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Rapid Eye Movies bringt im Rahmen seiner „Zeitlos“-Kinoreihe mit „Battles Without Honor and Humanity“ eines der ganz großen Meisterwerke des japanischen Yakuza-Kinos erstmalig auf die deutschen Kinoleinwände.

Battles without Honour and Humanity (1973)

Eine Filmkritik von Moritz Henze-Jurisch

Insbesondere in der westlichen Welt wird Kinji Fukasakus Name auf ewig mit seinem Spätwerk „Battle Royale“ (2000) verbunden sein. In diesem äußerst brutalen und staatlich geförderten Todesspiel einer japanischen Schulklasse verarbeitete der Regisseur seine eigenen traumatischen Kindheitserfahrungen aus dem Zweiten Weltkrieg. „Battle Royale“ war Fukasakus letzter Film (er verstarb während der Dreharbeiten zu „Battle Royale 2: Requiem“) und auch sein einziger internationaler Erfolg. Zu Unrecht – denn wirft man einen intensiveren Blick auf Fukasakus Filmographie warten dort insbesondere in den 1970er Jahren eine ganze Reihe von hervorragenden Yakuza-Filmen auf ihre verdiente (Neu-)Entdeckung. Zweifelsohne das größte Highlight: „Battles Without Honour and Humanity“.

Kriminalität und Gewalt prägen Japan nach Ende des Zweiten Weltkrieges. Die Polizei ist macht- oder willenlos, das herrschende Chaos einzudämmen. Verschiedene Gangsterclans (Yakuza) beherrschen die Straßen und führen eine Vielzahl an illegalen Geschäften. Der Kriegsheimkehrer Shozo Hirono (Bunta Sugawara) gerät zwischen die Fronten des Doi und Yamamori-Clans. Er muss entscheiden, welchem Clan seine Loyalität gilt – nur um zu lernen, dass es zwischen Gangstern so etwas wie Ehre nicht gibt.

In den 1960ern löste der Yakuza-Film in Japan nach und nach den Samurai-Film ab, indem er einige seiner Themen in die Gegenwart versetzte. Der Protagonist war nun kein edler Samurai mehr, aber zumindest noch ein ehrenvoller Gangster, dessen Konflikt häufig daraus bestand, sich zwischen seiner Loyalität zu seinem Yakuza-Clan und seinen eigenen persönlichen Gefühlen entscheiden zu müssen. Wie sein Titel schon unsubtil ankündigt, ist diese Ära der Ehre in Battles without Honour and Humanity jetzt endgültig vorbei. Die Yakuza sind keine respektvollen Clans mehr, die nach einem Ehrenkodex leben, sondern brutale Gangster, denen nur der eigene Profit wichtig ist.

Die Zuschauenden werden bereits in den ersten Minuten des Films mit diesem anarchischen Chaos konfrontiert. Die hektische Handkamera wirbelt scheinbar unkontrolliert umher, während Menschen aufeinander einschlagen und stechen. Diese rücksichtlose Energie scheint nahezu von der Leinwand zu springen und beschwört eine apokalyptische Kraft, die sehr gut zu einem der tragischen Schauplätze des Films, Hiroshima, passt.

Im weiteren Verlauf der Handlung entspinnt sich dann ein kompliziertes Netz aus Figuren zweier Yakuza-Clans, die sich alle früher oder später hintergehen und/oder ermorden. Zwar gibt es mit Shozo Hirono eine Art Hauptprotagonist, im Mittelteil des Films rückt dieser aber auch in den Hintergrund, und der unübersichtliche Machtkampf der Yakuza-Clans bestimmt den weiteren Plotverlauf. Dabei ist es im Übrigen auch völlig okay, wenn man irgendwann nicht mehr ganz mitkommt, wer jetzt eigentlich gerade wen und warum ermordet hat – das bildliche Chaos des Films überträgt sich so passenderweise auch auf die Handlungsebene.

Als besonderes inszenatorische Mittel „pausiert“ sich der Film beim Tod einer wichtigen Figur und blendet Namen, Rang und zugehörigen Yakuza-Clan des gerade Verstorbenen ein, während die schrille Titelmusik kurz erklingt. Dieser erzählerische Kniff gibt dem Film etwas dezent Dokumentarfilmhaftes. Tatsächlich basiert Battles without Honour and Humanity auf einer Zeitungsartikelserie, die einen realen Yakuza-Krieg in Hiroshima zwischen 1950 und 72 aufarbeitete.

Diesem Bezug auf reale Ereignisse ist es vermutlich zu geschuldet, dass sich die Handlung von Battles without Honor and Humanity stellenweise wie eine scheinbar unkontrollierte Abfolge von Ereignissen anfühlt. Dieser Umstand kann nach heutigen Sehgewohnheiten in Kombination mit der sehr rohen Gewalt des Films abstoßend wirken, er macht ihn aber auch zu einer einmaligen Seherfahrung, die dank der meisterhaften Inszenierung von Kinji Fukasaku auch heute nichts von ihrer Wucht verloren hat.

Battles without Honour and Humanity (1973)

Das Nachkriegs-Japan liegt in Trümmern. Gewalt und Kriminalität sind an der Tagesordnung, der Schwarzmarkt blüht. Weder die amerikanischen Besatzer noch die japanische Polizei vermag für Recht und Ordnung zu sorgen – es sind die Yakuza, die die Straße fest im Griff haben. Um einen Freund zu rächen, ermordet der junge Kriegsheimkehrer Shozo Hirono einen Yakuza und kommt ins Gefängnis. Dort schließt er Blutsbrüderschaft mit einem Yakuza des Doi-Syndikats. Wieder auf freiem Fuß wird er Mitglied im Yamamori-Syndikat. Als es zum Streit zwischen den Doi und den Yamamori kommt, ist der Grundstein für den längsten und blutigsten Yakuza-Krieg Japans gelegt.

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