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In „IF: Imaginäre Freunde“ verrät uns John Krasinski, was mit den erdachten Wesen unserer Kindheit geschieht, sobald wir sie als Erwachsene vergessen.

If: Imaginäre Freunde (2024)

Eine Filmkritik von Andreas Köhnemann

Can You See Me?

Der bis dato bekannteste imaginäre Freund der Filmhistorie dürfte wohl der titelgebende, mehr als zwei Meter große Hase aus der Fantasy-Tragikomödie „Mein Freund Harvey“ (1950) sein, mit dem James Stewart auf zauberhafte Weise interagiert. In „IF: Imaginäre Freunde“ wird auf den Hollywood-Klassiker verwiesen, der in einer Sequenz im Fernsehen läuft. Jüngst diente das Motiv eines nur in der Vorstellung existierenden Gefährten in „Imaginary“ als Stoff für einen Horrorfilm. John Krasinski, der als Drehbuchautor und Regisseur mit „A Quiet Place“ (2018) und dessen Sequel ebenfalls über Erfahrung in diesem Genre verfügt, beruft sich in seinem neuen Werk hingegen vor allem auf das übersinnliche Adoleszenzkino im Stil von „E.T. – Der Außerirdische“ (1982).

Erzählt wird von der 12-jährigen Bea (Cailey Fleming), die ihre Mom (Catharine Daddario) früh durch eine Krebserkrankung verloren hat. Nun kommt ihr Dad (verkörpert von Krasinski) wegen eines Eingriffs am Herzen ins Krankenhaus – und Bea muss vorübergehend bei ihrer Großmutter (Fiona Shaw) in New York City wohnen. Zufällig wird sie auf den Nachbarn Cal (Ryan Reynolds) aufmerksam, der mit einigen wundersamen Gestalten in Verbindung steht, etwa mit dem lilafarbenen Plüschgiganten Blue und mit der zierlichen Schmetterlingsdame Blossom, die stets ein Ballett-Outfit trägt und eine Vorliebe für Tee hegt.

Bald stellt sich heraus, dass Cal eine Vermittlungsagentur für verlassene IFs betreibt – für imaginäre Freund:innen, die einst von Kindern erdacht wurden, dann aber in Vergessenheit gerieten, als deren Schöpfer:innen erwachsen wurden. Bea soll dabei helfen, neue Kinder zu finden, die mit den Eigenschaften und Fähigkeiten der IFs übereinstimmen. Doch ist dies der richtige Weg, um alle glücklich zu machen?

Krasinskis Werk überzeugt auf mehreren Ebenen. Zum einen schildert er einfühlsam eine Familiengeschichte. So versucht Beas Vater unermüdlich, die traurige und beängstigende Lage mit kreativen Scherzen aufzufangen. Die Liebe zwischen Vater und Tochter ist durchweg zu spüren. Und auch Beas Großmutter bleibt nicht nur Stichwortgeberin, sondern erhält ihre eigene Backstory. Die magischen Elemente, die allmählich in den Film vordringen, treffen dadurch auf eine bodenständige, glaubhaft ausgestaltete Welt, in deren Zentrum das Nachwuchstalent Cailey Fleming glänzt.

Zum anderen beweist Krasinski den nötigen Einfallsreichtum, um uns den Kosmos der IFs einnehmend zu präsentieren. Die Wesen, die in der Originalversion u.a. von Steve Carell, Phoebe Waller-Bridge und Louis Gossett Jr. und in der Synchronfassung etwa von Rick Kavanian und Christiane Paul gesprochen werden, leben verborgen in einem heruntergekommenen Freizeitpark; ihre Wohnsituation erinnert an ein Heim für Rentner:innen. Zu den IFs zählen eine Sonnenblume, ein kleiner Roboter, eine Maus, ein giftgrüner Blob, eine agile Holzpuppe, ein roter Gummibär, ein tapsiges Einhorn, eine Seifenblase, ein Eiswürfel in einem Glas mit Armen und Beinen und ein alter Teddy. All diesen Kreaturen wird eine Seele verliehen.

Während etliche Werke, die an die Kraft der Phantasie appellieren wollen, zu CGI-Gewittern verkommen und ihre eigene Botschaft damit eher konterkarieren, wirkt die Message hier stimmig. Ohne Hektik, billige Gags oder Kitsch fordert der Film uns auf, unser Vorstellungsvermögen auch im Erwachsenenalter nicht zu verlieren. Dies ist gewiss keine bahnbrechend neue Erkenntnis; sie wurde im Blockbuster-Kino aber schon längere Zeit nicht mehr so schön und unaufgeregt vermittelt.

If: Imaginäre Freunde (2024)

„If: Imaginäre Freunde“ erzählt die magische Geschichte eines jungen Mädchens, das sich auf eine einmalige Reise begibt und dabei ihre Vorstellungskraft wiederentdeckt. Mit der Hilfe eines Nachbarn taucht sie ein in die unglaubliche Welt der imaginären Freunde, kurz: IFs.

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