Prevenge

Eine Filmkritik von Lars Dolkemeyer

Im Innern die Rache

Das Ungeborene zwingt seine Mutter zum Töten. Die besten Prämissen spannender Genre-Varianten lassen sich in einem Satz zusammenfassen. Das birgt das Potenzial einer aufregenden Idee, die gerade in ihrer Einfachheit erfrischend ist – oder aber die Gefahr einer allzu simplen Eingebung, deren Reiz sich schnell erschöpft. Prevenge, das Regie-Debüt der als Schauspielerin und Co-Autorin durch Ben Wheatleys Sightseers (2012) bekannten Alice Lowe, zeigt noch einen dritten Weg, mit einer einfachen wie genialen Prämisse umzugehen. Nicht unbedingt ist dieser aber der beste.
Ruth (Alice Lowe) ist hochschwanger, der Vater des Kindes ist bei einem Unfall gestorben. Die Verantwortlichen, denen Ruth die Schuld an dem tragischen Ereignis gibt, müssen bestraft werden. Das fordert zumindest ihr ungeborenes Kind, unnachgiebig und erbarmungslos. Ruth bleibt kein Ausweg als ihrer Tochter zu gehorchen.

Immer wieder spielt der Film mit seinen Handlungsebenen: Die werdende Mutter, die unter den Strapazen der Schwangerschaft sich regelmäßig auf ihre und die Gesundheit des Kindes untersuchen lässt, als zugleich kaltblütige Mörderin, die mit dem Küchenmesser der Reihe nach Menschen ersticht. Scheinbar beruhigende Sätze der Hebamme (Jo Hartley) wie „Baby will tell you what to do“ und deren dunkle Kehrseite liegen derart auf der Hand, dass der Film mit ähnlichen Überschneidungen beider Ebenen und dem entstehenden dunklen Humor nicht gerade geizt. Zusammen mit dem Schrecken, der von der wenig subtilen Konstellation aus Mordlust und Ungeborenem ausgeht, ergibt sich damit allerdings bereits so ziemlich alles, was die Prämisse dem Film zu geben scheint.

Statt sich daran zu erschöpfen und jedes Wortspiel und jeden eiskalten Schauer einer hasserfüllten Kinderstimme aus dem Mutterleib schnell zu verbrauchen, widmet sich Prevenge aber schlicht einem anderen Kern: Dem spannenden Aufbau eines Thrillers, für dessen Entwicklung die Ausgangssituation Beiwerk statt zentrales Thema ist. Nicht alles dreht sich darum, ob das Baby einen Willen hat oder nicht, ob vielleicht Ruth einfach den Verstand verliert oder ob es eine übernatürliche Erklärung gibt. Ruth ist wütend und verzweifelt, sie ist einsam und verletzt und will Menschen zur Verantwortung zwingen, die sich dieser zu entziehen versuchen. Interessant sind dabei nicht das Baby und seine Stimme, sondern Ruths innerer Kampf mit dem Bedürfnis nach Rache und Recht. In immer wechselnden Rollen nähert sie sich ihren Opfern, verführt sie in Situationen, die schließlich keinen Ausweg mehr bieten und Ruth die Gelegenheit der Rache geben. Der Film würde, anders gesagt, auch ohne die Stimme aus dem Innern funktionieren, die den Trieb dieser Rache nur artikuliert. Selbst die Schwangerschaft ist damit letztlich kein notwendiges Element der eigentlich recht konventionellen Erzählung.

Und hier liegt das Problem: Auf der einen Seite ist Prevenge ein spannender Rache-Thriller, dessen Protagonistin ihre Verzweiflung durch Mord zu bewältigen versucht. Auf der anderen Seite wird diesem Thriller der Psycho-Horror eines dämonischen Kindes angefügt, der weder zusätzliche Tiefe verleihen kann noch selbst eine Inszenierung hervorbringt, die nicht bereits angelegt wäre. Es bleibt der seltsame Eindruck, dass die spannende Prämisse des Films weder sonderlich inspiriert genutzt wurde noch einer schnellen Abnutzung zum Opfer fällt, auf die überhaupt nichts mehr folgt – sie geht einfach als Dekoration in einem Film unter, der sich ohne sie wohl wesentlich besser auf sein eigentliches Anliegen hätte konzentrieren können.

Prevenge

Das Ungeborene zwingt seine Mutter zum Töten. Die besten Prämissen spannender Genre-Varianten lassen sich in einem Satz zusammenfassen. Das birgt das Potenzial einer aufregenden Idee, die gerade in ihrer Einfachheit erfrischend ist – oder aber die Gefahr einer allzu simplen Eingebung, deren Reiz sich schnell erschöpft.
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