Er ist wieder da (2015)

Eine Filmkritik von Sonja Hartl

Der große Demagoge

Was wäre, wenn Adolf Hitler eines Tages wieder auftauchen würde? Diese Frage nahm schon Timur Vermes‘ Bestseller Er ist wieder da als Ausgangspunkt und schilderte ein mögliches Szenario. Einen Schritt weiter geht nun die Verfilmung von David Wnendt – und hinterlässt den beängstigenden Eindruck, dass der Aufstieg eines Demagogen bislang vor allem an mangelnder Konsequenz gescheitert ist.

Deutschland im Jahr 2014: Adolf Hitler (Oliver Masucci) wacht eines Tages auf einer Rasenfläche wieder auf, klagt über Kopfschmerzen und fragt sich, was passiert ist. Er irrt durch Berlin, sieht das Brandenburger Tor und landet schließlich bei einem Kioskbesitzer, der ihn für einen verwirrten Parodisten hält und ihm vorerst Obdach gewährt. Zufällig wurde Hitlers Aufwachen aber von dem erfolglosen Filmemacher Fabian Sawatzki (Fabian Busch) auf Film festgehalten – und nach seiner Entlassung bei dem Privatsender my tv wittert er seine große Chance: Er reist mit diesem täuschend echten Hitler-Darsteller durch Deutschland, filmt die Reaktionen der Menschen und landet endlich einen großen Hit, mit dem er den stellvertretenden Geschäftsführer Christoph Sensenbrink (Christoph Maria Herbst) überzeugen kann, ihn wieder einzustellen. Tatsächlich glaubt Sensenbrink, mit Hitlers Hilfe endlich seine Vorgesetzte Katja Bellini (Katja Riemann) auszustechen und verschafft ihm einen Auftritt in einer Comedyshow. Als Hitler dort aber anfängt, gesellschaftliche Missstände und die Medien zu kritisieren, avanciert er zum neuen Medienstar.

Bereits mit Kriegerin und Feuchtgebiete hat David Wnendt bewiesen, dass er derzeit einer der vielversprechendsten Filmemacher ist und nicht versucht, auf Nummer sicher zu gehen. Auch Er ist wieder da birgt Fallstricke. Fans des Buches könnten allein schon davon enttäuscht sein, dass nicht Christoph Maria Herbst, der das Hörbuch gesprochen hat, als Adolf Hitler zu sehen ist. Stattdessen hat der Film mit dem hierzulande (noch) wenig bekannten Oliver Masucci nicht nur einen hervorragenden Hauptdarsteller, sondern verhindert auch, dass der Schauspieler hinter Hitler sofort zu erkennen ist. Denn Er ist wieder da ist mehr als eine weitere Farce mit einem karikierten Hitler: Dieser Hitler ist der charismatische und geschickte Demagoge, dem 1933 schon gelang, die Massen zu begeistern. Und nun setzt er 2014 zu einem zweiten Versuch an.

Darüber hinaus ist David Wnendt mit einer Kamera und Oliver Masucci als Adolf Hitler tatsächlich auf eine Reise durch Deutschland gegangen, um die Reaktionen der Menschen auf ihn zu filmen. Diese Aufnahmen hinterlassen mehr als ein flaues Gefühl, sie wirken, als fühlten sich die Menschen gegenüber Hitler sicher, endlich mal sagen zu können, was sie denken. Sie wissen, dass sie dabei gefilmt werden; es sind keine Szenen, die mit versteckter Kamera aufgenommen wurden, einige Male wird sogar darum gebeten, die Kamera auszuschalten, so dass die Kamera präsent gewesen sein muss. Dennoch ziehen die Menschen insbesondere über Ausländer her, sprechen von Arbeitslagern, grüßen Hitler begeistert mit Hitler-Gruß und nehmen Selfies mit ihm auf. Sicherlich muss man hier bedenken, dass die gezeigten Szenen ausgewählt und geschnitten wurden, dennoch ist es erschreckend, wie selbstverständlich menschenfeindliche Aussagen gemacht werden – vor allem von ganz harmlosen Menschen. Denn ausgerechnet die NPD und demonstrierende Rechtsradikale reagieren weitaus vorsichtiger gegenüber Hitler. Vielleicht, weil eine Kamera dabei ist, vielleicht, weil es Mockumentary-Material ist — vielleicht haben sie aber außer Parolen auch nichts zu sagen.

