Austreten (2017)

Mit Humor und Menschlichkeit

Eine Filmkritik von Verena Schmöller

Austreten ist ein Familienprojekt. Und es geht um Familie, um Heimat, um das Menschliche. Auch. Denn vordergründig geht es zunächst einmal um einen bayrischen Ministerpräsidenten, der sich mit einer zweideutigen Aussage in einen eventuellen Austritt Bayerns aus der Bundesrepublik manövriert und dann einfach abhaut, also erst austreten muss und dann austritt, bevor er abtritt. Eventuell.   So kurios wie die Inhaltsangabe klingt, ist der ganze Film: Er baut auf einer originellen Grundidee auf, verliert sich dann ein wenig darin und lässt sie am Ende etwas links liegen, um vielen kleinen Anekdoten, Geschichten, Sprachspielen und Lebensweisheiten Raum zu geben. Diese sind mal erheiternd, mal verwunderlich, mal klug und mal Klischee. Vor allem aber – das wird schnell deutlich – hatten die Macher viel Spaß bei der Entwicklung und Umsetzung ihrer Geschichte. Und sie blasen ein wenig frischen Wind in den deutschen Film, auch wenn Austreten nicht wie ein Kinofilm wirkt, am Ende jedoch als cooles Projekt im Kopf bleibt.   Zurück zur Geschichte: Mittelpunkt des Films ist also ein Ministerpräsident: Johann Reitmayer (Markus Böker), der an Blasenschwäche leidet. Als er eine – wohl wieder einmal unsägliche – Pressekonferenz nicht mehr aushalten kann, verlässt er den Raum mit dem Wort: „Austreten“. Der Juniorchef der führenden Tageszeitung, Marco Mikulski (Thomas Schmidbauer), greift das auf und suggeriert – auch motiviert durch seine Affäre mit Staatsministerin Charlotte Eifertinger (Christine Eixenberger) – das Projekt der bayrischen Separation. Fortan ist der Freistaat – und mit ihm ganz Deutschland – in Aufruhr.   Weil Reitmayer auch darauf keine Lust hat, kehrt er erst einmal auf den heimischen Hof und in den Kreis seiner Familie zurück, die ihn überglücklich empfängt. Es wird ihm aber schnell deutlich: In den Jahren seiner Abwesenheit hat Reitmayers Familie ein Eigenleben entwickelt. Sohn Martin (Andreas Obermeier) lebt in einer chaotischen WG, Tochter Kathi (Tanja Schmidbauer) lernt zwar gerade fürs Abi, verbringt aber das Gros ihrer Zeit auf der Alm der Großeltern. Ehefrau Lisa (Barbara Weinzierl) vertreibt sich die freien Stunden mit dem Weißwein der Schwiegereltern, die allerdings keiner mehr besuchen geht.

Die Politik macht natürlich nicht halt vor dem Familienleben und holt Reitmayer auch im Kuhstall ein. Irgendwann wird es ihm zu bunt und der einstige Landeschef haut noch einmal ab. Mit Kurier Jeffrey (Maximilian Schaffner) fährt er durchs Land und erfährt, was Freiheit wirklich ist. Natürlich sind Familie wie Politik in Aufruhr – und die Politiksatire wird zum Roadmovie durch Bayern.
 
Das Komische in Austreten rutscht recht schnell und immer wieder ins Klamaukhafte ab. Das muss man mögen oder aber man findet es doof. Aber das ist vermutlich für die Filmemacher auch okay, denn das riskieren sie mit ihrem Film. Ernst ist er selten, auch wenn die Untertöne durchaus ernste Themen treffen. Über den Klamauk und die Komik findet man zum Nachdenken: natürlich über den Kern des Bayerischen, über Politik im Allgemeinen und die Medien im Besonderen, zum Beispiel, wenn Internetbloggerin Dagmar (Stephanie Liebl) der großen Tageszeitung im Land den Kampf ansagt.
 
Austreten ist das Filmprojekt der Geschwister Andreas und Tanja Schmidbauer, die seit 2003 Filme zusammen mit Cousin Thomas realisieren – zunächst kleinere Projekte, die dann immer größer wurden. Erstmals Furore machten sie mit ihrem Spielfilm Hinterdupfing (2014), der zum Publikumserfolg avancierte, und auch jetzt kommt ihr jüngster Film natürlich gerade richtig: Blieb einem nach einer Bundestagswahl die Spucke weg, hatte man nicht vielleicht auch spontan die Lust auszutreten, bleiben uns doch der Humor und das Menschliche, mit denen man auf die Welt schauen und sie damit auch ein wenig besser machen kann. Hoffentlich.
 

Quelle: www.kino-zeit.de/film-kritiken-trailer/austreten