Super-Hypochonder

Eine Filmkritik von Joachim Kurz

Der eingebildete Kranke

Können Millionen Franzosen irren? Nimmt man die herausragenden Kinokassen-Erfolge unserer Nachbarn und deren Nachbeben hierzulande als Maßstab, dann scheint es so, als sei es um den publikumswirksamen Humor bei unseren Nachbarn um einiges besser bestellt als hierzulande. Zusammen brachten es Willkommen bei den Sch’tis und Ziemlich beste Freunde in Deutschland auf mehr als 10 Mio. Zuschauer, was hierzulande schon eine ziemliche Hausnummer ist. Um ein Vielfaches erfolgreicher waren die beiden Komödien natürlich in ihrer Heimat, wo sie knapp 40 Millionen Zuschauer in die Kinos locken konnten – Werte, von denen man in Deutschland nur träumen kann. Nun soll dieses Kinowunder seine Wiederholung finden, indem Dany Boon und Kad Merad, das Dream Team aus Willkommen bei den Sch’tis, erneut als gallische Humorbeauftragte dem Publikum das Lachen beibringen – eine Mission, die Super-Hypochonder aber nur teilweise und mit einigen Abstrichen erfüllen kann.
Molière hätte an diesem Mann wohl seine helle Freude gehabt: Romain Faubert (Dany Boon) ist in der Tat ein „malade imaginaire“, ein eingebildeter Kranker, wie er von dem großen französischen Dramatiker in dem gleichnamigen Theaterstück so treffend geschildert wurde. Anders als der Hypochonder Argan bei Molière aber begibt sich der vermeintlich Kranke, der wegen jeder noch so geringen Kleinigkeit seinen Arzt Dr. Dimitri Zvenka (Kad Merad) nervt, nicht aus eigenen Stücken auf Freiersfüße, sondern soll nach dem Willen des Doktors verkuppelt werden, um von den Malaisen abgelenkt zu sein. Weil aber die Bemühungen um eine Heilung aus Liebe immer wieder scheitern, soll eine Schocktherapie als finales Mittel den gewünschten Erfolg bringen. Da sich Anna (Alice Pol), die Schwester von Dr. Zvenka, rührend um Flüchtlinge aus dem vom Bürgerkrieg erschütterten Tscherkistan kümmert, kommt der Arzt auf die Idee, ein Besuch in einem Flüchtlingslager könne Romain von seiner Hypochondrie heilen. Leider gehen mit diesem Schritt aber die Verwicklungen erst richtig los, denn es gelingt dem tscherkistanischen Widerstandskämpfer Anton Miroslav (Jean-Yves Berteloot), seine Identität mit der des Dauerpatienten zu tauschen – und flugs findet sich dieser in der Rolle des Revolutionärs wieder. Prompt wird er von Anna zuhause versteckt – und natürlich finden die beiden Gefallen aneinander.

Wie Regisseur und Hauptdarsteller Dany Boon freimütig zugibt, eint ihn mit seiner Schöpfung Romain Faubert die gleiche Neigung dazu, ganz normale körperliche Zipperlein zu mit Sicherheit tödlich verlaufenden Krankheiten hochzustilisieren. Insofern könnte man also vermuten, dass die Arbeit an Super-Hypochonder auch ein klein wenig als Selbsttherapie gemeint sein könnte – falls das Bekenntnis des Filmemachers nicht viel eher zu PR-Zwecken und aus Gründen der Imagepflege in die Welt gesetzt wurde. Schließlich gehört es mittlerweile für Komiker fast schon zum guten Ton, mit den eigenen Krankheiten (vor allem den eingebildeten) zu kokettieren – hierzulande hat Harald Schmidt das zu einiger Meisterschaft gebracht.

Was allerdings gegen eine ernsthafte Beschäftigung mit der Hypochondrie und damit einer Arbeit am Ich spricht, ist die wilde und teilweise atemlos-hysterische Nummernrevue, die der Film in der ersten Hälfte bietet. Hier ist es vor allem der anarchischen Spielfreude und der stimmigen Chemie zwischen den beiden Hauptdarstellern zu verdanken, dass der Film nicht in reinem Klamauk versinkt und man sich an manchen Stelle fast ein klein wenig an Louis de Funès erinnert fühlt. Wobei zwischen Merad, Boon und dem kleinen Hektiker mit dem überschäumenden Temperament und den legendären Zornesausbrüchen nicht nur Jahrzehnte, sondern auch kleine Welten liegen. Und irgendwie wirkt das wilde Grimassieren heutzutage auch stets ein wenig aus der Zeit gefallen.

Erst als zu den Späßchen über die Lebensuntüchtigkeit Romains noch das Verwechslungselement hinzukommt, zieht die Spannung und Lachfrequenz deutlich an, zumal sich dann einige inhaltliche Überraschungen und sogar Actionsequenzen einstellen, die man in dieser Form nicht erwarten konnte. Und das versöhnt dann doch ein wenig für den eher zähen Auftakt und die mangelnde Durchdringung der Figur des Hypchonders. Der hätte nämlich gerade in den heutigen Zeiten des Gesundheits- und Fitnesswahns ein viel größeres Potenzial zur Bloßstellung gesellschaftlicher Entwicklungen. Vielleicht sind das aber auch für einen Film wie diesen zu hohe Erwartungen.

Super-Hypochonder

Können Millionen Franzosen irren? Nimmt man die herausragenden Kinokassen-Erfolge unserer Nachbarn und deren Nachbeben hierzulande als Maßstab, dann scheint es so, als sei es um den publikumswirksamen Humor bei unseren Nachbarn um einiges besser bestellt als hierzulande. Zusammen brachten es „Willkommen bei den Sch’tis“ und „Ziemlich beste Freunde“ in Deutschland auf mehr als 10 Mio. Zuschauer, was hierzulande schon eine ziemliche Hausnummer ist.
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Meinungen

Sophie · 26.04.2014

Bester Film seit langem!! Die Schauspieler, alle unglaublich lustig und sympathisch!