Giraffada

Eine Filmkritik von Joachim Kurz

Der Nahostkonflikt, gesehen mit den Augen eines Kindes

Es gibt wahrlich einfachere Berufe als den eines Tierarztes in der palästinensischen Westbank des Jahres 2002. Dort, im einzigen Zoo der Gegend in einem Ort namens Qalqilya, geht Yacine (Saleh Bakri) seinem Beruf nach und kümmert sich liebevoll und unter schwierigsten Bedingungen um die ihm anvertrauten Tiere. Unterstützt wird er dabei von seinem zehnjährigen Sohn Ziad (Ahmad Bayatra), der vor allem das Giraffenpärchen Brownie und Rita in sein Herz geschlossen hat. Als bei einem Luftangriff der israelischen Armee der Bulle Brownie getötet wird, verfällt die trächtige Rita in so tiefe Trauer, dass sie fortan die Nahrungsaufnahme verweigert und ebenfalls zu sterben droht. Vater und Sohn sind sich schnell einig: Ein neuer männlicher Gefährte muss her, doch das ist in der besonderen Situation des israelisch-palästinensischen Konfliktes besonders schwer. Da sich der Zoodirektor vor allem um sein eigenes Wohlergehen sorgt und sonst wenig Augen für die Nöte seiner Institution hat, sind Yacine und Ziad völlig auf sich allein gestellt – nur die französische Journalistin Laura (Laure de Clermont) ist dazu bereit, den beiden tapferen Palästinensern bei ihrem Wahnsinnsplan zu helfen: Rita soll einen neuen Gefährten bekommen, doch das einzig verfügbare Tier befindet sich ausgerechnet in einem israelischen Zoo in Tel Aviv. Kann der wahnwitzige Plan, den die drei fassen, überhaupt glücken?
Rani Massalhas Debütfilm Giraffada basiert — zumindest lose — auf einer wahren Begebenheit aus dem Jahre 2003. Zu diesem Zeitpunkt fand der Filmemacher eine kleine Notiz folgenden Inhalts in einer Zeitung: „Der israelisch-palästinensische Konflikt hat ein weiteres Opfer gefordert: Eine Giraffe starb im Zoo von Qalqilya“, stand dort zu lesen. Im Zuge seiner Recherchen gelang es ihm, Kontakt zu den Menschen vor Ort aufzunehmen, woraus sich die Geschichte entwickelte, die zuvor schon auf verschiedene Weise thematisiert worden war (unter anderem hatte der deutsche Künstler Peter Friedle 2005 bei der DOCUMENTA das getötete Tier ausgestellt).

Auch wenn der Film teilweise ein wenig schwerfällig daherkommt und Massalha vor allem auf eine (manchmal zu) ruhige Erzählweise als Kontrast zu der hektischen, lauten und angespannten Lage seiner Protagonisten baut, gelingt dem Film doch vor allem eines: Aufgrund der schlichten und für Kinder durchaus nachvollziehbaren Metapher des unübersehbaren Tieres wird für diese ein an sich unbegreiflicher Konflikt spür- und nachvollziehbar – auch wenn der Film die Heftigkeit des Krieges weitgehend ausspart, um das junge Publikum nicht allzu sehr zu verschrecken.

Da der Film auch die aussichtslose Lage der Palästinenser in eindrucksvolle Bilder voller Verlorenheit und Tristesse zu kleiden weiß, wird hier der Alltag der ganz normalen Bevölkerung plötzlich unmittelbar greifbar, werden Elend, Not und die alltäglichen Schikanen seitens der israelischen Armee ohne übermäßige Brutalität erlebbar. Zugleich spart Massalha aber auch die Verfehlungen der palästinensischen Seite nicht aus: Amtsmissbrauch, die allgegenwärtige Korruption und eine lähmende Bürokratie erweisen sich für Yacine und Ziad als beinahe ebenso große Hemmnisse wie die Schikanen der israelischen Armee.

Konsequent aus der Sicht Ziads erzählt, bietet Giraffada zumindest ansatzweise einen gelungenen Einblick in den Nahostkonflikt. Ob das aber (ältere) Kinder und deren Erziehungsberechtigte in die Kinos locken kann oder ob diese nicht doch lieber harmloseres Family Entertainment bevorzugen – das steht auf einem anderen Blatt. Der Ansatz ist zweifelsohne löblich, das Ergebnis hat immer noch einiges an Luft nach oben, zeigt aber zugleich, dass Kinderfilme und die Realität des Krieges sich nicht unbedingt ausschließen müssen.


Giraffada

Es gibt wahrlich einfachere Berufe als den eines Tierarztes in der palästinensischen Westbank des Jahres 2002. Dort, im einzigen Zoo der Gegend in einem Ort namens Qalqilya, geht Yacine (Saleh Bakri) seinem Beruf nach und kümmert sich liebevoll und unter schwierigsten Bedingungen um die ihm anvertrauten Tiere. Unterstützt wird er dabei von seinem zehnjährigen Sohn Ziad (Ahmad Bayatra), der vor allem das Giraffenpärchen Brownie und Rita in sein Herz geschlossen hat.
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