Tastenarbeiter – Alexander von Schlippenbach (2023)

Die Liebe zum Free Jazz

Eine Filmkritik von Johannes Witt

Alexander von Schlippenbach ist eine der Institutionen des europäischen Free Jazz. Seit seinem achten Lebensjahr erhielt er Klavierunterricht, nach seinem Studium der Komposition an der Hochschule der Musik Köln gründete er mit 28 Jahren das Globe Unity Orchestra, das noch heute unter seiner Leitung aktiv ist. Regisseur Tilman Urbach widmet ihm nun einen Dokumentarfilm.

Urbach, der selbst unter anderem als Musikkritiker für Jazz thing und Fono Forum arbeitet, zeichnet in Tastenarbeiter – Alexander von Schlippenbach ein feinfühliges Portrait seines titelgebenden Protagonisten, der auch nach Jahrzehnten des Schaffens auf dem Zenit des künstlerischen und kreativen Arbeitens noch immer bereit ist, Neues zu kreieren.

Als Sohn eines preußischen Adelsgeschlecht, deren Mitglieder in erster Linie hohe Beamte und Militärs waren, wuchs von Schlippenbach als Flüchtlingskind in Bayern auf. Sein Vater erwartete von ihm, einen respektablen, gut bezahlten Beruf zu erlernen. Entsprechend hielt sich seine Begeisterung bei der Entscheidung seines Sohns, Musiker zu werden, in Grenzen. Dieser emanzipierte sich jedoch durch seine Liebe zum Free Jazz nach und nach von seinem Umfeld. Eben dieser Emanzipation, aber auch Rebellion verleiht er in seiner Musik Ausdruck. 

Diese spielte in ihrer Natur auch eine Rolle in der 68er Bewegung, repräsentierte durch die Gleichberechtigung der Instrumente die demokratischen Ideen. Auch wenn das nie das direkte Ziel von Schlippenbachs und Co. war, da man nach eigener Aussage viel zu beschäftigt mit der Musik war.
In der Dokumentation folgt man neben Alexander von Schlippenbach aber auch seiner Frau, der Jazzpianistin Aki Takase, mit der er nicht nur seit vielen Jahren verheiratet ist, sondern mit der er auch eine außergewöhnliche Arbeitspartnerschaft bildet. Ebenfalls kommen alte Wegbegleiter wie der Perkussionist Günter „Baby“ Sommer oder der Trompeter Manfred Schoof zu Wort.

Tastenarbeiter ist eine Dokumentation, die einer der wichtigsten Figuren des europäischen Free Jazz  Respekt erweist und zum einen faszinierende Einblicke in das Leben und Arbeiten von Schlippenbachs gewährt. Sie fängt zum anderen aber auch, ganz im Stile der mitportraitierten Musik, sympathische und spontane Momente zwischen dem Protagonisten und Kollegen ein, die sich zu einer Jam zusammenfinden oder alte Fotografien durchgehen und überlegen, welche es nun wert sind, in die Dokumentation einzufließen. Von Schlippenbach selbst ist dabei eine faszinierende und hochinteressante Person, die es schafft, ob Jazzenthusiast oder nicht, über die gesamte Laufzeit zu fesseln.

Quelle: www.kino-zeit.de/film-kritiken-trailer-streaming/tastenarbeiter-alexander-von-schlippenbach-2023