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Breaking The News: Presse und Wahrheit im Film

In populistischen Zeiten befindet sich der Journalismus zunehmend in einem Spannungsfeld zwischen seinem idealistischen Anspruch und seiner Warenform. Ein komplexes Problem. Um ihm näher zu kommen, besprechen wir Filme, die sich damit auseinandersetzen.

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News

Guter Journalismus ist ein Kampf um die Wahrheit. Die erschreckenden Bilder aus Vietnam haben die Proteste gegen den Krieg in den 60er-Jahren massiv befeuert. Der Krieg hatte plötzlich Gesichter, war nicht länger ein abstrakter Einsatz gegen einen Feind. Der amerikanische Feldzug gegen die Vietcong war der erste derart medial begleitete Krieg, und diese Einbettung in einen beobachtenden Blick veränderte das Waffenarsenal der Regierungen und Militärs. Es galt nicht mehr bloß, den Feind zu kontrollieren. Auch musste fortan die Zirkulation der Bilder, die Berichterstattung im Auge behalten werden: Nachrichten sind seitdem zunehmend auch eine Waffe geworden. 

Alex Garlands Civil War handelt auch davon. Der Film erzählt nicht einfach vom Zusammenbruch der USA und einem Bürgerkrieg, in dem die Grenzen zwischen Freund und Feind ständig neu gezogen werden. Es geht auch um den Wert und den Unwert der Kriegsberichterstattung. Die Journalist:Innen müssen sich mit der Frage auseinandersetzen, ob sie nicht selbst ein Teil jener gewaltvollen Dynamik geworden sind, die ganze Landstriche verwüstet und Menschen in den Tod reißt. Schließlich ist man immer auch auf der Suche nach dem einen Foto und der großen Story. Und schließlich tauchen auch Kolleg:Innen auf, die als sogenannte Embedded Journalists mit dem jeweiligen Militär reisen und die Wahrheiten innerhalb einer bestimmten Rahmung konstruieren.

Diese Spannung aus idealistischem Anspruch des Journalismus und seiner Warenform hat es immer schon gegeben. In unseren populistischen Zeiten und der digitalen Gegenwart, mit ihren Liveticker-Strömen und Handykameras, gewinnt dieser Konflikt ein ganz eigenes Gewicht. Von welcher Öffentlichkeit sprechen wir? Lebt die Aufmerksamkeitsökonomie der sozialen Medien nicht von der Erregung, dem Schock und Skandal? Vernachlässigen wir die tiefer liegenden, verdeckten Strukturen gegenüber dem eindeutigen Bild? 

All diese Fragen können wir an dieser Stelle als Filmmagazin selbstverständlich nicht lösen. Daher lassen wir im Folgenden jene Filme sprechen, die sich auf die eine oder andere Weise mit den hier aufgeworfenen Problemen beschäftigen. 

Nightcrawler

Es muss krass sein. Alles, was knallt, verkauft sich besser. Der Kleinkriminelle Louis (Jake Gyllenhaal) lernt dies schnell. Als ihm die Mitarbeit in einem Reporterteam versagt bleibt, beginnt der labile Mann allein auf die Jagd nach den Bildern der Nacht zu gehen, hört den Polizeifunk ab, um möglichst schnell die ersten News zu Unfällen, Mord und Raub zu präsentieren. Dabei geht er mit allergrößter Rücksichtslosigkeit vor, übertritt sämtliche ethisch-moralischen Grenzen und gerät in ein Katz-und-Maus-Spiel mit einem Mörder. Dessen Identität hat er den Behörden vorenthalten, weil ein Killer in Freiheit eben verdammt gutes Material verspricht.

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Nightcrawler wirkt wie eine Kreuzung aus dem Kino von Brian De Palma und David Lynch: dunkel, verführerisch und rätselhaft ist dieser abgründige Thriller, der dem Paradigma der Sensationsgier ein Gesicht verleiht. Regisseur Dan Gilroy hat eine Variation des belgischen Klassikers Mann beißt Hund gedreht. Dort begleitete ein Kamerateam einen Serienkiller, mit allen erdenklichen Folgen. In Nightcrawler ist der Nachrichtenjäger selbst das Zentrum des Films, die graue Kehrseite der abgrundtiefen Seele des Mörders, dessen Komplize er wird, weil er ihn als eine Ware begreift. Die ruchlose Fernsehredakteurin Nina (Rene Russo) ist dabei so etwas wie die Schwester des Fernsehmachers aus David Cronenbergs Videodrome, der ebenso von der Lust der Medien auf Gewalt und Grenzüberschreitung handelt.

