Sie nannten ihn Spencer (2017)

Viel aufs Maul, wenig aufs Hirn

Ganze Generationen wuchsen auf mit den Filmen von Bud Spencer und Terrence Hill, die bis heute noch im Fernsehen rauf und runter laufen und selbst nach mehreren Dekaden noch Menschen begeistern und ihr Publikum finden. Ganze 18 Filme haben die beiden zusammen gemacht, eine Handvoll Filme, in denen nur Bud Spencer zu sehen ist, kommen noch hinzu. Alle gehören zu einem vor allem in Deutschland durch das Fernsehen induzierten Film- und Popkulturkanon, der viele, diese Kritikerin inbegriffen, stark prägte und bis heute wohlige Gefühle hervorruft. Die Aussicht also, so kurz nach seinem Tod eine Bud-Spencer-Dokumentation zu bekommen, scheint wie ein Pflaster für die blutende Wunde, die Carlo Pedersolis (so sein echter Name) Tod gerissen hat. Doch leider ist Sie nannten ihn Spencer eine herbe Enttäuschung.

Entstanden ist dieser Film durch das Engagement von Karl-Martin Pold, einem großen Bud-Spencer-Fan. Das Projekt Sie nannten ihn Spencer hat mehrere Jahre Produktion hinter sich und ist sichtlich mit viel Fleißarbeit, Crowdfunding und einem Team aus Spencer-Aficionados entstanden, das viel für dieses Projekt gegeben hat. Diese Passion und Ausdauer muss man hoch anrechnen, doch leider helfen sie dem Endprodukt nicht weiter, im Gegenteil, sie stehen ihm eher im Weg. Denn wie die Genese des Projekts gestaltet sich der Film sehr lang, zerstückelt und voller ambitionierter Wege, die allerdings alle in verschiedene Richtungen führen und nie so recht zusammenkommen wollen. Grundsätzlich ist zu sagen, dass Sie nannten ihn Spencer eben kein Dokumentarfilm über Carlo Pedersoli aka Bud Spencer ist, sondern über seine Fans. Auch wenn der Film anderes behauptet, Spencer an sich kommt nur marginal vor – und wenn, dann vor allem als Projektionsfläche für Menschen, die ihn als Figur lieben. Wer Pedersoli als Mensch war, wird man hier nicht herausfinden.

Das Werk wählt zwei grundsätzliche Erzählansätze. Der eine besteht aus einem unerlässlichen Zitieren aus den Hill/Spencer-Filmen, deren Sprücheklopferei, die ja in der deutschen Fassung dank der göttlich ironischen Synchronfassung noch um einiges knackiger ist. Es werden dutzende Ausschnitte gezeigt, die immer wieder den Rest des Geschehens kommentieren oder untermalen. Allerdings ist das mehr ein Running Gag und großer Service an die Fans, die diesen Film schauen. Hier sind die nostalgischen Momente, in denen die Hardcore-Jünger mitsprechen können und die anderen sich erinnern, wie sie als kleine Kinder den jeweiligen Film zum ersten Mal sahen. Genauso funktioniert auch der Einsatz Thomas Dannebergs, der Synchronstimme von Terrence Hill, der hier den Erzähler gibt. Kurzum, das Archivmaterial und der Sprecher sind vor allem Aggregatoren von Nostalgie. Der zweite Erzählstrang widmet sich zwei Superfans, die quasi gecastet wurden. Jorgo Papasoglou ist Berliner, Fan der ersten Stunde und blind. Und er sieht ein wenig aus wie Spencer. Marcus Zölch aus Augsburg sieht wiederum Terrence Hill sehr ähnlich und hat eine Wohnung voller Memorabilien. Die beiden dienen nun als Ersatzfiguren und Projektionsflächen für andere Fans. Nachdem ihre Fan-Credentials ausreichend zur Schau gestellt wurden, werden sie auf der Suche nach der Wohnung von Bud Spencer auf eine sehr offensichtliche und recht krude produzierte Reise durch Deutschland, Frankreich und Italien geschickt. Sie wollen ihn treffen. Die personalisierte Geschichte ist auch schon parat: Zölch hatte nach einem Unfall, der ihn fast querschnittsgelähmt zurückließ, das Lachen durch die Spencer/Hill-Filme wiedergefunden; Papasoglou wurde eine ganze Welt voller Humor und Resilienz durch diese Filme bekannt, die ihm half, seine Beeinträchtigung mit Humor zu nehmen. Große Teile des Filmes folgt man also diesen zwei Menschen auf einer gescripteten und oft sehr Fremdscham induzierenden Suche nach Spencer, die sie zu anderen Schauspielern und Regisseuren führt, die an den Hill/Spencer-Filmen beteiligt waren. Und natürlich geht immer etwas schief, denn der Weg zum heiligen Gral, das gebietet das Gebot der guten Erzählung, muss eben steinig sein. Zur Not wird das eben fingiert, ganz wie man es aus den scripted reality-Shows aus dem Fernsehen kennt.

