Der Hundertjährige, der aus dem Fenster stieg und verschwand

Eine Filmkritik von Sonja Hartl

Wenn einer eine Reise macht

„Et es wie et es. Et kütt wie et kütt“ – oder übersetzt „Es ist wie es ist. Es kommt wie es kommt“ lauten die ersten zwei Artikel des Rheinischen Grundgesetzes. Mit dieser pragmatischen Einstellung geht auch Allan Karlsson (Robert Gustafsson) durch sein Leben, wenngleich er nicht Rheinländer, sondern Schwede ist. Aber schon seine Mutter sagte stets, dass die Dinge sind, wie sie sind, und es ohnehin kommt, wie es kommt. Und mit dieser Weisheit hat er es immerhin bis zu seinem hundertsten Geburtstag geschafft.
Allerdings hat er nun beschlossen, dass er seine letzten Jahre nicht im Altersheim verbringen will. Deshalb nimmt er durch ein Fenster reißaus, geht zum Busbahnhof und löst ein Ticket zu dem Ort, den er sich mit seinem Geld leisten kann. Einen Plan verfolgt Allan nicht. Schließlich kommt es, wie es kommt. In Allans Fall kommt er zu unerwartetem Reichtum, als er mehr oder weniger versehentlich einen Koffer stiehlt, in dem sich eine Menge Geld befindet und der eigentlich einer Biker-Gang gehört. Fortan ist Allan also nicht nur auf der Flucht vor der Polizei, die ihn eher halbherzig sucht, sondern auch vor einer Gruppe tumber Gauner. Immerhin findet er unterwegs neue Freunde, erinnert sich an sein bewegtes Leben und entdeckt, dass das Leben auch mit 100 Jahren noch eine Menge Überraschungen bereithält.

Als schräges Roadmovie hat der schwedische Regisseur Felix Herngren Jonas Jonassons Beststeller Der Hundertjährige, der aus dem Fenster stieg und verschwand für die Leinwand adaptiert. Dabei folgt er mit seinem Film den beiden Handlungssträngen des Films: In der Gegenwart dreht sich alles um Allans „Flucht“ aus dem Altenheim sowie dem verschwundenen Geld, in Rückblenden wird Allans abenteuerliches Leben erzählt, in dem er mit Franco gegessen, Truman getrunken und Stalin getanzt hat. Dabei findet Felix Herngren insbesondere in der ersten Hälfte des Films einen sehr amüsanten, leicht derben und absurden Ton, der dem Charme der Buchvorlage gerecht wird. Dazu trägt vor allem bei, dass er auf die dominante Erzählstimme des Romans verzichtet, indem er sie in der Gegenwartshandlung bildlich umsetzt und die Rückblenden von Allans Stimme einleiten lässt. Dadurch wird der Film anfangs temporeich – und lustig.

Beispielsweise zeigt die erste Einstellung den betagten Allan mit seiner Katze, die kurz darauf tot neben einem Hühnerstall liegt. Offensichtlich wurde sie vom Fuchs getötet, der daraufhin Allans explosive Rache erfährt und kurzerhand von ihm in die Luft gesprengt wird. Leser des Romans erkennen hierin bereits einen Verweis auf Allans bemerkenswerte Karriere als Sprengstoffexperte, für alle Zuschauer ist es ein typisch skandinavisch-derber Einstieg in den Film, der ohne unnötige weitere Kommentare auskommt. Als sich Allan dann schließlich an die Zeit erinnert, die er mit der fragwürdigen Behandlung durch einen Rassenhygieniker verbracht hat, wird dessen Vorgehen durch Bilder sehr deutlich – und die amüsierenden Kommentare des Erzählers im Buch durch einige Bewegungen der Hauptfigur ersetzt, die die Schmerzen nach der Sterilisierung verdeutlichen. Außerdem fügt Felix Herngren der Geschichte eigene, lustige Einfälle hinzu, die zumeist nur aus kleineren Szenen bestehen, aber abgesehen von Stalins Tanzeinlage samt zugehöriger Aufregung gut passen.

Darüber hinaus hat Herngren mit Robert Gustafsson eine ideale Besetzung gefunden. In Schweden vor allem als Komiker bekannt gelingt es Gustafsson, Allan vom jungen Mann bis zum Hundertjährigen überzeugend zu spielen. Er hat ein sehr gutes komödiantisches Timing, ein Gespür für Bewegungen und Mimik. Dadurch ist er in jeder Altersstufe glaubwürdig – und wird zudem zum emotionalen Zentrum des Films.

Erst in der zweiten Hälfte des Films entstehen leichte Längen – obwohl der gesamte Asienteil von Allan Karlssons Reise ausgespart wird. Leider nutzt Herngren den dadurch entstehenden Raum nicht für weitere Straffungen, sondern fügt eine unnötige Eifersuchtsgeschichte um Allans Zufallskomplizin Gunilla hinzu, die auch viel weniger flucht als im Roman, und macht einen Gauner dümmer als den anderen. Dadurch wird der Film oftmals zu slapstickhaft, außerdem fehlt bei dem Polizisten und Allans Mitreisenden eine Entwicklung. Erst am Ende findet der Film dann wieder zu dem guten Anfang zurück. Durch den Verzicht auf die Abenteuer in Asien musste ein neuer Schluss gefunden werden, der die Handlung gut abrundet. Und das ist Felix Herngren mehr als gelungen: Sein Ende ist stimmiger als das des Romans. Deshalb ist Der Hundertjährige, der aus dem Fenster stieg und verschwand insgesamt eine sehr unterhaltsame schwedische Komödie.

Der Hundertjährige, der aus dem Fenster stieg und verschwand

„Et es wie et es. Et kütt wie et kütt“ – oder übersetzt „Es ist wie es ist. Es kommt wie es kommt“ lauten die ersten zwei Artikel des Rheinischen Grundgesetzes. Mit dieser pragmatischen Einstellung geht auch Allan Karlsson (Robert Gustafsson) durch sein Leben, wenngleich er nicht Rheinländer, sondern Schwede ist.
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