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In „Green Night“ zeigt Han Shuai zwei unterschiedliche Frauen in der Unterwelt von Seoul und auf einem wenig innovativen Rachefeldzug.

Green Night (2023)

Eine Filmkritik von Andreas Köhnemann

Die Frau in Grün

Die chinesische Immigrantin Jin Xia (Fan Bingbing) arbeitet in der Sicherheitskontrolle an einem Flughafen von Seoul. Dort kommt es zur ersten Begegnung mit der grünhaarigen jungen Frau (Lee Joo Young), die im weiteren Verlauf namenlos bleiben wird. Die Regisseurin Han Shuai setzt diesen Moment in ihrem zweiten Langfilm „Green Night“ als dramatischen Wendepunkt im Leben der Protagonistin in Szene: Die Verwendung von Zeitlupe drückt die emotionale Intensität aus. Ein kurzer Blick, den Jin Xia auf das Brust-Tattoo der rätselhaften Namenlosen wirft, als diese im Rahmen des Security-Checks ihre Schuhe ausziehen muss, lässt die Sinnlichkeit erahnen, die zwischen den beiden Frauen noch entstehen wird.

Wenig später, als Jin Xia nach Feierabend gerade der Bus davongefahren ist, kehrt die Unbekannte plötzlich wieder zurück – noch immer barfuß. Sie erweist sich als ziemlich aufdringlich und hat sich bald einen Weg in Jin Xias Leben gebahnt.

Im ersten Drittel ist Green Night ein durchaus subtil erscheinendes Werk, das Interesse und Mitgefühl weckt. Eine kleine Wunde auf Jin Xias Stirn deutet auf eine Gewalterfahrung hin, über die zunächst jedoch nicht gesprochen wird. Dass die Protagonistin beharrlich die Anrufe ihres Gatten Lee Seung-hun (Kim Young Ho) ignoriert, lässt indes rasch vermuten, dass sich Jin Xia in einer missbräuchlichen Ehe befindet. Ihr Ehemann werde immer ihr Ehemann sein, meint Jin Xias Vermieter und droht mit dem Rauswurf aus der Wohnung, die für die Heldin eine Art Refugium zu sein scheint.

Wie sich herausstellt, führt auch die grünhaarige Frau eine Beziehung, die von Abhängigkeit geprägt ist. Für ihren Freund, der einen Friseursalon betreibt, muss sie Dienste als Drogenkurierin machen. Jin Xia lässt sich auf einen Deal mit der Frau ein, lernt dadurch die urbane Unterwelt kennen und stellt sich schließlich ihrem Ehemann, während sie der Namenlosen unverhofft näherkommt.

Wenn Jin Xia und ihre neue Bekanntschaft auf dem Moped durch die erleuchtete Stadt fahren oder die beiden in einer Bowlingbahn landen, in der Neonfarben dominieren, erzeugen Shuai und das Kamerateam Matthias Delvaux und Kim Hyun Seok eindrückliche Aufnahmen, die ein Gespür für Atmosphäre zu demonstrieren vermögen. Das Drehbuch, das die Filmemacherin zusammen mit Lei Sheng geschrieben hat, setzt aber so sehr auf stereotype Figuren, dass die anfängliche Faszination am Geschehen mehr und mehr verloren geht.

Eine Vergewaltigung wird in aller Drastik gezeigt – und auch im Finale scheint größtmögliche Brutalität das einzige übrige Mittel zu sein, um noch Spannung zu kreieren. Als Rape-and-Revenge-Movie wirkt Green Night durch seine wenig komplexe Charakterzeichnung zu beliebig und plump, um sich erzählerisch von etlichen B- und C-Filmen aus diesem Segment abzuheben.

Sich dem Kampf gegen patriarchalische Strukturen zu widmen und die Selbstermächtigung zweier Frauen einzufangen, die bisher von ihrem Umfeld physisch und psychisch unterdrückt, ausgebeutet und missbraucht wurden, ist ein wichtiges Anliegen. Dabei zunehmend auf Klischees und Formeln zurückzugreifen, die selbst eher exploitativ daherkommen, führt allerdings zu einem weitgehend enttäuschenden, unoriginellen Ergebnis, das auch durch das überzeugende Spiel von Fan Bingbing in der zentralen Rolle nicht ausreichend aufgewertet werden kann.

Green Night (2023)

Sie begegnen sich am Flughafen in Seoul und könnten unterschiedlicher nicht sein: Die chinesische Immigrantin Jin Xia arbeitet an der Sicherheitskontrolle, kleidet sich praktisch, tut ihre Pflicht. Die grünhaarige Frau, die an diesem Tag dort auftaucht, ist jünger, extrovertierter und lässt sich vom Abtasten nicht beeindrucken. Jin Xia ist fasziniert. Als die Frau sie schon kurz darauf in ihre krummen Geschäfte verwickelt, wird klar, dass die beiden mehr gemeinsam haben, als man ihnen ansieht. Auf der Jagd nach dem großen Coup, der sie von allen Abhängigkeiten befreien könnte, begeben sie sich in Südkoreas Unterwelt und behaupten sich dort gegen Männer, die sie dominieren, besitzen und benutzen wollen.

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