Geschichten vom Franz (2022)

Wann ist der Franz ein Franz?

Eine Filmkritik von Falk Straub

In der Kinderliteratur kommt man an Christine Nöstlinger (1936-2018) nicht vorbei, in Österreich eh nicht. Die gebürtige Wienerin hat weit über 100 Bücher geschrieben, viele davon sind längst Klassiker. Da verwundert es auch nicht, dass fast alle der an diesem Film Beteiligten einen persönlichen Bezug zur Vorlage hatten. Selbst die Musik zum Film stammt von einem Nöstlinger-Fan. Als Marco Wanda, Sänger der Band "Wanda", hörte, dass die "Geschichten vom Franz" verfilmt werden sollen, legte er direkt mit dem Komponieren los.

Am Ende sind gleich mehrere seiner Songs auf dem Soundtrack gelandet. Sie unterlegen und kommentieren lockerleicht und doch stets mit ein wenig Wiener Wehmut die Geschichten vom Franz (Jossi Jantschitsch). Der ist neun Jahre jung und hat drei große Probleme: Der Franz ist für sein Alter zu klein, sieht wegen seiner Locken aus wie ein Mädchen und bekommt immer, wenn er angespannt ist, eine Piepsstimme. Zum Beispiel dann, als sein Schulheft nass wird und er sich nicht traut, das Missgeschick seinem Mathelehrer Zick-Zack (Rainer Egger) zu gestehen. Zum Glück hat der Franz aber den Eberhard (Leo Wacha) und die Gabi (Nora Reidinger), die ihm zur Seite stehen.

Und zu Hause nahe dem Karmelitermarkts, da hat der Franz die Mama (Ursula Strauss), den Papa (Simon Schwarz) und seinen großen Bruder Josef (Laurenz Haider). Die sind dem Franz aber keine große Hilfe. Die Mama ist nie da, weil sie Geld verdient. Der Papa kocht und bäckt den ganzen Tag, weil er sich als Hausmann probiert. Und der Josef schimpft den Franz den lieben langen Tag ein "Zwerglein". 

Wie der Franz das Herz der neuen Klassenqueen Elfi (Arwen Hollweg) erobern soll, dabei können ihm also weder die Mama oder der Papa noch der Josef helfen – und die garstige Nachbarin Frau Berger (Maria Bill) eh gar nicht. Zum Glück gibt's das Internet und den Hank Haberer (Philipp Dornauer). Der Hank ist Influencer und erklärt dem Franz die Männerwelt. Anfangs sind die Gabi und der Eberhard noch skeptisch, doch schnell sind sie mit von der Partie, Hanks "20 Regeln für einen echten Kerl" in die Tat umzusetzen.

Christine Nöstlingers Geschichten vom Franz brachten es bis 2011 auf 19 Bände. Das erste Buch erschien 1984, was die aus heutiger Sicht etwas antiquiert wirkenden Kindernamen erklärt. In den ersten Geschichten besuchte die Hauptfigur noch den Kindergarten, erst in den letzten Büchern ist Franz schließlich neun Jahre alt und in der zweiten Klasse. Wirklich Stoff für einen abendfüllenden Spielfilm gibt keines der dünnen Büchlein her, weshalb sich die Filmemacher:innen um Produzentin Katharina Posch, Regisseur Johannes Schmid und Drehbuchautorin Sarah Wassermair auch dazu entschieden haben, Elemente und Stränge aus einzelnen Geschichten mit einer gänzlich neuen Figur und Handlung zu kombinieren.
 
Hank Haberer (übrigens weder verwandt noch verschwägert mit dem 2007 verstorbenen "Spätzlescowboy" Hank Häberle) ist ein selbsterklärter "Alpha", der seinen "Bros" klug klingende Ratschläge erteilt, die an Einfältigkeit kaum zu unterbieten sind. Vielleicht nennt er sich im Netz ja auch deshalb "Simply Hank". Drehbuchautorin Wassermair trifft damit einen Nerv, der derzeit viele (junge) Männer und all jene, die erst noch Männer werden müssen, schmerzt. Am Ende stellt sich all das Macho-Geschwafel freilich als heiße Luft heraus, und der Franz erkennt, dass er viel lieber ein Franz statt ein "Alpha" sein will. 

Bis dahin ist es ein weiter und lustiger Weg voll kleiner Abenteuer und ein wenig größerer Mutproben. Den Geist der Vorlage und von Nöstlingers Literatur an sich bewahrt die Adaption, weil auch deren Macher:innen auf Alltagsgeschichten setzen. Bei Nöstlinger werden Kinder nicht zu kleinen Spürnasen, die Rätsel lösen und Verbrechen aufklären. Bei Nöstlinger dürfen Kinder einfach Kinder sein. Dazu gehört es, selbst die unscheinbarsten Probleme wie ein nasses Schulheft, die Erwachsene überhaupt nicht als Probleme wahrnehmen, ernst zu nehmen.

Johannes Schmid, der als Regisseur von Kinderfilmen bereits mit Blöde Mütze! (2007) und Wintertochter (2011) reüssierte, tut das. Sein Film ist konsequent aus Kinderaugen erzählt. Was fast ein bisschen schade ist, weil Ursula Strauss (die schon in der Nöstlinger-Verfilmung Maikäfer flieg! die Mutter spielte) und der wie immer großartig aufgelegte Simon Schwarz dadurch arg kurz kommen. Gemeinsam mit den Kids erkundet die Kamera Wien. Nora Reidinger entpuppt sich dabei als echter Wirbelwind, die Hauptdarsteller Jossi Jantschitsch ein ums andere Mal die Szene klaut. Den episodischen Charakter der Vorlagen können diese Streifzüge aber nie ganz verbergen. 

Und so stellen sich nach dem Kinobesuch gemischte Gefühle ein. Man hat dem Franz, der Gabi und dem Eberhard gern zugesehen, aber allzu schnell war's auch wieder vorbei, und richtig ergiebig war's nicht. Vielleicht wird’s das ja im nächsten Teil. Der ist bereits in Planung.

Quelle: www.kino-zeit.de/film-kritiken-trailer-streaming/geschichten-vom-franz-2022