Fearless Flyers - Fliegen für Anfänger (2023)

Fliegen ist schöner

Eine Filmkritik von Christian Neffe

Die Turbinen dröhnen, das Flugzeug nimmt Fahrt auf, drückt einen in den Sitz, beschleunigt auf 250 Stundenkilometer, löst sich vom Boden, und dann dieses einzigartige Gefühl, wortwörtlich über den Wolken zu schweben – was für die einen der aufregende Start in den Urlaub oder banaler Geschäftsalltag ist, ist für andere die reinste Hölle. Zu Letzteren gehören die Teilnehmer:innen des „Fearless Flyers“-Programms, die in der neuen Komödie von Hafsteinn Gunnar Sigurðsson („Under the Tree“) einen denkwürdigen Urlaub in dessen Geburtsland Island verbringen.

Ziel des Kurses, der dem Film seinen deutschen Titel gibt (das weniger sympathische Original lautet Northern Comfort), ist die Überwindung der eigenen Flugangst. Und jede:r bringt dafür seine eigene Motivation mit: Die Architektin Sarah (Lydia Leonard) will mit ihrem neuen Freund und dessen Tochter in den Urlaub auf die Kapverden fliegen; dem granteligen Romanautor Edward (Timothy Spall) steht eine Lesereise durch Europa bevor; und der nerdige Fotograf Alphons (Sverrir Gudnason) muss seine Influencer-Freundin Coco (Ella Rumpf) immer wieder auf Reisen begleiten, um sie dort für ihre Social-Media-Accounts abzulichten, kann die Flüge aber nur mit ordentlich Alkohol bewältigen.

Schon hier wird deutlich: Fearless Flyers hat keine Scheu davor, bei seinen Figuren beherzt in die Stereotyp-Kiste zu greifen und diese genüsslich auszuspielen. Das macht auch eine Menge Spaß, sobald alle drei für ihre „Abschlussprüfung“ im Flugzeug sitzen. Die besteht aus einem dreistündigen Flug von London nach Island und direkt wieder zurück – doch natürlich geht dabei alles schief, was nur schiefgehen kann. Die eigentliche Kursleiterin fällt kurzfristig aus, also muss deren Assistent Charles (Simon Manyonda) übernehmen, der nur Küchenpsychologie, Sex-Analogien und unglücklich gewählte Statistiken herunterbetet. Auf dem Hinflug kommt es zudem zu schweren Turbulenzen, die für kollektive Panik sorgen, und dann wird auch noch der Rückflug um neun Stunden verschoben.

Die Wartezeit schlagen die fünf in einem Luxushotel tot, und ab diesem Punkt büßt Fearless Flyers viel von seiner bis dahin so angenehmen Charakter- und Erzähldynamik ein. Das Kernthema Flugangst gerät fast in Vergessenheit und weicht den tiefgehenderen persönlichen Problemen der Figuren. Sarah wachsen ihre Lügen über den Hals (ihrem Freund hat sie Kursteilnahme verschwiegen und vorgegaukelt, in die USA gereist zu sein), Alphons zweifelt zunehmend an seiner Beziehung und Männlichkeit, als Coco mit dem Millionär Dries (Björn Hlynur Haraldsson) anbandelt; und in Edward erwacht der Soldat, der er einst war, wieder zum Leben.

Es folgen unter anderem: eine Fesselung mit Hotellaken, eine im Schnee endende Taxifahrt, ein unflotter Dreier, eine unangenehme Begegnung an der Hotelbar, eine Flucht vor der Polizei. Viel Situationskomik, die zwar bei den Klischees in die Vollen geht, in Sachen Humor aber nicht zu Höhenflügen ansetzt. Die Prämisse von Fearless Flyers verwässert in dieser zweiten Hälfte zunehmend, was zwar noch immer für eine unterhaltsame und kurzweilige Komödie reicht, die am Ende auch wieder den Bogen zum Anfang schlägt. Die es aber auch verpasst, sowohl inhaltlich als auch humoristisch aus dem Vollen zu schöpfen.

Quelle: www.kino-zeit.de/film-kritiken-trailer-streaming/fearless-flyers-fliegen-fuer-anfaenger-2023