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Marjane Satrapi fühlte sich zu ihrem sechsten Langspielfilm von einer einschneidenden Erfahrung inspiriert. „Ich stand vor dem Tod und sagte mir: Wir müssen das Leben leben, solange wir noch Luft in der Lunge haben.“ Ihre Komödie siedelt sie in der Hauptstadt des Savoir-vivre an. 

Paris Paradies (2024)

Eine Filmkritik von Bianka Piringer

Der Tod kann warten

Was haben eine Opernsängerin, eine verzweifelte Teenagerin, ein Stuntman, eine Kettenraucherin und der Moderator einer True-Crime-Sendung gemeinsam? Erstens sehen sie sich zwar mit der eigenen Endlichkeit konfrontiert, zweitens leben sie jedoch in Paris, der Stadt der Liebe und Lebenslust. Aus der Krise zurück ins Licht, lautet die Zielrichtung in diesem leichtfüßigen, humorvollen Episodenfilm, mit dem die Regisseurin Marjane Satrapi („Persepolis“, „Marie Curie – Elemente des Lebens“) auch der Metropole an der Seine huldigt.

Die Opernsängerin Giovanna (Monica Bellucci) wurde für tot erklärt – ein peinliches Versehen. Denn als ihr Ehemann Rafael (Eduardo Noriega) in der Leichenhalle eintrifft, schallt ihm aus einem Schubfach Gesang entgegen. Kaum zurück unter den Lebenden, freut sich die alternde Diva nun auf die wunderbaren Nachrufe in den Zeitungen. Aber die traurige Wahrheit ist: Sie wurde von der Öffentlichkeit, ja selbst von ihrem früheren Bekanntenkreis längst vergessen. Der gefragte Dirigent Rafael (Eduardo Noriega) bleibt an ihrer Seite und bemüht sich aufrichtig, sie seelisch aufzufangen. Weil er Giovanna ein unpassendes Make-up für die letzte Reise aufgetragen hatte, verliert Fred, der eigentlich Badou (Gwendal Marimoutou) heißt, seinen Job beim Bestattungsunternehmen. Doch der fröhliche Mann landet beim Film, wo er dem Stuntman Mike (Ben Aldridge) die tägliche Maske verpassen soll. Prompt verliebt er sich in den Mann, der einen Sohn hat, vermutlich hetero ist und in eine berufliche Sackgasse gerät. 

Die nur lose miteinander verbundenen Episoden werden im Wechsel sehr kurzer Szenen aufgeblättert. Giovannas Geschichte ist zwar satirisch gewürzt wegen der Diva-Allüren, handelt aber vor allem anrührend von der Kraft einer liebevollen Ehe. Auf der Geburtstagsfeier der Tochter ihrer Haushälterin begegnet Giovanna der exaltierten spanischen Großmutter Dolorès. Die von Rossy de Palma gespielte, passionierte Raucherin tröstet sie erst, dann richtet sie ihre Worte an Gott, um eine Verlängerung ihres eigenen Lebens auszuhandeln. Mit der herrlich witzigen Gebetsszene feiert Satrapi das Universum Pedro Almodóvars

Worauf es im Leben letztlich ankommt, sind Stil und Würde, sagt der Fernsehstar Edouard (André Dussollier) dem Publikum in seiner Abschiedssendung. Dussollier verkörpert mit natürlich anmutender Eleganz den Pariser Grandseigneur. Diese Rolle und sein Darsteller heben das Niveau des ganzen Films. Nicht alle Episoden und Nebenhandlungen erweisen sich als so spannend. Manche sind eher überflüssig, wie jene mit dem Barmann, der in der Trauer um seine Frau festhängt.

Nicht nur schwarzhumorig, sondern auf gewagte Weise makaber wird es in der Episode um die Teenagerin Marie-Cerise (Charline Emane). Im Netz kursiert ein Video, das sie in ihrer Intimsphäre verletzt. In Depression versunken, will sie sich in die Seine stürzen, doch just in dem Moment entführt sie ein sadistischer Triebtäter. Ein Hauch schelmischer Leichtigkeit begleitet diese Episode von Anfang an, um ihre Schwere zu kontrastieren und eine überraschende Wendung anzukündigen. Hier kommt Satrapis feministische Haltung so richtig in Schwung.

Neben der hochkarätigen Besetzung ist auch die Musikauswahl sehr attraktiv. Pascal Lengagne steuert je nach Episode oder Situation melancholische, fröhliche, zarte oder beschwingte Melodien verschiedener Stilrichtungen bei. Satrapi selbst ist als Sängerin des Abspannlieds zu hören. Da es in den Geschichten weniger um Romantik, als um die generelle Bedeutung menschlicher Begegnungen geht, fehlt dem Film jedoch die flirrende Atmosphäre. Satrapi packt zu viele kleine Anekdoten und Beobachtungen hinein, die zur Spannung nichts Nennenswertes beitragen und die originelleren Aspekte der Geschichten eher verwässern. Eine Komödie, die hübsch anzuschauen, aber nur milde unterhaltsam ist.

Gesehen auf dem Filmfest München.

Paris Paradies (2024)

Die ehemals gefeierte Opernsängerin Giovanna (Monica Bellucci) wurde irrtümlich für tot erklärt und wartet nun ungeduldig darauf, dass ihr Vermächtnis von der Presse ausgiebig gewürdigt wird. Zur gleichen Zeit wird die Teenagerin Marie-Cerise (Charline Emane) genau in dem Moment, als sie sich von einer Brücke stürzen möchte, gekidnappt. Sich mit der eigenen Endlichkeit auseinander zu setzen — dieses Schicksal verbindet fünf Menschen in Paris. Und sie alle stehen vor der gleichen schwierigen Aufgabe: Sie müssen erkennen, wie schön und wichtig es ist, das Leben zu lieben.

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