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Eine traditionelle Rauchsauna in einem Häuschen am Waldrand in Süd-Estland ist der Schauplatz dieses feministischen Dokumentarfilms. Einige Frauen treffen sich zum Reinigungsritual. Während die Körper schwitzen, erzählen sie und erleben sich als solidarische Gemeinschaft.

Smoke Sauna Sisterhood (2023)

Eine Filmkritik von Bianka Piringer

Das Patriarchat herausschwitzen

In einer einsamen Holzhütte im Süden Estlands treffen sich ein paar Frauen. Sie begehen das traditionelle Ritual der Rauchsauna, die zum Weltkulturerbe der Unesco zählt. Es dient der körperlichen und seelischen Reinigung und Stärkung. Doch was sind das für Körper, was haben sie durchgemacht, wie kommen die Frauen mit sich ins Reine? In ihrem ersten Langfilm lässt die Estin Anna Hints die früher vor allem im Familienkreis veranstaltete Zeremonie zum Ort feministischer Selbstermächtigung werden. Die Frauen fangen in der Schwitzhütte zu erzählen an und schenken sich gegenseitig Gehör. Für diesen Dokumentarfilm gab es auf dem Sundance Film Festival 2023 den Regiepreis.  

Das Saunieren mit anderen kann Zungen lösen, eine Vertrautheit und Gelöstheit schaffen, für die es sonst in der jeweiligen gesellschaftlichen Kultur kaum Platz gibt. Das hat schon der Dokumentarfilm Was Männer sonst nicht zeigen – Geschichten aus der finnischen Sauna von 2016 demonstriert. Dort fingen die sonst wohl zur klischeehaften Rolle des großen Schweigers erzogenen Männer zu reden an, über Gefühle, seelische Wunden. Anna Hints legt nun aber mit ihrem Film implizit nahe, dass die Saunatradition auch eine matriarchale Wurzel haben muss. So frappierend sind die Beobachtungen, wie sich Frauen unter sich in der Schwitzhütte mit ihrer Körperlichkeit auseinandersetzen und sie aus dem Korsett misogyner Attribute befreien. Die Gespräche handeln von strengen, abweisenden Eltern, dem oft gehörten Urteil, nicht schön genug zu sein, vom sozialen Druck, einen Mann zu finden, vom Gebären, von Abtreibung, einem lesbischen Coming-Out. 

In der Hütte wird auch, wie der Name Rauchsauna verrät, geräuchert. Es hängen Schinken von der Decke. Manchmal ist es sehr dunkel, man hört zischenden Dampf, wenn eine Wasserkelle über heißen Steinen ausgegossen wird. Die Kamera nimmt die Füße, die Beine der Sitzenden ins Visier, eine Brust, einen Rücken, der von einer anderen Frau mit Birkenzweigen bearbeitet wird. Oft wird das Gesicht der Erzählenden gar nicht gezeigt, sondern das einer Zuhörerin, die versunken in den Raum blickt oder die Augen geschlossen hält. Es gibt füllige und schlanke Körper, die alle ihre natürliche Würde haben. Man wird sich dieser auf neue Weise bewusst, wenn die Frauen von einer überwundenen Krebserkrankung, von einer Totgeburt erzählen, oder wenn sie darüber lachen, wie sehr manche Männer auf ihren Penis fixiert sind. 

Der weibliche Zyklus, die Fähigkeit, Leben zu gebären, sich zu regenerieren, findet Analogien im Jahreskreislauf der umgebenden Natur. Die Frau, die die Sauna vorbereitet, hat im Winter ein Loch in die Eisdecke auf dem Teich geschlagen. Dort steigen die Frauen zur Abkühlung ins Wasser. Im Sommer schwimmen sie darin und legen sich nackt ins Gras – das sinnliche, befreiende Erlebnis, ein Teil der Natur zu sein, sich ganz im Hier und Jetzt zu spüren, wird von niemandem gestört. Das Gruppenerlebnis wird aber nicht als fröhliches Halligalli geschildert, als oberflächlich feministische Party. Gegen Ende des Films erzählt eine Frau, wie sie als Jugendliche vergewaltigt wurde. Indem sie ihr Trauma mitteilt, erschüttert es auch die anderen. Der Schmerz, dass es geschah und ungesühnt blieb, lastet schwer auf allen und lässt sich nicht einfach in Dampf auflösen. 

Regisseurin Anna Hints fügt der lediglich auf den Ort der Sauna beschränkten Handlung stimmungsvolle Inszenierungen hinzu. Im rauchigen Dampf vermischen sich die Ebenen der Realität und des Möglichen, die Gedanken geraten ins Schweben, um sich neu zu formen. Ab und zu verhüllt trüber Dampf oder Nebel das gesamte Bild, bis sich die schemenhafte Gestalt einer alten Frau herausbildet. Als Verkörperung einer Weisen, welche die Tradition überliefert, spricht sie über das Saunaritual, aber auch über die weiblichen Rollenerwartungen, die an sie gerichtet waren, die ihre Generation weitergab. In der Hütte bieten die Frauen auch den Geistern in Waschschüsseln Wasser an. Es gilt, die Verstorbenen zu ehren, die guten Anteile des kulturellen Erbes anzunehmen und vielleicht auch, ihren Segen zu erbitten für das eigene Tun. 

Die feministische Stimme aber bleibt wegweisend in diesem Parcours durch Empfindungen, Reflexionen, Wasser und Dampf. Anfangs ertönen raunende Stimmen, die mantra- oder hexenhaft Stärke beschwören, dann erklingt im Verlauf gelegentlich ein klagender Gesang ohne Worte. Zu den Sängerinnen gehört Anna Hints, die auch experimentelle Musik macht. Am Schluss stimmen die Anwesenden einen lauter werdenden Sprechgesang an, der den Schmerz austreiben soll. Das kluge Konzept dieses Films und seine sinnlichen Eindrücke bieten eine erhellende Erfahrung, die lange nachhallt.

Smoke Sauna Sisterhood (2023)

Inmitten der grünen Wälder des südwestlichen Teils von Estland liegt eine versteckte Dampfsauna, in der sich Frauen treffen, um dort ihre innersten Gedanken und Geheimnisse zu teilen. 

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Meinungen

Theresa Podsada · 15.11.2023

Triggerwarning from the filmmaker pls.