Mein Herz tanzt

Eine Filmkritik von Beatrice Behn

Lachen über den Wahnsinn

Beim Filmfestival von Locarno hat sich Eran Riklis neuer Film Mein Herz tanzt schon nach der ersten halben Stunde als Publikumsliebling herausgestellt. Das mag vor allem daran liegen, dass dieser Film ein wenig Lachen über einen Wahnsinn erlaubt, der sich seit Jahrzehnten und im Augenblick mit massiver Aggressivität im israelisch-palästinensischen Gebiet abspielt.
Erzählt wird die Geschichte des Jungen Eyad, der seine Kindheit in den 1980er Jahren in Israel verbringt. Seine frühen Tage sind noch geprägt von einer politischen Situation in der ein Hoffen auf ein friedliches Zusammenleben denkbar erscheint, doch die Intifada lässt alsbald die Umgebung des Jungen aggressiver und unterdrückender werden. Eyad gehört nämlich zur Minderheit von Palästinensern, die in Israel leben. Der Junge ist überaus intelligent, genau wie sein Vater. Doch dessen Leben gibt eine grausame Vorausschau auf das Leben, dass Eyad ebenfalls ereilen könnte: trotz Intelligenz und einem Platz an der Universität arbeitet der Vater als Pflücker. Seine Zukunft und Hoffnung auf ein Leben in größerer Freiheit starb durch seine politischen Aktivitäten und durch einen schicksalshaften Tag, an dem er beschuldigt wurde, eine Bombe gelegt zu haben.

Zwei Jahre Haft und eine Exmatrikulation später blieb nichts mehr von seinem Traum. Umso wichtiger ist es der Familie, dass nun der Sohn eine Chance erhält. Und so schicken sie ihn nach Jerusalem auf die beste Schule des Landes. Doch diese ist jüdisch und Eyad der einzige Palästinenser weit und breit. Und als ob die Pubertät allein nicht schon schrecklich genug wäre, befindet er sich weit weg von den Eltern in einer Umgebung, dessen Sprache er nur mit Mühen beherrscht und dessen Kultur nicht seine ist. Halt findet der Junge in Naomi, einer jüdischen Klassenkameradin. Die beiden verlieben sich, müssen aber ihre Beziehung geheim halten. Eyad lernt auch Yonatan kennen, der an Muskelatrophie leidet und bald sterben muss. Er hilft seiner Mutter ihn zu pflegen. Als er eines Tages bemerkt, dass er Yonatan ähnlich sieht, beginnt er dessen Identität anzunehmen. Und mit einem jüdischen Pass ist plötzlich alles anders.

Riklis zeichnet hier ein sehr überzeugendes Portrait eines Jungen, der sich nicht nur durch den Identitätsfindungsprozess namens Pubertät kämpfen muss, sondern dabei noch mit seiner kulturellen Identität und deren Ablehnung durch seine Umgebung zu tun hat. Diesem Konfliktthema hat sich Riklis ja schon mehrmals zugewandt, zuletzt in Lemon Tree, der auf der Berlinale den Publikumspreis gewonnen hat. Geschickt macht er das auf jeden Fall. Seine Bilder zeigen immer wieder irgendwo — mal offensichtlich, dann wieder unauffällig — das Ausmaß an Rassismus, durch das der Junge sich kämpfen muss. Gleichzeitig setzt er seinen Ton aber eher bittersüß an. Man kann erstaunlich viel lachen über Mein Herz tanzt. Und genau so macht Riklis diesen Film auch massentauglich. Das ist ein guter Weg, doch hat dieser einen leicht bitteren Nachgeschmack, denn um dies zu erreichen, muss er die Ecken und Kanten dieses Themas glätten. Das Ergebnis ist ein Film, der eines der heftigst umstrittenen Themen der letzten Jahrzehnte wiederum so oberflächlich abbildet, dass er stark Gefahr läuft, seine inhärente politische und humanistische Message zu verlieren. Filme, die sich ohne den geringsten Widerstand einfach so weggucken, bleiben eben nicht hängen. Das macht Riklis Kollege Elia Suleiman dann doch ein wenig besser. Sein The Time That Remains funktioniert ganz ähnlich, ohne jedoch so unfassbar glatt zu sein und bleibt so einerseits gute Unterhaltung, andererseits ein kleiner Stachel im Fleisch des Zuschauers, der die Erinnerung an diesen Film auch nach Jahren nicht erlöschen lässt.

Doch auch wenn der Nachklang kurz ist, die letzte halbe Stunden von Mein Herz tanzt ist wohl eine der interessantesten cineastischen Metaphern für den Wahnsinn dieses Konfliktes, der im Kleinen aus vielen Menschen besteht, die kaum noch wissen, wie sie sich durch den Abgrund navigieren sollen und einer Frage nach Identität, die auf beiden Seiten so existentiell geworden ist, dass mit ihr ganze Lebensgeschichten stehen oder fallen.

Mein Herz tanzt

Beim Filmfestival von Locarno hat sich Eran Riklis neuer Film „Mein Herz tanzt“ schon nach der ersten halben Stunde als Publikumsliebling herausgestellt. Das mag vor allem daran liegen, dass dieser Film ein wenig Lachen über einen Wahnsinn erlaubt, der sich seit Jahrzehnten und im Augenblick mit massiver Aggressivität im israelisch-palästinensischen Gebiet abspielt.
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