Jarhead – Willkommen im Dreck

Camus in der Wüste

Im Jahr 1990 löst der Überfall des Irak auf das kleine Nachbarland Kuwait eine Militäraktion der USA mit dem Namen „Desert Shield“ aus, die die Ölfelder in Saudi-Arabien vor dem Zugriff des irakischen Diktators Sadam Hussein schützen soll. Unter den Soldaten, die in die Wüste geschickt werden, befindet sich auch ein junger Scharfschütze namens Anthony Swofford (Jake Gyllenhaal), dessen Vater bereit in Vietnam gekämpft hatte. Nach dem endlosen stupiden Drill im so genannten Boot Camp, dem Ausbildungslager, brennen Swofford und seine Kameraden auf den Einsatz, doch der anfänglichen Euphorie folgt schnell die Ernüchterung, denn der einzige Kampf, den die Soldaten anfangs bestehen müssen, ist der gegen die Langeweile und Hitze der arabischen Halbinsel. Und so vertreiben sich die „Jarheads“, wie die Eliteeinheiten des US-Marine-Corps aufgrund ihres Haarschnitts genannt werden, die Zeit mit dem Reinigen der Gewehre und Büchern von Albert Camus, mit Rugby und Masturbation, um Druck abzulassen und sehnen sich nichts mehr herbei als den Ausbruch der Kampfhandlungen. Als es schließlich so weit ist und aus der Operation „Desert Shield“ der „Desert Storm“ wird, erscheint die Krieg plötzlich genauso sinnentleert und absurd wie die lange Zeit des Wartens.
Jarhead – Willkommen im Dreck basiert auf dem gleichnamigen autobiographischen Roman des Ex-Marineinfanteristen Anthony Swofford, der darin seine Erlebnisse im ersten Golfkrieg niederschrieb und damit im Jahr 2003 ein gewaltiges Medienecho auslöste. Für die Adaption des Romans zeichnet mit William Broyles Jr. (Apollo 13) ein weiterer Ex-Marinesoldat verantwortlich und die Regie übernahm der Brite Sam Mendes, der ja bereits in American Beauty bewiesen hat, dass er ein besonderes Händchen für die Demaskierung der Brüche und Widersprüche der amerikanischen Gesellschaft und ihrer Grundpfeiler hat. Vielleicht ist es ja gerade diese Kombination dreier kritischer Geister, die einen für Hollywood-Verhältnisse gänzlich untypischen Antikriegsfilm hat entstehen lassen. Denn im Gegensatz zu vergleichbaren Werken wie Full Metal Jacket oder Apocalypse Now verzichtet Jarhead auf ausufernde Gewaltdarstellungen und konzentriert sich stattdessen auf die Absurdität der Situation, die wahrhaft der Feder eines Albert Camus entsprungen sein könnte. Die Naivität und Unwissenheit der jungen Soldaten, die Schachfiguren in den strategischen Winkelzügen der großen Politik sind, stehen stellvertretend für die Unwissenheit der Völker, die aus schlichtweg unbekannten Gründen in sinnlose Schlachten geschickt werden, die dann mit großartiger Polemik und platter Ideologie als gut und notwendig verkauft werden. Bizarr und perfide wird der Film beispielsweise, wenn die jungen Rekruten beim Anschauen von Apocalypse Now nicht ihre eigene Situation erkennen, sondern sich vielmehr zum Kämpfen stimuliert fühlen – wann wurde jemals Verdummung und dumpfer Herdentrieb treffender auf einen Punkt gebracht?

Unterstützt von einem jungen Cast, aus dem vor allem der Newcomer Jake Gyllenhaal hervorragt, und mit scharfem Blick für psychologische Nuancen gelingt Sam Mendes mit Jarhead – Willkommen im Dreck ein Film, der mittlerweile als einer der heißesten Anwärter auf den Oscar gilt, wenngleich es auch durchaus kritische Stimmen gibt, die sich – den Konventionen des Antikriegsfilmes folgend – mehr Drastik und eine schonungslosere Haltung gegen das sinnlose Blutvergießen gewünscht hätten. Insofern darf man gespannt darauf sein, wie das deutsche Publikum diesen Film diskutieren wird.

Quelle: www.kino-zeit.de/film-kritiken-trailer-streaming/jarhead-willkommen-im-dreck