Im Krieg - Der 1. Weltkrieg in 3D

Eine Filmkritik von Stephan Langer

Allein gelassen im Schützengraben

Noch vor dem ersten Bild von Im Krieg – Der 1. Weltkrieg in 3D hören wir einen kurzen, einstimmenden Prolog: aus dem Black heraus erzählt eine Stimme aus dem Off etwas bedeutungsschwer über das Kommende. Jeder Versuch, so die Stimme, die folgenden Eindrücke des Krieges zu ordnen, würde sie verfälschen. Krieg ist unvorstellbares Chaos, soweit klar. Weiterhin wurde das Grauen des Krieges von Filmemacher Nikolai Vialkowitsch und seinem Team weich gezeichnet, da sie sich nicht in der Lage sahen, noch näher an die grausame Wahrheit heranzurücken. Mit einem Gefühl leichter Bevormundung wird man sogleich Zeuge von den ersten Bildern, nicht jedoch aus dem Krieg, sondern aus einem Nordseebad bei Ostende in Belgien. Gäste aus ganz Europa vergnügten sich hier im Frühsommer 1914: Herren in Badeanzügen, Damen in Strandkostümen, spielende Kinder.
Im Krieg – Der 1. Weltkrieg in 3D beginnt atmosphärisch mit der Schilderung des damaligen gesellschaftlichen Klimas der Vorkriegszeit, im Frieden dieses Sommers 1914. Es wirkt etwas aufgesetzt (da ja jeder weiß, dass der Kontrapunkt bald kommen wird), wenn dann an den Erfindungsreichtum der Menschen zu jener Zeit erinnert wird und an die scheinbare Intelligenz der Menschen, die aus Fehlern oder der Vergangenheit lernen. Die hörspielartige Ruhe der essayistischen Form, der Kombination von Archivbildern des Krieges mit parallel gelesenen Texten, nimmt einen mit in die chronologisch geordnete Schilderung aus dem Kaiserreich der Vorkriegszeit. Die besondere Schönheit der Bilder ist dabei in jedem Fall sehenswert und kommt im Kinosaal zu der ihr entsprechenden Geltung. Entstanden sind diese Bilder mit einer speziellen Technik, der Stereoskopie. Im 19. Jahrhundert ein Massenmedium, verfügte nahezu jeder wohlhabende Haushalt in Europa und in den USA damals über ein Stereoskop – einen Betrachter, mit dem speziell hergestellte fotografische Doppelbilder als dreidimensionale Ausblicke wahrgenommen werden konnten. Damit wurde der Erste Weltkrieg zu einem Krieg der Bilder: noch nie zuvor wurde eine militärische Auseinandersetzung so umfangreich fotografisch dokumentiert, sei es privat durch Soldaten, professionelle Fotografen oder Kriegsberichterstatter.

Begleitet werden die digital aufbereiteten Archivbilder von Tagebucheinträgen, Briefen und Feldpostkarten von Zeitgenossen wie dem Schriftsteller Stefan Zweig, dem französischen Cellisten Maurice Maréchal, sowie solchen von einfachen Soldaten, deren Ehefrauen zu Hause oder auch Krankenschwestern in den Hospitälern beiderseits der Frontlinien. Vorgetragen sind sie versiert durch Sprecher wie etwa Peter Matić, der deutschen Synchronstimme von Ben Kingsley, oder Miroslav Nemec alias Tatortkommissar Ivo Batic. Die Zeilen transportieren einen in ein „Jetzt“ des Krieges, der Zuschauer wird durch die Texte in Kombination mit der plastischen Räumlichkeit der Bilder zur „embedded audience“, einer Art zeitversetztem Zeitzeugen. Zu Beginn regiert der frohe, patriotische Mut der Soldaten, die ehrenvoll gewillt sind, den ihnen erteilten Auftrag zu erledigen: „Seien wir heiter, mutig und voller Vertrauen“, bekommen wir aus einem Soldatenbrief vorgelesen. Später weicht das Gefühl der Pflichterfüllung einer Erkenntnis von unnötigem Blutvergießen. Heimweh, Hunger, Leid und Ängste sind allgegenwärtig, das alles immer eingerahmt von der pathetischen, symphonischen Orchestermusik von Hendrik Albrecht und dem Babelsberger Filmorchester, die zu wirklich keinem Moment des Filmes verstummt.

Ein Problem von Im Krieg – Der 1. Weltkrieg in 3D ist, dass sowohl Bildern als auch Texten kein Kontext gegeben wird. Manchmal lässt sich aus dem Gezeigten erahnen, wo die Bilder geschossen wurden, Informationen darüber, wer wann und in welchem Auftrag die Bilder gemacht hat, gibt es außer im Abspann zu keinem Zeitpunkt. Während des Films wird der Zuschauer informationslos sich selbst überlassen. Es gibt keine Untertitel, keine Karten, keine Hilfestellung. Ausschließlich durch Zitate der Sprecher ergänzt, passen Bilder und Tonspur längst nicht immer eindeutig zueinander. Wenn bei einem Satz: „Es wurde schwarz um uns“, das Bild wirklich schwarz wird, bei einem Bombeneinschlag das Bild weiß blitzt, wirkt das handwerklich eher hölzern als gekonnt. Während Soldaten über Sturmangriffe, über die Panik im feindlichen Sperrfeuer, über die Angst, von einer Granate zerfetzt zu werden, sprechen, sehen die Zuschauer zum Beispiel eine Kamerafahrt über mit Moos bewachsene Bunkerreste. Später werden in überlangen Einstellungen weiße Holzkreuze von Soldatenfriedhöfen gezeigt. Insgesamt bleibt das Geschehen an der Front ebenso abstrakt wie das Leben in den Heimatländern der Soldaten.

Am Ende stellt sich angesichts des nicht vorhandenen Spannungsbogens und dem fehlenden thematischen Fokus Langeweile ein, die sich mit einem Gefühl der Betroffenheit vermischt, das allerdings mehr in der etwas aufgesetzten Musik verbleibt, als beim Zuschauer erreicht wird. Krieg lediglich auf eine individualisierte Perspektive zu reduzieren, führt nicht viel weiter als zu eben jener Betroffenheit. Jegliche gesellschaftlichen Triebfedern des Phänomens „Krieg“ oder erhellende historische Hintergründe werden in der Schilderung von Im Krieg – Der 1. Weltkrieg in 3D leider außen vor gelassen. Wir bekommen einen pathetischen Eindruck von Schicksalen, die wie Schrauben in einer Maschine Befehle ausführen. Es ist bestimmt nicht der erste, zweifellos aber einer der Momente, an denen man sich Harun Farocki zurück wünscht, mit seinem hintergründigen Kenntnisreichtum und seiner analytischen Raffinesse im Umgang mit Archivbildern des Krieges und der Macht.

Im Krieg - Der 1. Weltkrieg in 3D

Noch vor dem ersten Bild von „Im Krieg – Der 1. Weltkrieg in 3D“ hören wir einen kurzen, einstimmenden Prolog: aus dem Black heraus erzählt eine Stimme aus dem Off etwas bedeutungsschwer über das Kommende. Jeder Versuch, so die Stimme, die folgenden Eindrücke des Krieges zu ordnen, würde sie verfälschen.
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