Hier zeigt sich allerdings schon das große Problem. Weder die nostalgischen Ausschnitte noch die Fangeschichte bringt einem Bud Spencer, geschweige denn Carlo Pedersoli näher. Dafür gibt es dann Anreicherungen mit der größten Anzahl an Interviewgästen, die ein Dokumentarfilm wohl je gesehen hat. Es sind so viele, dass zu ihnen immer wieder Namen und Funktion eingeblendet werden müssen, damit man den Faden nicht verliert. Die meisten haben an den Filmen mitgearbeitet, einige von ihnen hätten Großartiges zu erzählen, doch kommen kaum zu Wort. Die schiere Masse des Materials ist erstaunlich, aber inhaltlich kommt doch recht wenig. Es hätte dem Werk gutgetan, sich hier auch von ein paar der Darlings zu lösen, die redundant sind und den Film dann auch auf seine stattliche Länge von über zwei Stunden aufblähen.

Ansonsten wird sich zumeist an der Filmographie abgearbeitet, es gibt kleine Anekdoten und Trivia über die Dreharbeiten. Dazwischen kommen Versatzstücke zu Pedersolis/Spencers Biografie. Er war ein hervorragender Schwimmer, Pilot, hatte viele Firmen und konnte schlecht sehen. Doch auch hier wird viel angeschnitten und nichts auserzählt und immer wieder wird Biografisches mit Nostalgischem, den Filmfiguren und anderen Anekdoten zu einem Bild vermischt, das Spencer und Pedersoli einfach nivelliert und niemals nach Unterschieden fragt, sondern nur das Gemeinsame sucht. Kurzum: Der Film baut sich das Bild, das die Fans gernhaben, und negiert schlussendlich die Existenz eines Menschen hinter Bud Spencer und hinter der aufgeladenen Bedeutung, die die Figur für ihre Fans hat. Es ist wahrlich, im Guten wie im Schlechten, ein Film von Fans für Fans. Pedersoli selbst kommt übrigens nie zu Wort, er wird nicht selbst nach seinem Leben gefragt. Dabei gab es die Möglichkeit dazu, die Produktion hatte die Möglichkeit, ihn zu fragen, als er noch lebte.

Dabei fällt auch eine weitere Entscheidung stark ins Gewicht: das weitgehende Aussparen von Terrence Hill. Der Film konzentriert sich fast ausschließlich auf die Figur Bud Spencer, dabei hat diese den größten Teil ihrer Leinwandkarriere eben als Duo mit Terrence Hill verbracht. Er kommt in Sie nannten ihn Spencer auch zu Wort und wird ab und an auch mitbehandelt, aber immer nur als eine Art Randfigur, was einen bitteren Geschmack zurücklässt.

Und so bleibt man am Ende des Filmes doch recht ratlos und enttäuscht zurück. Wer wirklich etwas über Pedersoli und seine Figur erfahren wollte, hält letztendlich nur viele Anekdoten in der Hand. Wer mehr als nur einen Fanservice-Film erwartet hat, der bleibt mit fast leeren Händen zurück. Sie nannten ihn Spencer ist nur etwas für ZuschauerInnen, die noch einmal in der wohligen Woge des Fantums baden, noch einmal in alten Zeiten und in dieser gemeinsam konstruierten Projektionsfläche schwelgen wollen, die sie Bud Spencer nennen.
 

Sie nannten ihn Spencer (2017)

Am 27. Juni 2016 verstarb Carlo Pedersoli, den die Welt nur als Bud Spencer kannte. Der ehemalige Profi-Schwimmer, Olympionike und späterer Schauspieler wurde von Millionen Menschen nahezu kultisch verehrt. Der österreichische Filmemacher Karl-Martin Pold hat acht Jahre lang an diesem Film gearbeitet, der vor allem dank einer Crowdfunding-Kampagne bei Startnext realisiert werden konnte.

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