Nicht nur durch diese quasi-dokumentarischen Szenen entwickelt Er ist wieder da ein glaubwürdiges Szenario. Hinzu kommt, dass Hitler als geschickter Demagoge genau erkennt, wie er Menschen anstacheln und manipulieren kann. Bei seinem ersten Fernsehauftritt merkt er an, schon im Dritten Reich gewusst zu haben, dass er die Menschen mit dem Medium Film ablenken musste (deshalb habe er Die Feuerzangenbowle drehen lassen); nun müsse es den Menschen sehr schlecht gehen, wenn sie sich Kochshows und den ganzen Quatsch ansehen. Da kann man ihm kaum widersprechen. Und wenn er die gegenwärtigen Parteien und ihre Politiker analysiert und dabei die CSU seiner „Nachfolge“ für unwürdig befindet, über die SPD sagt, sie seien schon immer „Lumpen“ gewesen, aber zu seiner Zeit wenigstens „Lumpen von Format“, Angela Merkel abkanzelt und dann die Grünen als einzig akzeptable Partei anerkennt („Umweltschutz ist Heimatschutz“), dann kann er sicher sein, die Lacher auf seiner Seite zu haben. Das ist ein Lachen mit Hitler. Und damit führt der Film den Mechanismus nicht nur vor, sondern er wendet ihn auch an.

Sicher gibt es auch Gegenstimmen. Hitler wird bei der Deutschlandreise gelegentlich der Mittelfinger entgegengestreckt, von einem Passanten wird gesagt, dass sich die Menschen schämen sollten, auf Hitler so zu reagieren. Auch deutet sich innerhalb des gespielten Plots immer wieder an, dass die Profiteure seines Aufstiegs ahnen, worauf sie sich eingelassen haben. Aber letztlich überwiegt – mit wenigen Ausnahmen – bei ihnen der Wunsch nach Quote und Erfolg. Deshalb fragt man sich im Verlauf von Er ist wieder da immer wieder, ob der Aufstieg eines ähnlichen Demagogen funktionieren würde. Und dass man diese Frage nicht eindeutig verneinen kann, ist die schmerzliche Erkenntnis dieses Films.
 

Er ist wieder da (2015)

Was wäre, wenn Adolf Hitler eines Tages wieder auftauchen würde? Diese Frage nahm schon Timur Vermes‘ Bestseller „Er ist wieder da“ als Ausgangspunkt und schilderte ein mögliches Szenario. Einen Schritt weiter geht nun die Verfilmung von David Wnendt – und hinterlässt den beängstigenden Eindruck, dass der Aufstieg eines Demagogen bislang vor allem an mangelnder Konsequenz gescheitert ist.

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Meinungen

Mario Mätzel · 17.10.2015

Ich habe das Hörbuch gehört, leider bleibt mir zum lesen sehr wenig Zeit. Den Film habe ich mir heute angesehen (17.10.2015).
Leider war der Film für mich etrwas entäuschend. Ich will ihn nicht als Etikettenschwindel bezeichnen aber es ist nur eine Anlehnung an das Buch von Timur Vermes.
Bei dem Buch hatte ich immer das Gefühl von Unterhaltung, bei den Film das Gefühl von Bevormundung.
Selbstverständlich spielen bei den meisten Menschen die Ängste um sozialen Abstieg, Neid auf Erfolge von Anderen und Missgunst eine entscheidenen Rolle bei gesellschaftlichen Veränderungen. Damit gibt man immer Demagogen ein Mittel der Volksverhetzung in die Hand. Gerade zu Zeiten, in denen die Schere zwischen Arm und Reich immer weiter auseinandergeht ist diese Gefahr gegeben.
Wirklich verhindern kann man jedoch einen Erfolg von politischen Extremismus nur wenn es diese sozialen Verwerfungen innerhalb einer Gesellschaft nicht gibt.
Zur Zeit stehen die Zeichen jedoch auf eine Radikalisierung, wie die aktuellen Stimmungen der Bevölkerung, auch vom Filmteam schon erkannt, zur Flüchtlingsproblematik, politischer Arbeit der Parteien und sozialem Gerechtigkeitsempfinden erkennen lassen.

Axel Wendt · 15.10.2015

Der Film kommt genau zur "rechten" Zeit ins Kino und ist damit unfreiwillig passend zum Zeitgeschehen. Es ist gerade wenige Monate her seit sich die Politiker unserer etablierten Parteien vom Volk völlig entfernt haben und ihr eigenes Ding durchziehen. Brachial machen sie was sie wollen und es stört sie nicht im geringsten, daß sie gegen den Willen der deutschen Steuerzahler arbeiten. Mutti leistet sich Parties mit Flüchtlingen - die Rechnung geht an das doofe deutsche Volk. Die Quittung dafür geht bei der nächsten Wahl an die großen Parteien. Da wundert es nicht, daß es selbst einst gemäßigte Bürger begrüssen würden, "wenn er wieder da wäre". Ein schlimmer Filmtitel passend zu einer schlimmen Zeit der Politikerentgleisungen.