Gott, du kannst ein Arsch sein! (2020)

Der Allmächtige ist ein mieser Verräter

Eine Filmkritik von Falk Straub

André Erkau drückt sich nicht vor schwierigen Themen und nähert sich diesen mit „Hoffnung, Leichtigkeit und einer gewissen Sinnlichkeit“, wie er selbst sagt. In „Das Leben ist nichts für Feiglinge“ (2012) ging es um Tod und Trauer, in „Happy Burnout“ (2017) um psychische Erkrankungen und Verlustängste. So nah wie in seinem neuen Film war Erkau der „Endlichkeit unserer Existenz“ aber noch nie.

Eine Geschichte von vorn zu erzählen, ist schon länger out. Auch André Erkaus neuer Film steigt mitten drin ein und spult wenig später zurück. Wutschnaubend brüllt Tankstellenbesitzer Jupp (Benno Fürmann) Protagonistin Steffi (Sinje Irslinger) und ihrem Begleiter Steve (Max Hubacher) hinterher, dass man einen Ficker wie ihn nicht ficke. Zurück auf Anfang dreht sich auch dort alles um Sex. Steffi und ihr Freund Fabian (Jonas Holdenrieder) planen ihr erstes Mal. Die Abschlussfahrt nach Paris steht an. Ein Romantikhotel ist gebucht. Doch dann gerät die schönste Nebensache der Welt tatsächlich zur Nebensache.

Eine Krebsdiagnose trifft die 16-Jährige und ihre Eltern Frank (Til Schweiger) und Eva (Heike Makatsch) völlig unvorbereitet. Ziemlich unvorbereitet wirken indes auch Til Schweiger und Heike Makatsch. Ihre Figuren reagieren, als hätten die Darsteller das Drehbuch nicht gelesen. Vor allem Schweiger zeigt einmal mehr, wie limitiert seine Fähigkeiten im dramatischen Fach sind. Den durch die Diagnose in seinem Glauben erschütterten Pastor, den Schweiger hier mimt, nimmt man ihm bis zum Schluss nicht ab. Für den Rest des Films lässt das nichts Gutes erahnen.

Wider Erwarten hat das Duo Makatsch/Schweiger im Verlauf der Handlung jedoch mit die besten Momente und stiehlt den ebenfalls prächtig harmonierenden Sinje Irslinger und Max Hubacher mitunter die Schau. Das liegt nicht zuletzt daran, dass Drehbuchautor und Produzent Tommy Wosch mit seiner Co-Autorin Katja Kittendorf keine tränenreiche Schnulze, sondern ein tragikomisches Roadmovie geschrieben hat.

Nach der Exposition sieht das noch anders aus. Alles deutet auf eines jener Teenager-Sterbedramen hin, wie sie seit dem Erfolg von Das Schicksal ist ein mieser Verräter (2014) aus dem Boden schießen. Ja, selbst die Filmtitel klingen ähnlich. Doch Steffi hat alles andere als ihre Behandlung im Sinn. Sie will zu Fabian nach Paris und heuert dafür den kurz zuvor kennengelernten und zufällig wiedergetroffenen Zirkusartisten Steve als Fahrer an. Der hat seine eigenen Probleme, vor denen er davonläuft. Dementsprechend tauscht das Drehbuch das Krankenzimmer gegen die Straße. Mit einem alten Pick-up-Truck tuckern die zwei Ausreißer los. Mutter Eva und Vater Frank hetzen besorgt hinterher.

Das Ergebnis ist weder besser noch schlechter als der oben erwähnte oder vergleichbare Filme wie Du neben mir (2017) und Drei Schritte zu dir (2019). Während man diesem Subgenre der sick teen romance vorwerfen kann, sich allzu sehr an den Krankheiten zu weiden und Kapital aus den Gefühlen Todkranker zu schlagen, ist es bei Gott, du kannst ein Arsch sein! eher umgekehrt. Weil Wosch und Kittendorf sich sehr frei an der gleichnamigen und auf einer wahren Geschichte basierenden Vorlage orientieren und nur die ersten Tage nach Steffis Diagnose erzählen, zeigt sie bis zuletzt keinerlei Symptome. Obwohl der unausweichliche Tod stets im Mittelpunkt steht, ist er bis zum Schluss nicht sichtbar.

Mit diesem Ausblenden des Unvermeidlichen macht es sich der Film zu leicht. Auch der Roadtrip an sich – auf dem mal auf Kühen geritten, mal in eine Skihalle eingebrochen und mal augenzwinkernd auf den mit Schweiger besetzten, von ihm produzierten und mitgeschriebenen Knockin' on Heaven's Door (1997) angespielt wird – läuft nicht immer rund. Während einige Szenen, etwa immer dann, wenn Steffi und Steve ihr Talent zum Hochstapeln unter Beweis stellen dürfen, ausgezeichnet funktionieren, wirken andere wie eine lästige Pflicht.

Andere Themen, zuvorderst der Glaube, werden nicht konsequent genug verfolgt. Den Spruch, der der Buchvorlage und der Verfilmung den Namen gab, hat sich die echte Stefanie Pape vor ihrem Tod unter die Haut tätowieren lassen. Im Abspann des Films erfährt das Publikum, dass es ihr seither viele Todkranke nachtun. Diese Info ist bewegender als viele von Steffis Entscheidungen im Film. In der Handlung verkommt das titelgebende Tattoo zu einer witzigen Randnotiz.

André Erkau hat eine Tragikomödie gedreht, die arm an tragischen und reich an komischen Momenten ist. Wie für ein Roadmovie üblich sieht das blendend aus und hört sich gut an. Torsten Breuers Kamera lässt die sommerlichen Landschaften in prächtigen Farben erstrahlen. Die von Michael Regner und Florian Kreier komponierten Originalsongs verbreiten eine lockere, beschwingt melancholische Stimmung. Über Steffis sonniges Gemüt, das selbst im Angesicht ihres Todesurteils das Leben feiert, würde wohl auch der Allmächtige (sofern er denn existierte) schmunzeln.

Quelle: www.kino-zeit.de/film-kritiken-trailer-streaming/gott-du-kannst-ein-arsch-sein-2020