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Es scheint, als wäre die Ehe endgültig zerbrochen, doch das Paar im Zentrum dieses italienischen Dramas von Regisseur Daniele Luchetti bleibt in der emotionalen Aufräumarbeit stecken. Die gemeinsamen Kinder müssen mit dem zähen, irrational anmutenden Hickhack zwischen den Eltern aufwachsen.

Was uns hält (2020)

Eine Filmkritik von Bianka Piringer

Die Liebe geht, Familie bleibt

Im Neapel Anfang der 1980er Jahre wirft Vanda (Alba Rohrwacher) ihren Mann Aldo (Luigi Lo Cascio) aus der Familienwohnung. Er hat ihr gestanden, dass er eine Geliebte hat. Die Kinder Anna (Giulia De Luca) und Sandro (Joshua Francesco Louis Cerciello) hängen sehr am Vater, der sich liebevoll um sie gekümmert hat. Seine neue Partnerin Lidia (Linda Caridi) würde sich den Kindern, wenn sie ihn in Rom besuchen, auch gerne widmen. Doch das will Aldo nicht. Vanda wiederum verlangt über Jahre hinweg, dass er zu ihr und den Kindern zurückkehrt. Im Drama, in das sich die Eltern verstricken, gibt es nur zwei unschuldige Opfer: Anna und Sandro. Der italienische Regisseur Daniele Luchetti („Mein Bruder ist ein Einzelkind“) vertieft sich über einen Zeitraum von 30 Jahren in die Facetten einer familiären Bindung, der es an Glück fehlt. 

Das bereits 2020 erschienene Drama basiert auf dem Roman Auf immer verbunden von Domenico Starnone. Die Art und Weise, wie sich der Film an die Kräfte herantastet, die in einer Familie herrschen und auch die nächste Generation prägen, ähnelt einem anderen italienischen Film, der fast zeitgleich in die deutschen Kinos kommt: Der Kolibri von Francesca Archibugi. Auch in dieser Romanverfilmung wird ein jahrzehntelanger Zeitraum nichtlinear durchmessen. Diese Form verfolgt offenbar nicht nur den Zweck, Spannung zu schüren, sondern spiegelt auch eine Haltung den Charakteren und Ereignissen gegenüber. Anstatt das Geschehen buchstäblich auf die Reihe kriegen, also geradlinig und schrittweise, nach Ursache und Wirkung aufdröseln zu wollen, wird auf das Sammeln von Eindrücken und Momenten gesetzt. Manche sind wuchtig, andere in ihrer Bedeutung unklar, und nicht einmal die Charaktere selbst wissen so genau, was sie antreibt oder wo sie sich selbst im Weg stehen.

Vanda kann es nicht fassen, dass ihr Mann den Pakt bricht, den sie sich bei der Heirat gegeben haben. Sie sei ihm nach Neapel gefolgt, habe ihr soziales Umfeld verlassen, hält sie ihm vor. Aldo zieht nach Rom, wo er beim Radio eine Literatursendung moderiert. Gerade noch las er den Kindern Gutenachtgeschichten vor, nun kommt er nur mal kurz zu Besuch, ist für sie kaum noch greifbar. Vanda überhäuft ihn mit Vorwürfen, attackiert ihn und Linda einmal gar mitten auf der Straße, während die Kinder aus dem Auto zuschauen. Alba Rohrwacher spielt die verbitterte, unglückliche Vanda mit starker Präsenz, lässt sie als Mensch verständlich werden, aber nicht sympathisch. Aldo entspricht dem Klischee des Mannes, der Ehe und Familienleben irgendwann als Gefängnis empfindet und ausbricht. Luigi Lo Cascio spielt ihn als Mensch, der klare Ansagen scheut und sich entzieht. Einfach liegen die Dinge auch in seinem Fall nicht, er würde vielleicht am liebsten, wenn ihn die Frauen ließen, zwei voneinander getrennte Privatleben führen, hier Familie, dort die Freundin.  

Immer wenn die ernsten, fragenden Gesichter der beiden Kinder ins Blickfeld rücken, versucht man reflexhaft, einen Elternteil für sein Versagen anzuklagen. Bemerkenswert ist die schauspielerische Leistung von Giulia De Luca, die Anna als die Achtjährige darstellt, die so aufrichtig bemüht ist, beide Elternteile als gute und vernünftige Menschen zu begreifen. Anna und Sandro werden im Laufe der Jahre von drei verschiedenen Schauspieler*innen dargestellt, und nach 30 Jahren ist Laura Morante in der Rolle Vandas zu sehen, während Aldo von Silvio Orlando gespielt wird. Interessant ist zu diesem Zeitpunkt aber besonders, die Kinder als Erwachsene (Giovanna Mezzogiorno, Adriano Giannini) zu erleben, die nun gemeinsam auf das Geschehen zurückblicken. Sie waren ja nie nach ihren Gefühlen gefragt worden.

Diese Beziehungsgeschichte zweier Menschen, die miteinander nicht glücklich sind, die aber dennoch viel verbindet, wirkt oft trivial. Und doch hat diese Trivialität verblüffend viel mit dem richtigen Leben zu tun. Vanda und Aldo sind nicht die einzigen, die sich von unbewältigten Gefühlen, Ängsten, berechnenden Abwägungen, Egoismen leiten lassen. Und so gerät das Drama auch wieder tiefgründig, wobei sich kaum festmachen lässt, welche Szene aussagekräftiger ist als andere, welche Erkenntnis am schwersten wiegt. Weil die filmische Perspektive zwischen Vanda, Aldo und den Kindern hin- und herpendelt und oft die Familie als Ensemble betrachtet, wird das Publikum emotional nahe an das Geschehen herangeführt. Es muss seine Empathie ständig neu ausrichten und stellt doch nur lange fest, dass die Antworten, die alles erklären, ausbleiben. Diese realitätsnahe, dramaturgisch geschickt präsentierte Geschichte bewegt und regt zum Nachdenken an.

Was uns hält (2020)

Neapel in den frühen 1980er Jahren: Die Ehe von Aldo und Vanda zerbricht, also sich Aldo in die junge Lidia verliebt.

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