Die Arier

Eine Filmkritik von Sophie Charlotte Rieger

Auf Tuchfühlung mit Rassisten

Beim Filmtitel Die Arier ist die erste Assoziation nicht weit. Schnell tauchen Bilder von Nazis, von athletischen blonden Männern und kräftigen Frauen mit Zöpfen vor dem geistigen Auge auf. Insgesamt weckt der Begriff (zumindest bei mir und hoffentlich noch bei ganz vielen anderen Menschen) eine tief verwurzelte Abneigung: Wer auch immer diese Arier sind, man / frau möchte und sollte ihnen lieber aus dem Weg gehen.
Ganz anders sieht das die Regisseurin Mo Asumang. Ihre Großeltern mütterlicherseits waren bei der SS, die Großeltern väterlicher Seite stammen aus Afrika, was Mo zu einem „Mischling“ macht. So zumindest wird sie von den heutigen Neonazis abfällig bezeichnet. Doch statt mit Wut reagiert Mo mit Interesse. Wer sind denn nun diese Arier, zu denen sie angeblich nicht gehört? Heißt „arisch“ gleich deutsch und sind alle Arier Rassisten? Mit ungeheurem Mut begibt sich die Filmemacherin auf Konfrontationskurs mit rechten Demonstranten, deutschen Burschenschaften und sogar mit dem Ku Klux Klan, um herauszufinden, was es mit dem Begriff „Arier“ wirklich auf sich hat.

Mit dem freundlich formulierten Satz „Wofür demonstrieren Sie denn hier?“ mischt sich Mo Amusang zu Beginn ihres Dokumentarfilms unter eine Demonstration von Neonazis. Die Freundlichkeit und Offenheit dieses Anliegens sorgen bei ihren Gesprächspartnern für Irritation. Vielleicht ist das der Grund dafür, dass niemand mit ihr reden möchte. Mo Amusang fasziniert durch ihren Mut ebenso wie ihr ehrliches Interesse. Sie möchte niemanden vorführen – die meisten ihrer Gesprächspartner werden sich im Laufe des Films ohnehin ganz alleine diskreditieren – sondern sie befindet sich tatsächlich auf der Suche nach Antworten.

So richtig authentisch tritt die Regisseurin vor der Kamera jedoch nicht auf. Sie scheint ein wenig zu freundlich gegenüber jenen, die ihr mit Abneigung und Erniedrigung gegenüber treten. Doch was ist die Alternative? Je mehr der Zuschauer den zum Teil haarsträubenden Aussagen von Rassisten unterschiedlicher Ausprägung ausgesetzt ist, desto mehr Verständnis kann er für Mo Amusang entwickeln. Mit einer vollkommen authentischen Haltung stünde die Filmemacherin ihren Peinigern schutzlos gegenüber. Wenn sie also in einzelnen Situationen „unecht“ oder „gespielt“ erscheint, so handelt es sich nur um eine lebensnotwendige Abgrenzung.

Die Arier ist aber mehr als nur eine persönliche Reise. Der Film zeigt das Ausmaß des in unserer Gesellschaft noch heute präsenten Rassismus und stellt eine zugleich skurrile wie auch schockierende Erfahrung für den Zuschauer dar. Über manche Aussagen rechter Rhetoriker lässt sich vor lauter Fassungslosigkeit nur noch schmunzeln, auch wenn die formulierten Botschaften freilich alles andere als unterhaltsam sind. Doch Mo Asumang macht an diesem Punkt nicht halt. Sie geht weiter auf ihrer Suche nach Antworten, sie befragt Historiker und Fachleute zum Ursprung der „arischen Rasse“ und sie wird fündig. In dem Moment, in dem Asumang die „echten“ Arier findet, fällt die rechtsradikale Ideologie wie ein Kartenhaus in sich zusammen.

Schließlich widmet sie sich noch der Frage, weshalb dieses Gedankengut auch heute noch so populär ist, kann jedoch hier nur an der Oberfläche eines Phänomens kratzen. Die Strukturen des modernen Rechtsradikalismus sind viel zu komplex, um sie nebenbei abzuhandeln. Mo Asumang tut sich und ihrem Film keinen Gefallen damit, kurz vor Schluss noch dieses große Fass aufzumachen, das definitiv einen eigenen Film verdient hätte.

Trotz des ungeschickt gewählten dritten Akts ist Die Arier ein immens spannender Film geworden. Nicht nur, weil auch der Zuschauer mehr und mehr für des Rätsels Lösung brennt, sondern auch weil Asumangs Reise durchaus eine gefährliche ist. Nicht zuletzt offenbart ihr Dokumentarfilm eine Bandbreite an schockierenden wie auch amüsanten Weltbildern, von Nazis, die Mo allen Ernstes nach Afrika aussiedeln wollen, bis hin zu metaphysischen Wissenschaftlern, die Iron Sky für einen Tatsachenbericht halten. Einiges macht wütend, vieles macht traurig. Das Entscheidende aber ist, dass Mos aufrichte Suche nach Antworten auch ihr Publikum dazu inspiriert, Fragen zu stellen, statt Urteile zu fällen. Und so macht Die Arier vor allem eins: schlauer.

Die Arier

Beim Filmtitel „Die Arier“ ist die erste Assoziation nicht weit. Schnell tauchen Bilder von Nazis, von athletischen blonden Männern und kräftigen Frauen mit Zöpfen vor dem geistigen Auge auf. Insgesamt weckt der Begriff (zumindest bei mir und hoffentlich noch bei ganz vielen anderen Menschen) eine tief verwurzelte Abneigung: Wer auch immer diese Arier sind, man / frau möchte und sollte ihnen lieber aus dem Weg gehen.
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