Log Line

Im dunklen Leichenhaus will Emma dem Schicksal des Todes ihrer Mutter auf den Grund gehen. Die blutrünstigen Morde verfolgen die Familie in dieser dänischen Fortsetzung von den 1990er in das Hier und Jetzt. 

Nightwatch: Demons Are Forever (2023)

Eine Filmkritik von Niklas Michels

Generationstrauma

Der dänische Film „Nightwatch – Demons Are Forever“ führt die Mordgeschichte „Nightwatch“ (1994) nach drei Dekaden weiter. Und genau darum geht es in diesem Film auch: ein Sprung in die Gen-Z. Diese wird nun von demselben Schatten heimgesucht wie ihre Eltern in den 1990ern. Anstelle ambienter Fußstapfen sind Szenen nun mit aus Bluetooth-Boxen stammender Musik unterlegt, wenn ein Serienmörder die Medizinstudierenden heimsucht. 

Emma (Sonja Richter) erfährt mit einem flüchtigen Blick auf einen Zeitungsartikel, was den Suizid ihrer Mutter ausgelöst hat. Vater Martin (Nikolaj Coster-Waldau) redet seit dem Tod kaum mit ihr. Um der Sache auf den Grund zu gehen, bewirbt sie sich bei derselben Stelle wie ihre Eltern als Nachtwächterin im Leichenhaus. Diesem Szenario wohnt inhärent etwas Unheimliches inne. Die Home Invasion ist quasi schon geschehen, die potenziellen Geister um sie herum platziert. Doch der Film geht nicht den plakativen Weg, diese Fallhöhe auszureizen, wie zum Beispiel der uninteressante The Possession of Hannah Grace (2018). Nightwatch ist kein Horrorfilm, badet sich aber gerne in dieser Ästhetik. Stattdessen dringt ein Serienmörder in das leichenbestückte Szenenbild ein – Nightwatch ist durch und durch ein Thriller. 

Aber irgendwoher kennt man diesen überspitzten Final-Girl-Fetischismus doch. Halloween. Die schützende Hand von Jamie Lee Curtis in den späten Halloween-Remakes, Halloween Kills (2021) und Halloween Ends (2022), ähneln ungemein den besorgten Gesichtsausdrücken von Vater Martin. Ganz unbewusst ist das dem Film jedoch nicht: Eine Michael-Myers-Maske ziert zeitweise das Gesicht des/der Mörder/Mörderin. So muss Emma nun das angestaute Generationentrauma ausbaden. Dabei verflechtet sich nicht nur die narrative Gegebenheit, sondern es geht unglaublich viel um Gene, die Emma in der Geburten-Lotterie gewonnen hat. Der Fakt, dass ihre Mutter nach der traumatischen Heimsuchung im ersten Teil Suizid begangen hat, wird zur Chekhov’s-Gun’schen Vorahnung, die wie ein böses Omen über ihr schwebt. Die Gene, die in ihr schlummern, werden Teil des Schicksals. Die Frage „Werde ich auch Suizid begehen?“ wird albern häufig diskutiert. 

Doch in der Prämisse schlummert ein Problem für das internationale Publikum. Nightwatch (1994) dürfe sicher ein Klassiker des dänischen Kinos sein, doch (gerade ohne die Markierung als Fortsetzung im Titel) werden sich viele unwissende Zuschauende plötzlich in einem zweiten Teil wiederfinden, der immer wieder Vorwissen verlangt. Die grotesken Ausdrücke der Angst in den Gesichtern der Protagonist*innen sind so lediglich Vertrauensvorschüsse – der Film löst sie nicht immer ein. Ebenso sind einige der Schauspieler*innen des Originals aus ihrer Rolle gewachsen; die Performance von Nikolaj Coster-Waldau als abgehalfterter Vater ist im besten Fall halbherzig und im schlechtesten Fall unglaubwürdig.

Es gibt eine Reihe von Krimi- und Thriller-Filmen, die den inflationär verwendeten Begriff der „Banalität des Bösen“ von Hannah Arendt verkörpern, zum Beispiel Memories of Murder (2003) oder Spurlos (1993). Sie dekonstruieren den Mythos ihres Killers. Nightwatch geht den anderen Weg und kreiert einen durch und durch genrelastigen Film, den jeder Fan von schnellen Herzschlägen und Spannung im Kino genießen kann. Außer einigen Nebenschauplätzen an Kritik ist Nightwatch – Demons Are Forever ein gelungenes Genreperlchen.

Nightwatch: Demons Are Forever (2023)

Nicht ohne Grund hat sich Medizinstudentin Emma (Fanny Leander Bornedal) um die Stelle als Nachtwächterin im forensischen Institut Kopenhagen bemüht. Endlich ist sie an dem Ort, an dem einst ihre Eltern (Nikolaj Coster-Waldau und Sofie Gråbøl) nur knapp dem Serientäter Wörmer (Ulf Pilgaard) entkamen. Von ihrem neuen Job erhofft sie sich, den traumatischen Ereignissen auf die Spur zu kommen, die tiefe Narben in ihrer Familie hinterlassen haben. Als Emmas Nachforschungen ergeben, dass der tot geglaubte Mörder lebt, klammert sich die junge Frau obsessiv an den Gedanken, den Psychopathen endlich zur Rede stellen zu können. Sie ahnt jedoch nicht, welche Verkettung grausamer Ereignisse sie in Gang setzt …

  • Trailer
  • Bilder

Meinungen