Yakari - Der Kinofilm (2020)

Ein Abenteuerfilm als Kind der 1960er

Eine Filmkritik von Rochus Wolff

Yakari ist acht Jahre alt, sehr neugierig und aufgeschlossen, vor allem möchte er aber, wie viele Achtjährige, auch schon gerne ganz groß sein. Seine Eltern lassen ihm viele Freiheiten, und so ist er mit seinen gleichaltrigen Freund_innen, vor allem aber mit seinem Hund Knickohr auch viel allein unterwegs. Als die Erwachsenen seiner Siedlung auf der Jagd nach Wildpferden sind, entkommt ihnen ein besonders agiles und ausdauerndes Tier, dem sie für sich sogar schon einen Namen gegeben haben – denn dieses Tier findet immer eine Möglichkeit, ihnen zu entkommen.

Kurz nach der Jagd ist Yakari wieder einmal allein mit Knickohr unterwegs und kommt zufällig an einer Stelle vorbei, wo genau dieses Pferd (eigentlich ein Pony) sich einen Huf unter einem Stein eingeklemmt hat. Mit gutem Zureden gelingt es ihm, sich dem Tier zu nähern und es unter Einsatz seiner ganzen Kraft von dem Stein zu befreien. In einer traumartigen Sequenz spricht er daraufhin mit einem Weißkopfadler (Sprecher: Hans Sigl), der ihn für seine Selbstlosigkeit lobt und ihm die Fähigkeit verleiht, mit Tieren zu sprechen.

Eine „Origin-Story“ ist das, die Geschichte vom Ursprung, wie Yakari lernte, mit Tieren zu reden, und wie er seinen besten Freund, das Pony, kennenlernte. Der Film von Xavier Giacometti und Toby Genkel hat da durchaus keinen ganz verkehrten Erzählansatz, so baut man noch einmal von Grunde auf, was die meisten Eltern und Kinder im Publikum vermutlich eh schon wissen und kennen. Schließlich gibt es (auf Wikipedia kann man es nachlesen) die Comicserie Yakari schon seit 1969, erfunden von André Jobin (Text) und dem Claude de Ribaupierre (Zeichnungen), auch bekannt als Job und Derib; zwei Fernsehserien, 1983/84 und seit 2005 entstanden, laufen (immer noch) in heavy rotation auf KiKA beziehungsweise auf Netflix. Yakari spricht mit seinem Hund, dem Pony, den Vögeln, einigen Bibern (Lindenbaum, hier von Diana Amft gesprochen, ist auch aus Serie und Comic schon bekannt) und sogar einem Bärenjungen...

Yakari – Der Kinofilm legt auf diese Weise eine etwas längere Geschichte in seine 80 Minuten. Yakari bekommt seine Fähigkeit verliehen und macht sich dann auf die Suche nach dem Pony, das er für sich längst Kleiner Donner getauft hat. Dann aber passiert ein Unfall, eins kommt zum anderen; seine Eltern machen sich auf die Suche, während die Menschen in ihrem Nomadendorf sich schon zum Aufbruch vorbereiten, denn es ist Zeit, das Lager zu wechseln.

Das ist dann ein veritabler Abenteuerfilm, mit einer gefährlichen Szene direkt vor einem Wasserfall, Verfolgungsjagden inmitten einer Stampede, einem bedrohlichen Sturm und einer Verfolgungsjagd in einer tückischen, unterirdischen Welt aus Eis. Alles stets aufregend, aber doch in Maßen, die für das Publikum ab fünf Jahren bis in die Grundschule hinein vermutlich sehr aushaltbar sind, zudem als kleine Episoden präsentiert, die die Konzentration nicht überfordern.

Wenn es für den Kinobesuch um nicht mehr geht als um ein paar spannende Moment mit bekannten Figuren, die wirklich wunderschön aussehen – die Figuren sind einfach und flächig animiert, aber ausdrucksstark, die Hintergründe zeigen zum Teil atemberaubend schöne Landschaften –, dann passt das auch. Aber Yakari – Der Kinofilm bringt nicht eben komplexe Persönlichkeiten oder Handlungsstränge auf die Leinwand, das ist schon alles sehr, sehr bekannt, nicht nur aus der Fernsehserie, sondern direkt aus dem Handbuch für Abenteuergeschichten, um nicht zu sagen: Das ist alles doch recht stereotyp. Selbst die Hauptfigur Yakari ist weder besonders vielschichtig noch gar ambivalent.

Wofür man sich allerdings schon entscheidet, wenn man diesen Film ansieht, ist eine durch und durch kolonialistische Perspektive auf die Welt. Yakari – Der Kinofilm beschreibt seine Welt – die der amerikanischen Ureinwohner_innen – in einer Simplifizierung und Reduktion, die alle kulturellen und historischen Unterschiede der verschiedenen Völker nivelliert und durch das, Karl Mays „Winnetou“ lässt schön grüßen, Bild des „edlen Wilden“ ersetzt.

Dieser Typus „Indianer“ (ein Begriff, der schon eine Projektion ist, und natürlich auch noch die Fehlwahrnehmung des Landes als Indien durch die „Entdecker“ in sich trägt – oder, wie es klügere Menschen als ich geschrieben haben, „eine europäische Projektionsfläche und ein Fantasiekonstrukt“) mag zwar positiv konnotiert sein, weil er mit Naturverbundenheit, Werten wie Ehre und Treue sowie mit traditionellen Familienstrukturen assoziiert wird. Aber all das ist eben, wie gesagt, vor allem Projektion und als solche simplifzierend – und es trägt, das darf nicht vergessen werden, über den „wilden“ Teil des „edlen Wilden“, eine wesentliche und im Kern rassistische Begründung dafür mit sich herum, warum es legitim erschien, die Ureinwohner_innen zu verjagen, zu betrügen und zu ermorden.

Von all dem ist in der heilen Welt von Yakari – Der Kinofilm natürlich nichts zu sehen. Der Film spielt letztlich in einer romantisierten Fantasiewelt, nutzt für diese aber, darin kaum eine Handbreit von der europäischen Weltsicht der späten 1960er abweichend, unterdrückte, zum Teil vernichtete Kulturen als beliebig zu fledderndes Rohmaterial. Natürlich geht es darum, hier die etablierte und sehr bekannte Marke „Yakari“ auch noch auf der Leinwand zu nutzen und, wie die Produzentin Gisela Schäfer in einem Interview freimütig bekennt, „aus Yakari ein Franchise fürs Kino zu machen“.

Daran ist grundsätzlich nichts Verwerfliches – aber es ist eben auch bedauerlich, dass einem Kinderfilm im Jahr 2020 nichts Besseres einfällt, als seinen Inhalt und seine Themen auf kolonialistischen und mindestens latent rassistischen Großerzählungen aufzubauen.

Quelle: www.kino-zeit.de/film-kritiken-trailer-streaming/yakari-der-kinofilm-2020