Der Mann, der die Welt aß (2021)

Gefangener des eigenen Narrativs

Eine Filmkritik von Falk Straub

Was für ein Titel! Der weckt Assoziationen. David Bowies drittes Studioalbum The Man Who Sold the World (1970) kommt einem ebenso sofort in den Sinn wie Peter Weirs Die Autos, die Paris auffraßen (1974) oder Kaouther Ben Hanias Der Mann, der seine Haut verkaufte (2020). Großartige Musik, originelle Filme. Wie in letztgenanntem Werk geht es auch in Johannes Suhms erstem abendfüllenden Spielfilm als Regisseur um einen Mann in einer existenziellen Krise. Die Hauptrolle in dieser Adaption des gleichnamigen Theaterstücks von Nis-Momme Stockmann hat Suhm selbst übernommen – und sich daran verschluckt.

Suhm spielt einen Mann um die 40, der endlich frei sein will. Frei von seinem gutbezahlten Job bei seinem fordernden Arbeitgeber (Michael Goldberg), den er zu Filmbeginn bereits hingeschmissen hat; frei von seiner Frau Lisa (Maja Schöne) und den gemeinsamen Kindern, für die er schon monatelang keinen Unterhalt mehr gezahlt hat; frei von seinen Verpflichtungen gegenüber seinem jüngeren Bruder Philipp (Max Mauff) und seinem an Demenz erkrankten Vater (Hannes Hellmann). Warum er all das tut? Keine Ahnung. Wie diese Freiheit, von der er permanent faselt, genau aussehen soll? Ebenfalls Fehlanzeige – und genau darin liegt das Problem.

Der Schauspieler Johannes Suhm hat als Regisseur bislang zwei Dokumentarfilme realisiert. Mit Der Mann, der die Welt aß wagt er sich erstmals ins fiktionale Fach. Die Rolle des namenlosen Sohnes, der sich gern selbstständig machen würde und dabei zusehends die Kontrolle über das eigene Leben verliert, ist ihm vertraut. Suhm spielte sie 2012 an einem kleinen Theater in Erlangen. Schon damals erkannte er, „dass die Sprache des Stücks, die einerseits sehr musikalisch formal geschrieben ist, doch auch durch ihre Schnoddrigkeit etwas sehr Filmisches hat“. Dieses Schnoddrige rettet Suhm völlig ohne Fördermittel und mit nur minimalem Budget in seinen Film hinüber.

Die Unzufriedenheit seines Protagonisten wirft Suhm phänomenal auf die Leinwand. Dafür genügt ihm eine Folge hektischer Telefonate, die die Hauptfigur zum Auftakt des Films auf dem Nachhauseweg führt. An deren Ende ist klar, dass die folgenden knapp 70 Minuten keine angenehmen werden, so enervierend unerträglich ist der Protagonist. Leider bleibt das seine einzige Eigenschaft. Hintergründe für dessen Verhalten liefert die Handlung ebenso wenig wie Innensichten oder Figurentiefe. Dieses Abbild von einem toxischen Mann bleibt eben auch ein Abziehbild.

Das Innenleben des Protagonisten bis zuletzt im Verborgenen zu lassen, hat zunächst durchaus seinen Reiz. Parallel zu dessen Umfeld wächst auch beim Kinopublikum von Minute zu Minute die Frustration über Handlungen, für die es keine (logischen) Erklärungen zu geben scheint. Letzten Endes macht es sich der Film damit aber zu einfach. Zu vieles bleibt behauptet.

 

Etwa, dass es sich bei diesem Protagonisten um den Stellvertreter einer ganzen Generation handele, wie es im Presseheft heißt (und was wohl auch dessen Namenlosigkeit erklärt). Denn auch das ist eine reine Behauptung. Verunsicherte Narzissten mit Mutterbindung und Vaterproblemen, die in ihrem sozialen Umfeld jegliche Brücken abbrennen, mag es in großstädtischen Hipster-Blasen und im Künstler:innenmilieu zur Genüge geben, gesamtgesellschaftlich gesehen sind sie in Suhms Generation aber zum Glück die Ausnahme und nicht die Regel. Vor allem aber kommen sie im echten Leben nicht so eindimensional wie in diesem Film daher.

 

Die Diskussion über Männlichkeit und Männerbilder, die dieser Film eröffnet, ist wichtig, aber lange nicht so dringlich, wie er uns weismachen will. Hier geht der Film schlicht und einfach seinem eigenen Narrativ auf den Leim.

Quelle: www.kino-zeit.de/film-kritiken-trailer-streaming/der-mann-der-die-welt-ass-2021