Twin Peaks - Fire Walk with Me (1992)

Es ist alles nur ein Traum

Eine Filmkritik von Peter Osteried

David Lynchs Twin Peaks – Der Film / Twin Peaks - Fire Walk With Me liegt erstmals in HD vor. Das ist auch die einzige Neuerung. Auf das umfangreiche gefilmte, aber nicht benutzte Material muss man nach wie vor warten, weil niemand dem Regisseur das Geld geben will, um die entfallenen Szenen zu bearbeiten. In ihrer Rohform möchte er sie nicht präsentieren. So bleibt Lynchs verstörender Film seine Unvollendete. Einerseits, weil dieses zusätzliche Material erhellend sein oder für Fans zumindest interessant sein könnte, andererseits, weil der ursprüngliche Plan weiterer Sequels, die die offenen Handlungsstränge der Serie auflösen, nach dem finanziellen Misserfolg ad acta gelegt wurde.

FBI-Agent Ched Desmond (Chris Isaak) verschwindet, als er einen Mord untersucht, der einige Meilen von Twin Peaks entfernt verübt worden ist. Agent Dale Cooper (Kyle MacLachlan) ermittelt. Ein Jahr später erlebt Laura Palmer (Sheryl Lee) ihre letzte Woche. Doch auf sie lauern dieselben bösartigen Kräfte, denen schon andere Mädchen zum Opfer fielen, und die die gesamte Gemeinde vergiften. Dale Cooper vertraut auf seine Intuition, um diesem Mysterium auf die Spur zu kommen.

In der zweiten und letzten Staffel wurde Twin Peaks zusehends bizarrer. Was anfänglich ein Krimi war, in dem es um die Frage ging, wer Laura Palmer ermordet hat, wurde dann zu surrealem Symbolismus. Vom Kinofilm darf man sich auch keine Antworten erwarten. Der Film ist ein Prequel, aber noch weit weniger zugänglich als die letzten Episoden der Serie. Lynch versteht Film als Kunst, nicht als Handwerk. Er will keine Botschaften verbreiten, sondern einen traumgleichen Zustand erzeugen. Die Interpretation überlässt er dem Zuschauer. Die Deutungshoheit liegt nicht länger beim Regisseur, sondern bei jedem einzelnen.

Aus produktionstechnischen Zwängen wird eine Tugend. Kyle MacLachlan wollte nur eine kleine Rolle spielen, darum befasst sich die erste halbe Stunde praktisch mit Ched Desmond. Aber ist Desmond überhaupt real? Oder nicht vielmehr nur ein Avatar für Cooper, die Verkörperung seiner Selbst in einem Traum, den er durchaus während der Ermittlungen zum Mordfall Laura Palmer haben könnte? So ist Twin Peaks – Der Film eng mit der Fernsehserie Twin Peaks verbunden, aber alle Fragen, die mit dem Serienfinale offen blieben, werden auch hier nicht beantwortet. Es gibt im Film Hinweise, wie das Serienfinale zu deuten ist, mehr aber auch nicht. Letzten Endes ist Lynchs Film ein Lehrstück darin, wie man ohne stringente Narrative, aber mit fruchtbarer Phantasie ein audiovisuelles Schauerstück gestaltet, das in seiner verstörenden Weise nachwirkt. Twin Peaks – Der Film wirft Wellen, denen man sich nicht entziehen kann.

Quelle: www.kino-zeit.de/film-kritiken-trailer/twin-peaks-der-film