Wenn wir den Rahmen ein wenig erweitern und uns vergegenwärtigen, wie sehr der Wert von Nachrichten und Texten von Clicks abhängt, wird deutlich, wie sehr diese eskalative Spirale bereits in der Funktionsweise des Journalismus angelegt ist. Ein Kandidatenduell mit einem Faschisten wie Björn Höcke ist da lediglich eine weniger blutige Spielart als die zynischen Züge von Louis. Beunruhigend. 

Sebastian Seidler       

France

Journalist*innen sollten keine Stars sein müssen. Ruhm und Auszeichnungen können den Schreib- oder Fotografiestil verändern, hin zu Reißerischem, Dramatisiertem oder gar Erfundenem. Journalist*innen mussten deshalb auch klassischerweise keine Reichweite mitbringen oder selbst gut vor einer Kamera agieren können. Die Reichweite hatte die Zeitung, in Form ihrer Abozahlen und Kioskverkäufe, und die Journalist*innen mussten lediglich gute Arbeit leisten.

Nun leben wir aber in einer Zeit der Gesichter und der parasozialen Beziehungsangebote. Statt Zeitungen müssen zunehmend einzelne Online-Beiträge verkauft werden, und am besten helfen die Autor*innen dabei, indem sie sich ein Social-Media-Gefolge aufbauen. Journalist*innen sind mehr und mehr gezwungen, doch Stars zu sein.

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Somit kommt dann auch Bruno Dumonts tragische Satire France daher wie eine neue Version der vielen Aufstieg-und-Fall-eines-Stars-Geschichten. Klar, mit Fernsehjournalist*innen verhielt es sich schon immer ein bisschen anders. Wie der Film aber ausgerechnet eine Kriegsreporterin namens France de Meurs (Léa Seydoux) zum Gegenstand öffentlichen Interesses erklärt, deutet auf eine Ausweitung des Starbegriffs hin und auf eine Normalisierung von Kriegsbildern, gar einen daraus entstehenden Drang, immer näher dran zu sein. Es ist nicht wie in Civil War der Job, der France psychisch zusetzt, sondern vor allem das Ausschlachten ihres Privatlebens. Wie tickt wohl eine Kriegsreporterin? Dumonts Inszenierung zwingt uns so nah an die Protagonistin heran, dass wir in die Position der Regenbogenpresse rutschen und die Beantwortung dieser Frage sich zunehmend unangenehm und voyeuristisch anfühlt.

Beim Versuch, sich ganz in die Arbeit zu flüchten, wird France schließlich der Fabrikation von Bildern überführt. Die Flüchtenden, mit denen sie für eine Reportage scheinbar im Boot saß, waren Schauspielende. Das zeigt: Der Drang nach Bildern, die besonders nah dran sind führt nicht zwingend zu wahren oder lehrreicheren Bildern. Auch Dumont selbst betrügt übrigens sein Publikum: Die Eröffnungssequenz, in der die Figur France den realen Präsidenten Emmanuel Macron trifft, ist ein Deepfake.

Mathis Raabe

The Newsroom

Da ist immer diese Hürde, diese kleine Mauer, über die man klettern muss, wenn man sich an eine neue Serie wagt. Lohnt es sich – vor allem hinten raus – Stunden um Stunden seiner Zeit da reinzustecken? Im Falle von The Newsroom gibt es zwei gute Nachrichten: Erstens ist die HBO-Produktion in schlanken drei Staffeln mit insgesamt 25 Folgen auserzählt, und zweitens kann man schon nach den ersten fünf Minuten sehr gut abschätzen, ob das hier den eigenen Geschmack trifft.

In denen sitzt der Nachrichtenmoderator Will McAvoy (Jeff Daniels), frustriert und gelangweilt von seinem Job, bei einem Q&A und wird gefragt, warum die USA das großartigste Land der Welt seien. Und spricht in einem dieser typischen Aaron-Sorkin-Maschinengewehr-Monologe all die Probleme Amerikas an – von der Waffengewalt über den Rassismus bis zum Bildungssystem –, nur um zu dem Schluss zu kommen: Es sei nicht das großartigste Land, könnte es aber sein.

