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In „Hello Dankness“ widmet sich das Duo Soda Jerk in experimenteller Form der US-Gesellschaft seit der Präsidentschaft von Trump – mit einem furiosen Mix aus Film- und Serien-Clips.

Hello Dankness (2022)

Eine Filmkritik von Andreas Köhnemann

Würde Nancy Thompson Bernie Sanders wählen?

Das Künstler:innen-Duo Soda Jerk, bestehend aus den 1977 beziehungsweise 1979 in Sydney geborenen Geschwistern Dan und Dominique Angeloro, konfrontiert uns in seinen essayistischen Werken mit Bildern aus unterschiedlichsten Filmen, Serien, Werbespots und Onlinevideos und bringt diese in völlig neue Zusammenhänge. Obendrein bearbeiten die beiden das Material zum Teil, indem sie etwa visuelle Elemente in einzelnen Einstellungen hinzufügen oder die Tonspur in einer kompletten Sequenz verändern. All das geschieht gewissermaßen in Guerilla-Manier, ohne Klärung der Copyrights, weshalb für die wilden Endergebnisse keine reguläre Kino- oder Streaming-Auswertung zu erwarten ist.

Während sich das Duo beispielsweise in Terror Nullius (2018) mit australischer Mythologie befasste und dabei unter anderem Szenen aus Mad Max (1979) und Muriels Hochzeit (1994) zu einer experimentellen Collage montierte, geht es in Hello Dankness um die jüngere Geschichte der USA und die gesellschaftlichen Veränderungen seit der Präsidentschaft von Donald Trump.

Zunächst einmal führt die Methode von Soda Jerk zu spannenden Verbindungen. Tom Hanks und der Cast aus Meine teuflischen Nachbarn (1989) treffen auf Seth Rogen und Rose Byrne aus Bad Neighbors (2014); beide Universen spielen in US-Vororten. Und dann fährt auch noch Annette Bening aus American Beauty (1999) vorbei, während Mike Myers und Dana Carvey aus Wayne’s World (1992) Streethockey spielen. Interessant ist, wie sich die Darstellung vom Suburbia-Leben einerseits im Laufe der Jahrzehnte gewandelt hat – und andererseits in vieler Hinsicht doch verblüffend gleich geblieben ist.

Wie hier der Eindruck erweckt wird, diese Figuren aus verschiedenen Dekaden der Filmhistorie würden einander anschauen und aufeinander reagieren, ist äußerst faszinierend. Dialoge werden clever verknüpft. Mainstream-, Arthouse- und Indie-Ästhetik vermischen sich, wenn etwa noch Boys Don’t Cry (1999) Teil der audiovisuellen Komposition wird. An späterer Stelle scheint es so, als würden sich die tanzende Lena Dunham aus Girls (2012-2017) und die betrunkene Lindsay Lohan aus Girls Club (2004) auf derselben Party befinden.

Wahlplakate und politische Statements, die zu den Präsidentschaftswahlen in den Vereinigten Staaten 2016 und 2020 passen, werden digital hinzugefügt. So wäre Bruce Dern aus Meine teuflischen Nachbarn wohl gewiss ein Trump-Anhänger, während sich später bei der von Heather Langenkamp verkörperten, total übernächtigten Schülerin Nancy Thompson aus Nightmare – Mörderische Träume (1984) eine Bernie-Sanders-Tasse ins Bild schiebt. Die Verzweiflung der Jugendlichen ist in der Version, die Hello Dankness kreiert, nicht dem fiesen, übersinnlichen Killer Freddy Krueger zuzuschreiben, sondern den Entwicklungen im Wahlkampf. Derweil führt das animierte Personal aus Sausage Party (2016) eine politische Diskussion – und die beiden Protagonisten aus Wayne’s World sind mit ihrer lokalen Kabelfernsehshow, die sie aus einem Keller in Aurora übertragen, plötzlich auf YouTube unterwegs.

Für den Sieg von Trump im Jahr 2016 findet das Duo eine treffende Zusammenstellung, mit Szenen aus diversen Splatter- und Zombie-Movies sowie mit apokalyptischen Passagen aus der Satire Das ist das Ende (2013) oder mit Zendaya im Horror-Rausch in Euphoria (2019-). Der Lockdown kann etwa mit Macaulay Culkin veranschaulicht werden, der als Kevin mal wieder Allein zu Haus (1990) ist und Junkfood zu sich nimmt, dabei aber keine alten Schwarz-Weiß-Klassiker schaut, sondern den Netflix-Hit Tiger King (2020). Ebenso bietet die Popkultur, etwa mit Rory Culkin und Abigail Breslin, die in Signs (2002) Aluhüte aufsetzen, oder durch die Mysteryserie Twilight Zone (1959-1964), geeignetes Material, um die Zunahme an Fake News und an Verschwörungstheorien im Verlauf der Coronapandemie einzufangen.

Manches mag hier nicht mehr als filmische Spielerei ohne großen Erkenntnisgewinn sein – etwa wenn der Titelheld aus RoboCop (1987) mit A.C.A.B. geschmäht wird oder wenn Winona Ryder die vom Winde verwehten Seiten ihrer Masterarbeit in Ein amerikanischer Quilt (1995) um die Ohren fliegen wie (im übertragenen Sinne) den Demokrat:innen die E-Mail-Affäre um Hillary Clinton. Oft sind die neu geschaffenen Verquickungen indes wirklich genial und prägnant – zum Beispiel, wenn Annette Bening als wohlsituierte weiße Immobilienmaklerin Carolyn Burnham aus American Beauty im (von Soda Jerk künstlich erzeugten) Hinblick auf Black-Lives-Matter-Proteste und Polizeigewalt auf den Straßen einfach heulend die Vorhänge zuzieht, um die Realität nicht mehr wahrnehmen zu müssen.

Hello Dankness (2022)

Aus hunderten zusammengesetzten Filmausschnitten und Medienbildern erschafft das Künstler*innen-Duo Soda Jerk ein unerwartetes Narrativ über den Wandel der US-amerikanischen Gesellschaft seit Trump und reflektiert dabei lustvoll gegenwärtige kulturelle Werte.

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