Franklyn

Eine Filmkritik von Joachim Kurz

"Möge dein Gott mit dir sein"

Dass im retro-futuristischen Meanwhile City der Nachname des einzigen Ungläubigen unter lauter religiösen Spinnern beinahe wie das englische Wort für Priester klingt, ist nur einer der vielen versteckten Hinweisen in diesem bemerkenswerten Film von Gerald McMorrow. Jonathan Preest (Ryan Phillippe) lebt in dieser seltsam bedrohlichen Stadt, die komplett dem religiösen Wahn verfallen ist und in der nahezu jeder Glaube oder Kult zugelassen wird. Was sich beispielsweise bereits in dem seltsamen Gruß „Möge Ihr Gott mit Ihnen sein“ zeigt. Selbst die Anhänger einer Sekte, die nach den Maßgaben einer Gebrauchsanleitung für Waschmaschinen leben, finden sich in dieser komplett hysterischen Welt, die an Alex Proyas Dark City ebenso erinnert wie an die Steampunk-Phantasien eines Terry Gilliam. Und aufgrund der Allgegenwärtigkeit von Glauben und Religion(en), von Schwindlern und Scharlatanen fühlt man sich an G.K. Chestertons niederschmetternde Prognose erinnert, der vor solchen Auswüchsen bereits vor vielen Jahren eindringlich warnte: „Wenn Menschen aufhören, an Gott zu glauben, dann glauben sie nicht an nichts, sondern an alles Mögliche. Das ist die Chance der Propheten — und sie kommen in Scharen.“ In solch einer gespenstischen Dystopie jagt Preest, verfolgt von den Religionswächtern der Regierung, seinem Feind, einem Religionsführer mit dem Namen „Das Individuum“ nach, den er für den Tod eines 11-jährigen Mädchens verantwortlich macht.
Allerdings ist diese Storyline nur ein Teil der Geschichte, von der Franklyn erzählt. Und die anderen Geschichten, die einander abwechseln, haben zunächst nichts mit der Geschichte um Jonathan Preest zu tun. Da ist zum einen die depressive Kunststudentin Emilia (Eva Green), die äußerst kunstvolle Videos ihrer diversen Selbstmordversuche produziert und sich durch eine Therapie mit ihrer verhassten Mutter quält. Auch Milo (Sam Rilley, Control) hat seine Probleme mit dem Leben – er wurde quasi vor dem Traualtar von seiner Freundin sitzengelassen und glaubt nun auf den Straßen Londons seiner Jugendliebe wieder zu begegnen. Und der tiefreligiöse Gemeindevorsteher Peter (Bernard Hill) sucht nach seinem Sohn David, der als psychisches Wrack aus dem Goflkrieg zurückkehrte und aus der Psychiatrie geflohen ist. Wie die vier Handlungsstränge zusammenhängen und am Ende zusammengeführt werden, sei an dieser Stelle nicht verraten, obwohl es bei genauerer Betrachtung etliche Anzeichen gibt, wie die Dinge miteinander in Zusammenhang stehen.

Mit Franklyn ist Gerald McMorrow ein außergewöhnlicher und anfangs etwas gewöhnungsbedürftiger Film gelungen, der trotz eines vergleichsweise bescheidenen Budgets faszinierende Bilder entwirft und auch konzeptionell einiges wagt. Wer sich allzu sehr auf den Trailer und die Bilder verlässt, könnte leicht auf die (falsche) Fährte geraten, dass es sich bei diesem Film um ein reines Fantasy-Abenteuer ohne allzu großen Anspruch handelt. Genau das aber ist Franklyn nicht. Sondern ein verzwicktes und bildgewaltiges psycholgisches Mystery-Drama, ein Film über die Verschränkungen von Realität und Fiktion, Liebe, Romantik, Tod und Verzweiflung. Und damit das erste Ausrufezeichen eines kühnen Regietalents, von dem man noch einiges sehen und hören dürfte.

Franklyn

Dass in dem retro-futuristischen Meanwhile City der Nachname des einzigen Ungläubigen unter lauter religiösen Spinnern beinahe wie das englische Wort für Priester klingt, ist nur einer der vielen versteckten Hinweisen in diesem bemerkenswerten Film von Gerald McMorrow.
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