Wer gräbt den Bestatter ein? (2022)

Schwarzhumoriger Alltag

Eine Filmkritik von Verena Schmöller

In der Dorfkneipe von Greisendorf trifft man sich gerne schon am Nachmittag: zum Kartenspielen oder Politikmachen, je nachdem. Während der Bürgermeister mit dem Pfarrer und einem Set Lego-Figuren Situationen nachstellt, trifft sich Bestatter Bartl (Uli Bauer) mit Gärtner Gert (Tom Kreß), Müllfahrerin Rudi (Angelika Sedlmeier) und Klempner Pat (David Zimmerschied) zum Karteln. Als der Bartl dabei plötzlich stirbt, bekommen das deshalb auch die wichtigsten Personen im Dorf mit – und alle fragen sich: „Wer gräbt denn nun den Bestatter ein?“ Denn, das macht Bürgermeister Anton Aumeier (Peter Rappenglück) sofort klar, die Bestatterin vom Nachbardorf darf auf keinen Fall Wind davon bekommen, dass der Kollege verstorben ist. Der Tod müsse verschwiegen werden – zumindest so lange, bis auch die Gruberin gestorben sei.

Mit 114 Jahre nämlich ist Gaby Gruber (Astrid Polak) die älteste lebende Frau in Deutschland. Und weil sie an der Dorfgrenze zwischen Greisendorf und Neubrunn lebt, mal in der einen, mal in der anderen Gemeinde wandelt und sich beiden zugehörig fühlt, beanspruchen beide Ortschaften den Titel, das Dorf mit der ältesten Bewohnerin Deutschlands zu sein. Wer sie, wenn sie dann doch einmal das Zeitliche segnen sollte, bestatten darf, darf Großes erwarten: mediale Aufmerksamkeit, Ruhm und Ehre, vielleicht pilgernde Touristen, so ganz klar ist das nicht, aber wert ist der Wettstreit allemal.

Die Grundidee von Wer gräbt den Bestatter ein? ist, wie auch schon die Vorgängerfilme des Geschwisterpaars Andreas und Tanja Schmidbauer, Hinterdupfing (2014) und Austreten (2017), kurios und auch origineller Startpunkt vieler kleiner Beobachtungen und komischer Alltagssituationen. All das wird mit viel Sprachwitz, einer guten Portion schwarzem Humor und einigen charmant formulierten Lebensweisheiten auf der Leinwand arrangiert. Im Vergleich zu den früheren Filmen aber hat Wer gräbt den Bestatter ein? an narrativer Reichhaltigkeit gewonnen. Die Spannung entsteht nicht durch den einen Plot, dem alles untergeordnet ist, sondern durch die vielen Wendungen und kleinen Momente, die die Geschichte umdrehen und in eine andere Richtung lenken, weitere Probleme aufdecken und neue Blickwinkel auf die Grundsituation schaffen.

Im Mittelpunkt stehen die Freunde vom Bartl, die sich zunächst in eine Verantwortung hineingeworfen sehen, die sie nicht haben wollen, aber dann doch übernehmen. Sie tragen, fahren und schleppen eine Leiche durchs Dorf und aus dem Dorf hinaus, was immer wieder an bekannte filmische Vorgänger wie Immer Ärger mit Bernie (1989) erinnert. Die drei partner in crime sehen vor allem die Aufgabe, die ihnen der Bürgermeister quasi zugeteilt hat, die eigene Stellung im Geschehen und weniger den Tod eines Freundes, und nebenbei haben sie ihr jeweiliges Leben und die eigenen Probleme. Das Bewusstsein darüber, dass ihnen gerade ein Freund weggestorben ist, der eine ordentliche Trauer und eine ebensolche Feier verdient hat, erlangen sie erst allmählich im Lauf der Geschehnisse. Das ist ebenso ordentlich und glaubhaft gespielt.

Auch den Nebenfiguren gibt der Film immer wieder seine Aufmerksamkeit: der fröhlichen Kaminkehrerin (Teresa Rizos), die sich als „Glücksbringerin von Beruf“ fühlt, aber doch immer für Pech und Unheil sorgt. Der Metzgermeister mit dem Namen Lauch (Michael A. Grimm), der kein Blut sehen kann. Die Reporterin (Helene Reiner) auf der Suche nach schönen Zitaten oder der pflichtbewusste, aber nicht immer aufmerksame Polizist (Max von Thun). Voller Liebe blickt der Film auf diese Figuren. Auch sie liegen ihm am Herzen, ebenso wie kleine Details im Alltag der Dorfbewohner, sei es eine Leberkäs-Stempelkarte oder die Betriebskontrolle in der Metzgerei, die natürlich genau dann stattfinden muss, wenn im Kühlhaus eine Leiche steht.

Es ist genau diese Mischung aus ruhigem Erzähltempo, den nicht immer gleich erkennbaren Plot-Entwicklungen und dem gefilmten Alltag, die Wer gräbt den Bestatter ein? zum kleinen Kinojuwel macht. Der Film des Regieduos setzt eben nicht auf Marken oder gängige Plot-Schemata, sondern sucht seine eigenen Wege. Und das tut einfach gut.

Quelle: www.kino-zeit.de/film-kritiken-trailer-streaming/wer-graebt-den-bestatter-ein-2022