Lupin III: Das Schloss des Cagliostro (1979)

Im kleinsten Staat der Welt

Eine Filmkritik von Andreas Köhnemann

Der Name Hayao Miyazaki ist für die meisten wohl untrennbar mit dem Studio Ghibli verbunden, das der japanische Anime-Drehbuchautor und -Regisseur 1985 mit seinem Kollegen Isao Takahata gegründet hat. Er ist der Schöpfer von märchenhaften Werken wie „Das Schloss im Himmel“ (1986), „Prinzessin Mononoke“ (1997) und „Chihiros Reise ins Zauberland“ (2001). Für seinen (vermutlich) letzten großen Film „Der Junge und der Reiher“ (2023) erhielt er kürzlich seinen zweiten Oscar.

Nun gibt es die Möglichkeit, Miyazakis erste Kino-Regiearbeit aus dem Jahre 1979 abermals auf der Leinwand zu sehen. Lupin III: Das Schloss des Cagliostro basiert auf der Manga-Serie Lupin III von Monkey Punch aka Kazuhiko Katō; Miyazaki schrieb auch am Skript mit. Das wilde Abenteuer um den titelgebenden Dieb ist als Teil eines bereits etablierten Erzähluniversums gewiss nicht in jeder Hinsicht ein typischer Miyazaki-Film. Dennoch lässt sich dessen künstlerische Handschrift hier schon eindeutig erkennen.

Die Handlung beginnt mit einem Raubüberfall von Arsène Lupin III. und dessen Komplizen Daisuke Jigen auf ein staatlich geführtes Casino. Nachdem die beiden durch eine tollkühne List in ihrem winzigen Auto entkommen konnten, müssen sie feststellen, dass sie nur Falschgeld erbeutet haben. Dies bringt sie allerdings auf die Spur einer Geldfälscherbande im kleinsten Staat der Welt, dem europäischen Fürstentum Cagliostro.

Dort ereignet sich eine spektakuläre Autoverfolgungsjagd in den steilen Bergen, in dessen Verlauf Lupin die Prinzessin Clarissa vor einem tödlichen Sturz in die Tiefe retten kann. Clarissa, die den Grafen Cagliostro heiraten soll, wird jedoch entführt. Lupin will die junge Frau befreien – und sie vor der Hochzeit mit dem machthungrigen Grafen bewahren.

Schon in seiner temporeichen Auftaktsequenz geizt der Film weder mit Spannung noch mit skurrilem Humor. Wenn eine Unmenge an Falschgeld das Mini-Auto des Ganovenduos und schließlich die gesamte Schnellstraße flutet, spielt Miyazaki mit Übertreibung und Slapstick-Momenten. Das Ganze driftet aber nie ins völlig Albern-Cartooneske ab, sondern verfügt über eine faszinierende surreale Qualität. Die erste Rettungsaktion an der Felswand wird atemberaubend umgesetzt, wie in einem Hitchcock-Thriller. Und das zugewucherte, verwunschen anmutende Gemäuer, in dem die Prinzessin gefangen gehalten wird, ist eine wunderbar atmosphärische Kulisse, die bereits einige Elemente von Das Schloss im Himmel vorwegnimmt.

Miyazaki arbeitet hier mit vorgegebenen Figuren. Er verleiht ihnen indes eine besondere Sanftheit und Liebenswürdigkeit, durch die sich viele spätere Held:innen in seinem Œuvre auszeichnen. Die Reibereien zwischen dem Protagonisten und dem eifrigen Interpol-Inspektor Zenigata sind sehr amüsant – zumal sich die beiden Gegenspieler diesmal zu Clarissas Rettung verbünden müssen und so gemeinsam Chaos stiften, statt (wie üblich) zu versuchen, sich gegenseitig auszutricksen. Es gelingt dem Regisseur, vertraute Genre-Motive mit Stil, Witz und einer einnehmenden Verträumtheit zu kombinieren und dabei gewissermaßen eine fantasievolle Anime-Version des Crime-Comedy-Klassikers Über den Dächern von Nizza (1955) zu liefern.

Quelle: www.kino-zeit.de/film-kritiken-trailer-streaming/lupin-iii-das-schloss-des-cagliostro-1979