Johnny & Me - Eine Zeitreise mit John Heartfield (2023)

Im Dialog mit einem Pionier

Eine Filmkritik von Andreas Köhnemann

Diese Besprechung könnte mit ein paar biografischen Fakten zu dem deutschen Maler, Grafiker und Fotomontagekünstler John Heartfield alias Helmut Herzfeld beginnen. Denn Katrin Rothes „Johnny & Me – Eine Zeitreise mit John Heartfield“ befasst sich, wie der Titel schon deutlich macht, mit dessen Leben und Arbeit. Doch eine solche Herangehensweise, die im Rahmen einer Filmkritik zu einem dokumentarischen Werk durchaus üblich ist, würde in diesem Fall nicht so richtig passen.

Die Drehbuchautorin und Regisseurin Katrin Rothe, die in den Jahren 2007 und 2014 für ihre Filme Stellmichein und Betongold – Wie die Finanzkrise in mein Wohnzimmer kam mit dem Grimme-Preis in der Kategorie „Information“ ausgezeichnet wurde, liefert kein konventionelles Porträt über Heartfield, sondern mixt Spielszenen mit dokumentarischen Animationssequenzen. Die Schauspielerin Stephanie Stremler verkörpert eine Grafikdesignerin namens Stephanie, die sich gerade in einer kreativen Schaffenskrise befindet und sich deshalb eine Auszeit von ihrem Job genommen hat. Bei einem Ausstellungsbesuch wird sie auf Heartfield und dessen Pionierleistungen auf dem Gebiet der politischen Fotomontage aufmerksam.

Stephanie kann (auch) als Alter Ego von Rothe interpretiert werden – da sowohl für die Filmemacherin als auch für die Figur, der wir hier folgen, eine Collage des titelgebenden Künstlers als Inspiration dient(e). Die Protagonistin ist frustriert von den banalen Werbeaufträgen, die sie erhält, und von den Geschäftsmethoden ihres Chefs. Die satirischen Arbeiten von Heartfield, die damals ein klares Statement gegen das Hitler-Regime setzten, beeindrucken sie – und so landet sie durch einen Zeittunnel in dessen Atelier. Heartfield tritt darin als Trickfigur auf, die sich mit Stephanie unterhält.

Diese surrealen Momente des Austauschs, die in einem Keller in Wien gedreht wurden, sind charmant, da sie veranschaulichen, wie die Recherche zu einem spannenden Sujet plötzlich dazu führen kann, gänzlich in eine (vergangene) Welt hineingezogen zu werden. Stephanie greift in Heartfields Atelier nach langer Zeit mal wieder zum Pinsel, zum Bleistift und zur Schere, um sich dessen Kunst zu nähern. Der Film zeigt jedoch auch, dass wir aus unserer heutigen Perspektive die Lebensumstände bekannter verstorbener Leute oft romantisieren und idealisieren, weil wir nur die imponierenden Spuren sehen, die sie in der Gegenwart hinterlassen haben. „Warum bin ich nicht, wie du warst?“, fragt Stephanie an einer Stelle.

Durch Tagebucheinträge und Fotografien taucht Stephanie in Heartfields Biografie ein, die in Form von Cut-Out-Animation mittels Stop-Motion in schön gestalteten Flashback-Passagen lebendig wird. So sehen wir unter anderem, wie Heartfield für viele Jahre in Europa auf der Flucht war, da er sich entschieden als Gegner der Nazis positionierte und deshalb als Staatsfeind eingestuft wurde. Später, zu DDR-Zeiten, stand er unter Beobachtung, da er für einen Spion gehalten wurde. Es gelingt dem Film, Heartfield als Person und als einflussreichen, mutigen Künstler greifbar zu machen, ohne die typischen Muster eines dokumentarischen Biopics zu bedienen.

Quelle: www.kino-zeit.de/film-kritiken-trailer-streaming/johnny-me-eine-zeitreise-mit-john-heartfield-2023