Die letzten Glühwürmchen

Donnerstag, 30. April 2015, 3sat, 22:25 Uhr

Eine Filmkritik von Marie Anderson

Bereits der Beginn dieses legendären japanischen Antikriegsfilms im Zeichentrickformat nimmt mit unsagbarer Tristesse das tragische Ende der Geschichte nach der teilweise autobiographischen Novelle Das Grab der Leuchtkäfer von Akiyuki Nosaka vorweg: Der 14-jährige Seita, der in Die letzten Glühwürmchen als Erzähler sozusagen posthum sein schreckliches Schicksal seziert, verendet einsam und erbärmlich auf dem Boden einer Bahnhofshalle. Nach dieser entsetzlichen Einführung erfährt der Zuschauer im Rahmen dieser poetischen, doch zutiefst grausamen und realistischen Tragödie vor dem Hintergrund des Zweiten Weltkriegs von den näheren Umständen des Leidenswegs zweier verlassener Kinder, deren tapferer Überlebenskampf letztlich scheitert.
Es ist der jugendliche Seita, der noch rasch ein paar Dinge im Garten vergräbt, ein Porträt seines Vaters einpackt und sich seine vierjährige Schwester Setsuko auf den Rücken bindet, um gemeinsam mit ihr in Windeseile das Haus zu verlassen, während seine herzkranke Mutter angesichts des Fliegeralarms schon unterwegs zu einer Schutzstelle ist. 1945, im letzten Jahr des Zweiten Weltkriegs, wird auch die japanische Hafenstadt Kōbe von den US-Amerikanern bombadiert, und während die Mutter schließlich an schwersten Verletzungen verstirbt, können ihre Kinder durch die brennenden, später zerstörten und von Leichen gesäumten Straßen hindurch zunächst entkommen. Erst einmal kommen sie bei einer Tante unter, doch dieser Unterschlupf ist nur von kurzer, fragiler Dauer. Dann sind sie allein.

Von nun an überleben die Geschwister außerhalb der Stadt in einer ländlichen Gegend an einem kleinen See in einer höhlenartigen Unterkunft, die sie sich notdürftig herrichten. Nicht selten sind es die dort zahlreich umherschwirrenden Glühwürmchen, deren Lichtimpulse besonders für die kleine Setsuko einen temporären Trost darstellen. Doch dass auch diese Leuchtkäfer rasch sterben, findet das kleine Mädchen bald heraus, wie sie auch bereits weiß, dass ihre Mama tot ist, trotz der Umsicht ihres Bruders, diese endgültige Erkenntnis noch von ihr fern zu halten. Seita kümmert sich rührend um seine kleine Schwester, doch der Krieg und seine Bedrohungen dauern fort, Nahrung ist überall knapp, und trotz kleiner Diebstähle reicht es nur zum Nötigsten, bis Setsuko krank wird ...

Zum Abschluss der Themenwoche "Der Krieg mit den Augen der Kinder" vom 26. bis zum 30. April, mit Dokumentationen und Spielfilmen speziell zu diesem extrem schwerlastigen und bedrückenden Aspekt von Kriegsgeschichte und ihren traumatisierenden Folgen gerade für die jungen Menschen, präsentiert 3sat den Studio Ghibli Anime Die letzten Glühwürmchen von Isao Takahata (Die Legende der Prinzessin Kaguya) als ganz besonders bewegenden Beitrag von geradezu zeitloser Brisanz. Dieses gleichermaßen sanfte, schwelend intensive, feinfühlig inszenierte und doch in seinem brutalen Realismus erschreckend pointierte Plädoyer gegen den alltäglichen Wahnsinn des Krieges transportiert die Verzweiflung und Ohnmacht von Kindern in dieser Situation mit einer emotionalen Wucht, die schlichtweg sprachlos macht und Raum für stille Trauer schafft.

Quelle: www.kino-zeit.de/film-kritiken-trailer-streaming/die-letzten-gluehwuermchen