätwerk Dieses obskure Objekt der Begierde — eine Adaption von Pierre Louÿs‘ La femme et le pantin — denken, in welchem der spanisch-mexikanische Surrealist den weiblichen Hauptpart mit zwei Schauspielerinnen besetzte.

Auch Minjung — die von Lee You-young verkörperte zentrale Frauenfigur in Yourself and Yours — ist ein Enigma, das (im übertragenen Sinne) für zerbrochene Köpfe und gebrochene Herzen sorgt. Sie ist allerdings kein diabolisches Wesen, wie es zwei andere Verfilmungen des Louÿs-Romans in deren (Verleih-)Titeln Der Teufel ist eine Frau (USA 1935, Josef von Sternberg) und Ein Weib wie der Satan (Frankreich/Italien 1959, Julien Duvivier) nahelegen, sondern eine Frau, die entweder eine eineiige Zwillingsschwester oder (mindestens) eine Doppelgängerin hat oder sich schlichtweg in ein Rollenspiel begibt, um sich von den Zuschreibungen ihres (männlichen) Umfelds zu befreien. Als der junge Maler Youngsoo (Kim Joo-hyuck) von seinem Nachbarn Joonghaeng (Kim Euisung) erfährt, dass seine Freundin Minjung von Leuten beim Trinken in einer Bar beobachtet wurde, konfrontiert Youngsoo seine Fast-Verlobte damit — was zur Trennung des Paars führt. Der verheiratete Schriftsteller Jaeyoung (Kwon Haehyo) und der Filmemacher Sangwon (Yu Junsang) begegnen einer Frau, bei der es sich möglicherweise um Minjung handelt, was die Frau allerdings abstreitet. Youngsoo bereut den Streit mit seiner Freundin bald und sucht nach Minjung, kann sie jedoch zunächst nicht finden.

Manche Szenen erweisen sich als Einbildung; es kommt zu Wiederholungen und Variationen von Situationen. Interessant ist dabei vor allem, wie männliche Künstler eine Frau, die sich den Traum vom Schreiben bisher nicht erfüllen konnte, als Projektionsfläche nutzen wollen — diese Frau sich aber in den Begegnungen mit ihnen (vielleicht) selbst als Autorin romantischer Fiktion betätigt, indem sie sich neue Identitäten schafft. Während sie zunächst nur Gegenstand von Gerüchten und Empörung ist, nimmt sie die Feder zum Verfassen ihrer Geschichte(n) letztlich selbst in die Hand.

So erzählt Hong Sang-soo in Yourself and Yours (vielleicht) von einer persönlichen Neuerfindung, von Ermächtigung oder auch ‚nur‘ von Krzysztof Kieślowskis Herzblut-Thema des Zufalls. Auf jeden Fall aber wird uns — wie es in guten Filmen immer sein sollte — etwas sehr Wahres, Kluges und Schönes über die Liebe vor Augen geführt: Dass sie sich nicht, wie in manipulativen Schmachtfetzen, in übergroßen Gesten zeigt, sondern im Kleinen — etwa im Teilen einer Birne (wie in Bonnie und Clyde) oder wie hier im gemeinsamen Verspeisen von Wassermelonenstückchen; und dass Liebe nicht bedeutet, alles über sein Gegenüber zu wissen, sondern dieses in all seinen Facetten wertzuschätzen.

Yourself and Yours

In „Yourself and Yours“ zeigt uns der südkoreanische Autorenfilmer Hong Sang-soo (Right Now, Wrong Then) zahlreiche Standardsituationen der Liebesfiktion: die (vermeintlich) erste Begegnung, das (abermalige) Kennenlernen im Rahmen eines Dates, das Zerwürfnis, die Trennung, das Wiedersehen, die Versöhnung, das glückliche Ende …

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