Die einfachen Dinge (2023)

Zwei Männer und die Ruhe am Berg

Eine Filmkritik von Bianka Piringer

In der idyllischen Bergeinsamkeit der französischen Alpen begegnen sich zwei Männer, die sich kaum besser verstehen als Hund und Katz. Vincent (Lambert Wilson) ist ein international berühmter Tech-Unternehmer, ständig auf Achse und auf der Jagd nach neuen Entwicklungsprojekten. Schlafen hat in seinem Tagesablauf im Grunde nichts verloren. Doch kaum liegt er in der Hängematte des Einsiedlers Pierre (Grégory Gadebois), schläft er in der frischen Bergluft ein wie ein Reha-Patient. Pierre, der seine Karriere als Meeresbiologe aufgab, um sich auf dem Berg selbst zu versorgen, kann Vincent im Wachzustand ohnehin kaum ertragen. Das aufgeregte Geplapper geht ihm auf die Nerven.

Vincent blieb mit seinem Cabrio auf der Straße liegen und Pierre nahm ihn auf seinem Motorrad mit zu seinem Häuschen. Die paar geruhsamen Stunden wie bei Heidi und dem Alm-Öhi aber haben für Vincent ein Nachspiel. Zurück im Alltagsstress, bekommt er bei der Frage einer Reporterin, ob er glücklich sei, eine Panikattacke. Verzweifelt kehrt er zu Pierre zurück und ersucht ihn sozusagen um Asyl. Der wortkarge Einsiedler bringt den lästigen Kerl in einer winzigen Hütte weiter oben am Berg unter, hat ihn aber nun tagsüber als Alleinunterhalter an der Backe. Und wie sich herausstellt, kam Vincent nicht ganz so zufällig hierher, wie es schien.

Die neue Komödie des französischen Regisseurs und Drehbuchautors Éric Besnard (Birnenkuchen mit Lavendel) lässt sich kantiger und spannungsreicher an als seine romantischen Wohlfühlfilme. Zu jenen gehörte auch der historisch-kulinarische À la Carte! - Freiheit geht durch den Magen, in dem Grégory Gadebois einen begnadeten Koch spielte. Als Pierre ist Gadebois noch stiller, aber wenn er in Bedrängnis gebracht wird, kann er auch angreifen wie ein gereizter Bär. Lambert Wilson wiederum verleiht Vincent eine umtriebige Drahtigkeit, die zwangsläufig zur Konfrontation führen muss. Wenn er sich einmal etwas in den Kopf gesetzt hat, hört er nicht auf zu reden und zu insistieren. Dass Pierre so viel schweigt, scheint ihn geradezu zu provozieren.

Die schöne Landschaft lässt auch die Zuschauer sofort spüren, wie wohl sich Vincent hier fühlen muss. Und es macht auch Spaß, Pierre bei seinen Arbeiten rund ums Haus oder beim Kräutersammeln zu beobachten. Aber die Grundspannung, die von der Geschichte mit den gegensätzlichen Charakteren ausgeht, sorgt dafür, dass das pure Wohlgefühl nicht wild drauflos wuchert. Auch Pierre hatte vor drei Jahren noch ein anderes Leben, und wie er über den Leistungsdruck in der Forschung spricht, über das Gehetztsein, wirkt als Gesellschaftskritik ausgesprochen ernst. Es gibt doch einiges, was diese beiden Männer verbindet, wie die Erfahrung, dass einen der berufliche Erfolg irgendwann zu knechten beginnt. Oder unerledigte Gefühlsdinge, für die es die Hilfe eines Freundes braucht. Pierre ist unterschwellig doch auch offen für ein wenig Gesellschaft. Und Vincent erkennt haarscharf, dass sich sein Gastgeber nicht traut, sich seiner heimlichen Liebe (Marie Gillain) aus dem Dorf zu offenbaren.

Sogar auf die Inszenierung scheint Vincents Rastlosigkeit ein wenig abgefärbt zu haben. Auf einmal geschieht an diesem ruhigen Ort dann doch ziemlich viel, die Drehbucheinfälle purzeln munter durcheinander: Ein Braunbär taucht auf und ein Feuer bricht aus. Für die Handlung ist das alles eigentlich unnötig, sorgt letztlich nur für grobes Spektakel. Auch die Charakterzeichnung legt mehr Wert auf grobe Striche, als auf stimmige Vertiefung. Besnards Komödie wirkt manchmal holprig, gar etwas gezwungen. Aber das Konzept, einen Workaholic und einen Einsiedler vor wunderschöner Bergkulisse streiten zu lassen, entwickelt dennoch genügend Charme, um ganz gut zu unterhalten.

 

Quelle: www.kino-zeit.de/film-kritiken-trailer-streaming/die-einfachen-dinge-2023