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Wem diese übermenschliche Rhetorik samt einer Extraportion Pathos nicht zusagt: abschalten. Wer jedoch dranbleibt, erlebt, wie sich McAvoy und sein Team entgegen allen wirtschaftlichen Zwängen vom TV-Sensationsjournalismus abwenden, alles auf die Karte der kritischen Investigativarbeit setzen, dabei sowohl die amerikanische Linke als auch (noch ein bisschen mehr) die Rechte immer wieder auf die Probe stellen und vernunftgeleitetes Handeln und demokratische Werte verteidigen. The Newsroom verhandelt das Thema der Verantwortung des Journalismus in einer immer populistischeren Welt über etliche (Sub-)Plots hinweg. Es geht um Whistleblowing, den Einsatz von Chemiewaffen durch die US-Streitkräfte, den richtigen Zeitpunkt für und die Wasserdichte von Storys. Und vor allem: um die Frage der Haltung.

Denn kann von Menschen gemachter Journalismus überhaupt der Norm der Objektivität gerecht werden, und falls ja: wie? Muss er wirklich allem kritisch begegnen, beide Seiten in gleicher Weise zu Wort kommen lassen, auch wenn sich eine abseits demokratischer Werte bewegt? Sollten wir das immer wieder falsch kontextualisierte Zitat von Hanns Joachim Friedrichs, dass sich der Journalismus auch mit einer guten Sache nicht gemein mache, vielleicht nicht als das Maß der Dinge betrachten? In diesem Konfliktfeld hadern die Figuren immer wieder mit sich selbst und ihrer Arbeit, und das macht The Newsroom nicht nur zu einer verdammt unterhaltsamen, sondern auch verdammt cleveren Serie.

Christian Neffe

Mann beißt Hund

Die Faszination für reale Gewalt und die Menschen, die nah dran sind, ist freilich älter als die heutige Präsenz von Gewaltbildern durch Smartphones und soziale Medien. Das zeigt die uralte Obsession von Gesellschaften mit ihren Schwerverbrechen. Derrida beschrieb das Phänomen 1989 in einem Vortrag als Verehrung für „Individuen, die wie in primitiven Zeiten das Stigma des Gesetzgebers oder des Propheten auf sich nehmen.“

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Vor allem Serienmörder haben nicht nur preisgekörnte Hollywood-Killer inspiriert, sondern auch Fluten von Fanpost in ihre Zellen geliefert bekommen. Manifeste, Gefängnisgarderoben und andere sogenannte „Murderabilia“ kann man für seine Wohnzimmervitrine ersteigern. Die sichere Entfernung, aus der Menschen so in den Abgrund zu blicken versuchen, wird in der belgischen Mockumentary Man beißt Hund von 1992 aufgelöst, die den „Alltag“ eines Serienmörders begleitet.

Wenn dieser Serienmörder (Benoît Poelvoorde) über den Sinn des Lebens philosophieren oder seine Familie vorstellen darf, macht sich das Filmteam bereits zu PR-Gehilfen. Später werden sie zu Mittätern. Der Film lässt sich als Satire aufs Reality-TV verstehen, hat aber auch als Journalismuskritik in 30 Jahren nicht an Schlagkraft verloren: Die Abbildung von Gewalt, vor allem eine unkritische, kann auch selbst Gewalt produzieren. Wer der großen True-Crime-Nachfrage nachkommen will, muss seine Haltung zum Besprochenen dabei gut reflektieren.

Mathis Raabe

La chispa de la vida

Der spanische Regisseur Álex de la Iglesia ist nicht gerade bekannt als sonderlich feinfühlig, sondern langt gerne plakativ hin. So auch in seinem Film La chispa de la vida aus dem Jahre 2011, der damals zwar auf der Berlinale lief, dann aber den Weg in die deutschen Kinos leider nicht schaffte.

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In seinem Film schickt de la Iglesia den Ex-Werber Roberto einmal durch die Hölle und wieder zurück: Einst erfand er einen Slogan für Coca-Cola, doch die glorreichen Tage sind längst gezählt, und heute will niemand in seiner früheren Agentur mehr etwas von ihm wissen. Doch dann hat er Glück im maximalen Unglück: Nach einem Unfall findet er sich zwar lebend, aber buchstäblich aufgespießt in aussichtsloser Lage wieder und wird zu einer Mediensensation, was er selbst auch noch befeuert, um so das schnelle Geld für seine Familie zu machen – wissend, dass er das alles nicht überleben wird.

Sensationsgier und die medialen wie psychischen Verheerungen, die Reality TV in den Köpfen und Seelen der Menschen angerichtet haben, sind die Hauptlaster in dieser grellen Satire, die gnadenlos immer weiter auf das unvermeidliche Ende zu eskaliert. Und mittendrin ein Mensch, der angesichts des eigenen Todes den letzten Strohhalm ergreift, um aus dem ausbeuterischen System noch ein wenig Geld für die eigene Familie herauszupressen. Niederschmetternd!

Joachim Kurz

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