Die große Reise

Eine Filmkritik von Marie Anderson

Pilgerfahrt nach Mekka

Es zählt zu den religiösen Pflichten und ganz großen Ereignissen im Dasein eines gläubigen Muslims, der es sich leisten kann, ein Mal in seinem Leben nach Mekka zu pilgern, um das zentrale Heiligtum des Islams, die Kaaba, sieben Mal zu umrunden. Die große Reise, das Spielfilmdebüt des Regisseurs Ismaël Ferroukhi, ist ein Roadmovie der ganz besonderen Art: Vater und Sohn, zwischen denen eine Kluft aus Fremdheit und gegenseitigem Unverständnis liegt, brechen in einem alten Peugeot von Aix-en-Provence gen Mekka auf.

Keineswegs begeistert ist der junge Réda, Sohn einer marokkanischen Migrantenfamilie in Frankreich, als sein Vater kurz vor dem Abitur verlangt, dass er mit ihm die traditionelle Pilgerreise der Muslime nach Mekka antritt- und zwar auf dem Landweg im Auto, 5.000 Kilometer über den Balkan und durch den Nahen Osten. Réda empfindet sich als modernen Franzosen, zeigt kaum Interesse für die kulturellen Aspekte seiner Herkunft und steht den religiösen Werten seines Vaters ablehnend und nahezu verächtlich gegenüber. Da dieser jedoch keinen Führerschein hat und darauf besteht, in würdiger Pilgersitte nicht einfach nach Saudi-Arabien zu fliegen, erklärt sich der Sohn schließlich widerwillig bereit, seinen Vater zu fahren.

Herrscht zunächst zwischen Réda und seinem Vater ein aus Fremdheit und Ablehnung geborenes Schweigen, angelegentlich von knappen Streitereien unterbrochen, so zwingt die ausführliche Unausweichlichkeit im Auto sie zunehmend doch dazu, sich miteinander zu beschäftigen. Auch die Menschen, denen sie unterwegs begegnen, durchbrechen die Sprachlosigkeit zwischen Vater und Sohn, die in der Weitläufigkeit des Alltags versteckt war. Fühlt sich Réda innerhalb der Wahlheimat Frankreich seinem ungebildeten, analphabetischen Vater überlegen, so wächst sein Respekt für ihn mit der veränderten Landschaft und Mentalität. Denn der Vater meistert die Schwierigkeiten während der Reise mit einer humanen Umgänglichkeit, die den eher hilflosen Sohn beeindruckt.

Am Ende haben beide, wie sie äußern, viel gelernt, und doch ist Die große Reise kein dröges Lehrstück der Toleranz zwischen Vätern und Söhnen, sondern die Geschichte einer Pilgerfahrt mit unerwarteten Wendungen und leiser Komik, die vor allem vom hervorragenden Spiel von Nicolas Cazalé (Réda) und Mohamed Majd (Vater) lebt.

Ferroukhi, der seit seiner frühen Kindheit mit seiner Familie ebenfalls aus Marokko nach Frankreich eingewandert ist, inszeniert die Geschichte dieser ungewöhnlichen Wallfahrt puristisch und ganz auf die Reise fokussiert. Wir erfahren kaum etwas über die Protagonisten, so dass die Intensität ihrer unmittelbaren Beziehung zueinander und deren Entwicklung lediglich von den Begegnungen unterwegs und in Mekka selbst flankiert wird. Die Schauplätze dieser Reise wurden so authentisch wie möglich repräsentiert- Ferroukhi drehte in Serbien, im Grenzland zwischen Bulgarien und der Türkei und sogar in Mekka während des islamischen Pilgermonats, was dem Film einen Reichtum an wunderschönen Landschaften und kulturellen Impressionen verleiht. Der Regisseur, der auch das Drehbuch verfasste, bietet seinem Publikum keine Positionierung im Generationskonflikt oder im Gegensatz einer westlichen Moderne zu traditionellen, islamischen Wertvorstellungen an. Ihm geht es vorrangig um die persönliche Ebene zwischen Vater und Sohn, die im Rahmen dieser ungewöhnlichen Reise mit ihrer religiösen Dimension neue Wege gehen müssen, vor allem im Miteinander. „In Die große Reise zeige ich, wie aus Gleichgültigkeit und Feindschaft, Anerkennung und Versöhnung entstehen können“, formuliert Ferroukhi seine Intention.

Bei den Internationalen Filmfestspielen von Venedig wurde Die große Reise mit dem Leone del Futuro-Preis für das beste Erstlingswerk ausgezeichnet.
 

Die große Reise

Es zählt zu den religiösen Pflichten und ganz großen Ereignissen im Dasein eines gläubigen Muslims, der es sich leisten kann, ein Mal in seinem Leben nach Mekka zu pilgern, um das zentrale Heiligtum des Islams, die Kaaba, sieben Mal zu umrunden.

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Meinungen

anonym · 28.03.2008

Sehr tller film

Nol · 29.10.2007

Der beste Pilgerfilm, den ich je gesehen habe. Hebt sich wohltuend von dem Klamauk ab, der in Film und Fernsehen vom Jakobsweg gemacht wird...

seniorita · 25.10.2007

Mich hat der Film extrem beeindruckt ,und mich sogar am Ende zu tränen gerührt. Ich als gläubige Muslimin fand besonders die Aufnahmen in mekka sehr interessant..Die Schauspieler waren spitze ,reale Darstellung....

barbara moeller · 24.10.2007

ich war von diesem film sehr beeindruckt. die entwicklung der nähe zwischen vater und sohn, dieses hin- und hergezerre der gefühle zueinander hat mich sehr bewegt.

die schauspieler waren sehr echt!!!!

MRD · 23.10.2007

Ein sehr interessanter Film